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BFH-Urteil vom 14.6.1985 (III R 22/82) BStBl. 1985 II S. 528

Eine zulagebegünstigte Anzahlung durch Hingabe eines Wechsels liegt nur dann vor, wenn der Wechsel nach Maßgabe des § 364 Abs. 2 BGB der (teilweisen) Tilgung der (Kaufpreis-)Schuld dienen soll und auch tatsächlich dient.

InvZulG 1975 § 4b Abs. 3 und 4.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Omnibusunternehmen. Im April 1975 bestellte er bei der Firma X zwei Omnibusse. Beim Kauf des einen Busses sollte der Kläger einen gebrauchten Bus in Zahlung geben. Der Restkaufpreis war durch einen Wechsel mit 1/2jähriger Laufzeit zu tilgen. Der Kaufpreis des zweiten Busses war bei Lieferung bar zu entrichten.

Abweichend von diesen Zahlungsvereinbarungen übergab der Kläger der Lieferfirma im Juni 1976 zwei zum 30. November 1976 fällige Akzepte als "Anzahlungen" für die noch nicht ausgelieferten Omnibusse. Die Firma X reichte diese Wechsel ihrer Bank am 28. Juni 1976 zur Diskontierung ein. Die Bank schrieb die Diskontbeträge der Lieferfirma am 30. Juni 1976 auf einem bei ihr unterhaltenen Festgeldkonto gut. Dies geschah jedoch mit der Maßgabe, daß das Festgeld während der Laufzeit des Diskontkredits als Sicherheit für diesen dienen sollte.

Den ersten Omnibus lieferte die Firma X im November 1976 aus. Der Kläger entrichtete den (geringfügig geänderten) Kaufpreis durch Hingabe von zwei Akzepten (Fälligkeit: 20. Februar 1977) sowie einem Verrechnungsscheck. Die beiden Wechsel löste der Kläger unter Inanspruchnahme eines Kredits ein. Der zweite Omnibus wurde im April 1977 ausgeliefert. Den (geänderten) Kaufpreis finanzierte der Kläger im wesentlichen durch Kreditaufnahme.

Die im Juni 1976 als "Anzahlungen" hingegebenen Wechsel löste nicht der Kläger ein. Vielmehr rief die Lieferfima sie vor dem Fälligkeitstermin von der diskontierenden Bank unter Belastung ihres Festgeldkontos zurück und sandte sie im Dezember 1976 dem Kläger.

Der Kläger sah die Hingabe der Wechsel im Juni 1976 als begünstigungsfähige Anzahlungen an und beantragte hierfür beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes 1975 (InvZulG). Das FA entsprach diesem Antrag. Im Anschluß an eine Außenprüfung änderte es jedoch den Zulagebescheid, indem es die Gewährung einer Zulage für die "Anzahlungen" versagte. Die bereits ausgezahlte Zulage forderte es zurück. Das FA war der Auffassung, der Kläger habe deshalb keine Anzahlungen i. S. des § 4 b Abs. 3 Satz 2 InvZulG geleistet, weil die Diskonterlöse nicht auf den Kaufpreis angerechnet worden seien. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, der Wechselgegenwert sei der Lieferfirma wegen der Festlegung des Diskonterlöses wirtschaftlich nicht vor dem 1. Juli 1976 zugeflossen.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 b InvZulG. Er beantragt, die Vorentscheidung sowie den Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Wechselhingabe im Juni 1976 nicht als Anzahlungen i. S. des § 4 b Abs. 3 InvZulG angesehen.

1. Eine Anzahlung, d. h. eine Vorleistung auf ein zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehendes Anschaffungsgeschäft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. November 1980 III R 19/79, BFHE 132, 175, BStBl II 1981, 179) setzt voraus, daß die Leistung in Erfüllung des Anschaffungsgeschäfts erbracht wird. Diese Voraussetzung ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Vorleistung der Tilgung der (Kaufpreis-) Verbindlichkeit dienen soll und auch tatsächlich dient. Dies gilt, wenn auch nach Maßgabe des § 364 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), ebenso in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige einen Wechsel hingibt. Die Annahme eines Wechsels genügt für sich allein gesehen noch nicht. Die Hingabe eines Wechsels, die nur in zeitlichem Zusammenhang mit einem Anschaffungsgeschäft erfolgt, die aber nach der Vorstellung der Vertragsparteien nicht der (teilweisen) Tilgung der Kaufpreisschuld dienen soll und auch tatsächlich nicht dient, stellt keine Anzahlung i. S. des § 4 b Abs. 3 Satz 2 InvZulG dar. Die Frage der Rechtzeitigkeit (vgl. § 7 a Abs. 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. V. m. § 4 b Abs. 3 Satz 3 InvZulG) stellt sich in einem solchen Fall nicht mehr (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1983 III R 20/82, BFHE 138, 286, BStBl II 1983, 509).

2. Danach war die Hingabe der Wechsel im Juni 1976 nicht als zulagebegünstigte Anzahlung zu beurteilen, da die Wechsel nicht der Tilgung des Kaufpreises dienten.

a) Nach den unangefochtenen und damit den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Feststellungen des FG hat die Lieferfirma den Kläger nicht aufgrund der Annahme der Wechsel (vgl. § 28 Abs. 1 des Wechselgesetzes) in Anspruch genommen. Sie hat den Diskonterlös auch nicht auf sonstige Weise auf den Kaufpreis angerechnet. Die Firma X hat vielmehr die Wechsel dem Kläger, ohne Wechselansprüche geltend zu machen, zurückgesandt. Damit steht in Einklang, daß die Lieferfirma ihrerseits die Wechsel mit eben den Diskonterlösen eingelöst hat, die ihr zuvor auf dem Festgeldkonto gutgeschrieben worden waren. Tatsächlich hat der Kläger den Kaufpreis für die beiden Omnibusse auf andere Weise entrichtet, und zwar im wesentlichen nach vorheriger Kreditaufnahme.

Der erkennende Senat vermag die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung nicht zu teilen, wonach im Streitfall eine Anzahlung i. S. des § 4 b Abs. 3 Sätze 2 und 3 InvZulG nur dann zu verneinen sei, wenn man gleichzeitig das Wechselgeschäft als ein Scheingeschäft i. S. des § 5 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes ansehe. Die Ernsthaftigkeit des Wechselgeschäfts, von der auch der Senat ausgeht, beinhaltet nicht notwendigerweise die Annahme, daß dieses Wechselgeschäft der Tilgung des Kaufpreises dienen sollte. Beides kann auseinanderfallen.

b) Ob die Zulage zu gewähren wäre, wenn die Finanzierungsbank lediglich den Kaufpreisrest an die Lieferfirma gezahlt, im übrigen aber dem Kläger das Darlehen zum Zweck der Wechseleinlösung zur Verfügung gestellt hätte, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Darüber hinaus unterscheidet sich dieser Fall entgegen der Auffassung des Klägers vom Streitfall in nicht nur rechtstechnischer Hinsicht.

3. Der Senat kann unerörtert lassen, ob die Hingabe der Wechsel auch deshalb nicht als begünstigte Anzahlungen i. S. des § 4 b Abs. 3 Sätze 2 und 3 InvZulG angesehen werden könnte, weil, wie das FG meint, die Diskonterlöse der Lieferfirma nicht rechtzeitig i. S. des § 4 b Abs. 4 InvZulG i. V. m. § 7 a Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG zugeflossen seien. Dies ist nicht mehr entscheidungserheblich, da es bereits an der erforderlichen Anzahlung fehlt.