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BFH-Beschluß vom 27.6.1985 (I B 23/85) BStBl. 1985 II S. 605

1. Die Rechtsfrage, ob Zinsen i. S. des § 234 AO 1977, soweit sie auf die Stundung von Körperschaftsteuern entfallen, abziehbare Betriebsausgaben sind, ist i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO von grundsätzlicher Bedeutung.

2. Die Zulassung der Revision kann auf einen von mehreren in der Form der objektiven Klagehäufung angefochtenen Steuerbescheiden beschränkt werden.

3. Wird der Nichtzulassungsbeschwerde nur teilweise entsprochen, so ist der Beschluß mit einer Kostenentscheidung zu versehen.

AO 1977 § 234; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, § 143 Abs. 1; KStG 1977 § 10 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) stellt Öl- und Gasbrenner her und vertreibt sie. Auf ihren Antrag hin stundete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) am 12. August 1982 eine Körperschaftsteuerschuld 1980 in der Form von Ratenzahlungen für drei Monate. Durch Verfügung vom 13. September 1982 wurde die Stundung für einen Teilbetrag um einen weiteren Monat verlängert. Dadurch fielen Stundungszinsen (§ 234 der Abgabenordnung - AO 1977 -) in Höhe von insgesamt 6.856 DM an, die durch Zinsbescheide vom 12. August 1982 und 13. September 1982 festgesetzt und von der Beschwerdeführerin bezahlt wurden.

Im Rahmen der Körperschaftsteuererklärung 1982 behandelte die Beschwerdeführerin die Zinszahlungen als Betriebsausgaben. Das FA sah sie dagegen als nichtabziehbare Betriebsausgaben an und erhöhte deshalb den für 1982 erklärten steuerpflichtigen Gewinn im Körperschaftsteuerbescheid 1982 vom 22. August 1983 um 6.856 DM. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

In dem Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde die Revision nicht zugelassen.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 21. Februar 1985 zugestellt. Am 7. März 1985 legte die Beschwerdeführerin Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein. Zur Begründung derselben beruft sie sich auf die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, die Revision zuzulassen, nachdem das FG der Beschwerde nicht abgeholfen hat.

Das FA beantragt, die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Gemäß § 115 Abs. 3 FGO kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden, wenn der Wert des Streitgegenstandes zehntausend Deutsche Mark nicht übersteigt (§ 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlG -). Der Streitwert übersteigt im Streitfall den Betrag von 10.000 DM nicht. Mit der Revision werden zwei Klagebegehren im Wege der objektiven Klagehäufung verfolgt (§ 43 FGO). Sie betreffen einmal den Körperschaftsteuerbescheid 1982 und zum anderen den vEK-Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 1982. Der den Körperschaftsteuerbescheid betreffende Teilstreitwert beläuft sich auf 4.844 DM.

Bezüglich des Feststellungsbescheids ergibt sich aus den den Streitfall betreffenden Akten, daß das EK 56 zum 31. Dezember 1982 mit 259.087 DM festgestellt wurde. Beantragt wird eine Feststellung des EK 56 in Höhe von 262.925 DM. Die Differenz beträgt 3.838 DM. Nach der Auffassung des FG Düsseldorf (Beschluß vom 22. Mai 1981 I 506/80 F, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 591) soll der Streitwert 40 v. H. des Differenzbetrags sein. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Beschluß vom 18. Mai 1983 I R 263/82 (BFHE 138, 409, BStBl II 1983, 602) in einem allerdings etwas anderen Zusammenhang 10 v. H. eines streitigen Verlustes angesetzt. Letztlich bedarf diese Frage jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil selbst bei einem Ansatz von 100 v. H. als zusätzlicher Teilstreitwert nur 3.838 DM hinzukämen. Damit wird die Grenze von 10.000 DM noch nicht erreicht.

Die Beschwerde ist begründet, soweit sie die Nichtzulassung der Revision gegen das die Klage wegen Körperschaftsteuer 1982 abweisende Urteil des FG betrifft.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. BFH-Beschluß vom 20. April 1977 I B 65/76, BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

2. Die Rechtsfrage, ob Zinsen i. S. des § 234 AO 1977, soweit sie auf die Stundung von Körperschaftsteuern entfallen, zu den abziehbaren Betriebsausgaben gehören, ist schon deshalb von allgemeinem Interesse, weil diese Rechtsfrage in einer großen Zahl von Fällen als Problem ansteht und im Schrifttum uneinheitlich beantwortet wird (für Abziehbarkeit: Felix/Streck, KStG, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 10 Anm. 10; Friedrich, Betriebs-Berater - BB - 1975, 1242; Pinggera, BB 1978, 444; gegen Abziehbarkeit: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 KStG Anm. 52 ff.; Bühler/Paulick/Freericks, Körperschaftsteuergesetz, § 10 Anm. 7; Lademann/Wöstmann, Körperschaftsteuergesetz, § 10 Anm. 13; Koch, Abgabenordnung - AO 1977, § 239, Rz. 18; Höllig, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1977, 283, 289; Urteil des FG München vom 24. Februar 1976 VII 123/73, EFG 1976, 361; Abschn. 43 Abs. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1977 - KStR 1977 -). Zwar hat der BFH in seinem Urteil vom 30. Juni 1959 I 52/59 U (BFHE 69, 207, BStBl III 1959, 340) Säumniszuschläge und in seinem Urteil vom 23. Mai 1984 I R 204/80 (BFHE 141, 258, BStBl II 1984, 672) Aussetzungszinsen als nicht abziehbare Betriebsausgaben angesehen. Jedoch wurde bis heute über die entsprechende Behandlung von Stundungszinsen noch nicht entschieden. Dieser Umstand ist deshalb von Bedeutung, weil die Begründung des Urteils in BFHE 141, 258, BStBl II 1984, 672 eine Differenzierung zwischen Aussetzungs- und Stundungszinsen denkbar erscheinen läßt. Stundungszinsen können als Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates angesehen werden, die in der zeitlich vorübergehenden Zurverfügungstellung des gestundeten Kapitalbetrages bestünde. Zusätzlich drängt sich der Vergleich mit der steuerlichen Behandlung von Darlehenszinsen auf, wenn das Darlehen zur Tilgung einer Körperschaftsteuerschuld verwendet wird.

Das Urteil in BFHE 141, 258, BStBl II 1984, 672 wurde im Schrifttum von Flume in Der Betrieb (DB) 1985, 1 kritisiert. Es besteht ein allgemeines Interesse an der Entscheidung darüber, ob der BFH trotz dieser Kritik an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten wird. Die Beschwerde ist allerdings unbegründet, soweit sie den vEK-Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 1982 betrifft. Die Abziehbarkeit von Stundungszinsen als Betriebsausgaben berührt einmal die Einkommensermittlung der Beschwerdeführerin und im übrigen die Zuordnung der nichtabziehbaren Ausgaben in der Gliederung des vEK. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) ist jedoch der Feststellungsbescheid zu ändern, wenn der Körperschaftsteuerbescheid geändert wird und die Änderung die Höhe des Einkommens oder der Tarifbelastung berührt. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen mit der Maßgabe erfüllt, daß im Falle eines Obsiegens in der Körperschaftsteuersache der Feststellungsbescheid gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG 1977 zu ändern ist, ohne daß es deshalb der Durchführung der Revision auch gegen den Feststellungsbescheid bedarf. Die in Betracht kommende Änderung schließt die anderweitige Zuordnung der Zinsen als (dann) abziehbare Betriebsausgabe ein. Insoweit verlangt § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG 1977, daß alle Konsequenzen aus der Änderung der Höhe des Einkommens gezogen werden.

Die Zulassung der Revision kann auf einen von mehreren in der Form der objektiven Klagehäufung angefochtenen Steuerbescheiden beschränkt werden. Es handelt sich insoweit um einen selbständigen Teil des Streitgegenstandes. Da der einzelne Steuerbescheid mit einer nur gegen ihn gerichteten Klage angefochten werden kann, ist seine zulassungsmäßige Abtrennung vom übrigen Streitgegenstand verfahrensrechtlich möglich (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 1972 III C 82/71, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1973, 348; vom 24. August 1971 I C 21/66, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 402.44 Ordnungsrecht Nr. 1; vom 16. Oktober 1975 II C 43/73, HFR 1976, 438; vom 23. Januar 1976 VII C 79/74, Buchholz, a. a. O., 421.2 Hochschulrecht Nr. 43; Beschluß vom 26. November 1974 III B 108/73, Buchholz, a. a. O., 310, § 132 VwGO Nr. 126; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 8 D).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Abweichend vom BFH-Beschluß vom 29. Juli 1976 V B 10/76 (BFHE 119, 380, BStBl II 1976, 684) bedarf es einer Kostenentscheidung dann, wenn die Beschwerde teilweise als unbegründet zurückgewiesen wird.