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BFH-Urteil vom 23.5.1985 (IV R 84/82) BStBl. 1985 II S. 515

Einem Schriftsteller, der über einen längeren Zeitraum aus seiner Tätigkeit Verluste erzielt hat, fehlt die Gewinnerzielungsabsicht, wenn nach den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen keine Aussicht besteht, daß er jemals ein positives Gesamtergebnis erzielen wird.

EStG 1975 § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsanwalt. Er verfaßt außerdem als Schriftsteller philosophische und naturwissenschaftliche Werke, Dramen, Romane, Kurzgeschichten und Lyrik. Aus dieser schriftstellerischen Tätigkeit hat der Kläger nach seinen Angaben bisher fast nur Verluste erzielt, und zwar

1971:

./.

9.202 DM

 

1972:

./.

2.864 DM

 

1973:

./.

2.100 DM

 

1974:

./.

23.420 DM

 

1975:

./.

22.024 DM

 

1976:

./.

20.471 DM

 

1977:

 

404 DM

 

1978:

./.

1.625 DM

 

1979:

./.

1.425 DM

und

1980:

./.

5.628 DM

 

Der Kläger trug die Druckkosten für seine Werke regelmäßig selbst und verkaufte nur einen geringen Teil seiner Bücher. Die meisten Bücher wurden auf Dichter- und Schriftstellertagungen verschenkt, die restlichen Exemplare im Keller seines Hauses aufbewahrt. In keinem Fall entsprachen die Verkaufserlöse auch nur annähernd den vom Kläger aufgebrachten Druckkosten.

Von den im Streitjahr 1975 geltend gemachten Aufwendungen entfielen auf ein

Copyright                                                                               150 DM

Druckkosten für 500 Exemplare des Romans A                      7.658 DM

für den Roman B                                                                  6.400 DM    und

für 750 Exemplare des Romans C                                         8.000 DM

                                                                                          --------------

                                                                                        22.208 DM

Den Aufwendungen standen an Einnahmen lediglich Verkaufserlöse für Bücher in Höhe von 185 DM gegenüber.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den für das Streitjahr geltend gemachten Verlust bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer nicht an, da es sich bei dessen schriftstellerischer Tätigkeit um eine Liebhaberei gehandelt habe.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, das FA habe die Verluste des Klägers zu Recht bei der Einkommensteuerveranlagung nicht angesetzt. Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich, daß er seine schriftstellerische Tätigkeit nicht aus wirtschaftlichen Gründen ausübe, sondern damit ein kulturelles oder kulturpolitisches Anliegen verbinde. Seine Betätigung sei nicht Ausdruck eines wirtschaftlichen, auf die Erzielung von Erträgen gerichteten Verhaltens; sie beruhe vielmehr auf privater Neigung. Der Kläger habe mehrfach darauf hingewiesen, daß mit einem nachhaltigen Erfolg seiner schriftstellerischen Tätigkeit nicht gerechnet werden könne, da von der Thematik und der formalen Gestaltung seiner Werke her in absehbarer Zeit keine Breitenwirkung zu erwarten sei. Er habe sich zwar andererseits auch darauf berufen, daß ihm seine schriftstellerische Tätigkeit einen Ausgleich für die - altersmäßig bedingte - Verringerung seiner Einkünfte aus der Anwaltspraxis bringen sollte; das reiche jedoch für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht nicht aus. Allein die Tatsache, daß der Kläger in neun von zehn Jahren umfangreiche Verluste erlitten, dennoch aber seine Tätigkeit unverändert fortgesetzt habe, spreche gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG sei nicht darauf eingegangen, daß die Finanzverwaltung anderen Schriftstellern den Abzug von Verlusten aus der schriftstellerischen Tätigkeit gewährt habe. Seine Arbeiten hätten hohen wissenschaftlichen und künstlerischen Rang. Daß sie bisher keine Überschüsse abgeworfen hätten, besage nichts. Wer echte Kunst schaffe, könne auf ein kaufendes Publikum kaum rechnen. Angesichts der Bedeutung seiner Arbeiten könne hier nicht von einer Liebhaberei gesprochen werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß ein Verlust aus schriftstellerischer Arbeit in Höhe von 22.024 DM berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Verluste des Klägers aus seiner Tätigkeit als Schriftsteller bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 1975 nicht angesetzt werden durften.

1. Grundsätzlich sind zwar alle Gewinne und Verluste aus einer selbständig ausgeübten schriftstellerischen Tätigkeit als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen, sofern die äußeren Merkmale einer schriftstellerischen Tätigkeit, "eigene Gedanken mit Mitteln der Sprache schriftlich auszudrücken" (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. November 1979 IV R 88/76, BFHE 129, 269, BStBl II 1980, 152), gegeben sind.

Die hieraus erzielten (positiven oder negativen) Einkünfte können jedoch nur dann bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt werden, wenn die schriftstellerische Tätigkeit auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte dient. Ebenso wie bei der Einkunftsart "Gewerbebetrieb", bei der die Absicht der Gewinnerzielung zu den ausdrücklich erwähnten gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gehört (vgl. § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -, sowie nunmehr § 15 Abs. 2 EStG 1983), ist auch bei der Einkunftsart "selbständige Arbeit" eine Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung für das Vorliegen einer einkommensteuerrechtlich relevanten Tätigkeit zu fordern (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., Anm. 50 zu § 18 EStG und Anm. 50 zu Erg. § 18 EStG; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., Anm. 3 zu § 18).

Als "Gewinnerzielungsabsicht" sieht der Große Senat des BFH die Absicht einer "Betriebsvermögensmehrung" an. In Gewinnabsicht ist hiernach nur tätig, wer "einen betrieblichen Totalgewinn erstrebt". "Totalgewinn" in diesem Sinne ist das "Gesamtergebnis des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe oder Liquidation" (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

2. Die Absicht der Gewinnerzielung ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Es muß deshalb im Einzelfall anhand objektiver Umstände auf das Vorliegen oder Fehlen dieser Absicht geschlossen werden (BFH-Urteile in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; vom 15. November 1984 IV R 139/81, BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205, und vom 14. März 1985 IV R 8/84, BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424).

Bei Schriftstellern ist - ebenso wie bei Gewerbetreibenden, Land- und Forstwirten sowie bei den auf anderen Gebieten tätig werdenden Angehörigen freier Berufe - zur Bejahung einer Gewinnerzielungsabsicht erforderlich, daß ihre Tätigkeit auf Dauer dazu geeignet und bestimmt ist, Gewinne zu erzielen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich bei Schriftstellern - ähnlich wie bei Künstlern - positive Einkünfte vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen. Der materielle Erfolg eines Schriftstellers stellt sich in der Regel erst ein, wenn seine Werke auf eine entsprechende Resonanz in der Öffentlichkeit gestoßen sind. Deshalb läßt sich allein aus der Tatsache einer über mehrere Jahre anhaltenden Verlusterzielung nicht der Schluß ziehen, es fehle an einer Gewinnerzielungsabsicht.

Wird allerdings nach einer gewissen - nicht zu kurz bemessenen - Anlaufzeit festgestellt, daß die Erzeugnisse eines Schriftstellers trotz entsprechender Bemühungen zu keinen Gewinnen führen und daß unter den gegebenen Umständen keine Aussicht besteht, ein positives Gesamtergebnis aus der schriftstellerischen Arbeit zu erzielen, so muß aus der weiteren Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit der Schluß gezogen werden, daß der Schriftsteller fortan nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern nur noch aus persönlichen Gründen tätig ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205 und BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424). Die im Zusammenhang hiermit erzielten Verluste dürfen das Einkommen nicht mindern.

An einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt es auch in den Fällen, in denen eine schriftstellerische Tätigkeit von vornherein nicht um des Erwerbes willen betrieben wird. Oft geht es den Verfassern allein darum, Erkenntnisse, Ideen oder Auffassungen möglichst weitreichend zu übermitteln. Treffen die Verfasser in solchen Fällen mit Verlagen vertragliche Vereinbarungen über das Erscheinen ihrer Werke, so besteht der für sie maßgebende vertragliche Vorteil allein darin, daß ihre Darlegungen überhaupt veröffentlicht werden. Nicht selten entschließt sich ein Verfasser sogar, noch einen Zuschuß zu leisten, um das Erscheinen seines Werkes zu ermöglichen (vgl. Leiss, Verlagsgesetz, Kommentar, § 22 Rdnr. 3). In diesen Fällen ist eine Gewinnerzielungsabsicht im steuerrechtlichen Sinn von Anfang an nicht vorhanden.

3. Im Streitfall hat das FG zu Recht angenommen, daß es dem Kläger nach Ablauf einer gewissen Anlaufphase an einer Gewinnerzielungsabsicht gefehlt hat. Die von ihm über einen Zeitraum von zehn Jahren geübte Praxis bei der Verbreitung seiner Werke läßt deutlich erkennen, daß es ihm nicht in erster Linie darum ging, aus seinen Büchern materiellen Nutzen zu ziehen. Er hat seine Bücher nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwertet. Da er die Druckkosten für seine Werke selbst trug, von den gedruckten Exemplaren aber in der Regel nur einen ganz geringen Teil verkaufte, war ein anhaltender Gewinn auf Dauer nicht zu erzielen. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger auch selbst mehrfach betont, daß er nicht mit einem nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg seiner schriftstellerischen Tätigkeit rechne.

Die - in einem gewissen Gegensatz hierzu stehende - Äußerung des Klägers, er betreibe seine schriftstellerische Tätigkeit auch, um dadurch einen materiellen Ausgleich für die erwartete Verringerung seiner Einkünfte aus der Anwaltspraxis zu erzielen, kann demgegenüber kein entscheidendes Gewicht haben. Vielmehr ist die Art und Weise der Verwertung seiner schriftstellerischen Werke über einen Zeitraum von zehn Jahren ein hinreichendes Beweisanzeichen dafür, daß ihm die ernstliche Absicht der Gewinnerzielung fehlte.

Mit dieser Entscheidung wird der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) nicht verletzt, auch wenn zutreffen sollte, daß die Finanzverwaltung in anderen sachverhaltsmäßig gleichliegenden Fällen den Abzug von Verlusten aus schriftstellerischer Tätigkeit anerkannt hat. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf gleichmäßige Falschbehandlung.