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BFH-Urteil vom 18.7.1985 (IV R 135/82) BStBl. 1985 II S. 635

Der minderbeteiligte Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft empfängt eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn die Kapitalgesellschaft im Hinblick auf seine Beteiligung unentgeltlich Leistungen an eine andere Kapitalgesellschaft erbringt, an der der Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung hat.

KStG a.F. § 6 Abs. 1 Satz 2; KStG 1977 § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger war mit 41,6 v. H. an der GmbH A und mit 70 v. H. an der GmbH B beteiligt; er war auch Geschäftsführer dieser Gesellschaften. Nach einer Betriebsprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) an, daß der Kläger seitens der GmbH A durch Übernahme von Ausgaben der GmbH B verdeckte Gewinnausschüttungen erhalten habe.

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte insoweit keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Zu Recht hat das FG angenommen, die GmbH A habe an den Kläger eine bei ihm als Teil der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassende verdeckte Gewinnausschüttung bewirkt, indem sie verschiedene Ausgaben der GmbH B übernahm, deren Hauptgesellschafter der Kläger war.

a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist anzunehmen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; ständige Rechtsprechung). Dabei kann die Leistung der Kapitalgesellschaft auch an einen Dritten erfolgen, sofern sie ihre Grundlage in der Mitgliedschaft des Gesellschafters in der Gesellschaft hat. Insbesondere kann eine verdeckte Gewinnausschüttung durch Leistung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person bewirkt werden; als nahestehend kann auch eine andere Kapitalgesellschaft angesehen werden, an welcher der Gesellschafter beteiligt ist. Deshalb beinhalten Zuwendungen zwischen Schwesterkapitalgesellschaften eine verdeckte Gewinnausschüttung an die gemeinsame Muttergesellschaft (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19. Mai 1982 I R 102/79, BFHE 136, 105, BStBl II 1982, 631, m. w. N.).

b) Die verdeckte Gewinnausschüttung hat zur Folge, daß sich das Einkommen der Kapitalgesellschaft um den Vorteil erhöht, den ein ordnungsgemäß handelnder Geschäftsleiter nicht zum Nachteil der Gesellschaft eingeräumt hätte (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - a. F., § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977). Darüber hinaus erzielt der begünstigte Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen, sobald ihm der Vorteil aus der verdeckten Gewinnausschüttung zufließt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Bei der Leistung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person kann der ihm zugeflossene Vorteil in der Vermehrung seiner Vermögensrechte gegenüber dem Leistungsempfänger bestehen. Auch ohne eine derartige Vermögensmehrung kann aber eine Zuwendung an den Gesellschafter vorliegen, wenn dieser mit Hilfe der Kapitalgesellschaft eine freiwillige Leistung an den Dritten erbringt und dadurch eigene Aufwendungen erspart (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1967 I 98/65, BFHE 91, 239, BStBl II 1968, 322; vom 31. Juli 1974 I R 238/72, BFHE 113, 434, BStBl II 1975, 48; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, S. 31).

c) Im Streitfall standen dem Kläger nur 41,6 v. H. der Anteile an der leistenden Kapitalgesellschaft zu. Dies hindert aber die Zuwendung und den Zufluß einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht; der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung ist nicht an eine bestimmte Mindestbeteiligung des Gesellschafters an der leistenden Gesellschaft geknüpft.

Ebensowenig ist hinderlich, daß der Kläger nur mit 70 v. H. an der empfangenden Kapitalgesellschaft beteiligt war. Da die GmbH A die Ausgaben der GmbH B nach der Feststellung des FG auf Veranlassung des Klägers übernommen hat, die Vorteilsgewährung aus der Sicht der GmbH B also ihre Ursache in der Mitgliedschaft des Klägers hatte, liegt darin eine verdeckte Einlage des Klägers bei dieser Gesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1983 I R 182/78, BFHE 139, 139, BStBl II 1983, 744, m. w. N.); ein Nichtgesellschafter hätte den Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht eingeräumt. Der beim Kläger als verdeckte Gewinnausschüttung zugeflossene Vorteil kann in der Wertsteigerung gesehen werden, die sein Anteil an der GmbH B durch die Vermögensverschiebung zwischen den beiden Kapitalgesellschaften erfahren hat. Die Rechtsprechung hat die Wertsteigerung bei den Anteilen der empfangenden Kapitalgesellschaft mit dem Verkehrswert der geleisteten Einlage angesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Februar 1980 VIII R 114/77, BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494).

Selbst wenn man aber mit der Revision des Klägers davon ausgeht, daß ihm die Vermögensmehrung bei der GmbH B entsprechend seiner Kapitalbeteiligung nur mit 70 v. H. zugute gekommen ist, kann daraus nicht gefolgert werden, ihm sei die verdeckte Gewinnausschüttung seitens der GmbH A nur in Höhe von 70 v. H. der Vermögensmehrung bei der GmbH B zugeflossen. Vielmehr ist ausschlaggebend, daß der Kläger mit Hilfe der GmbH A eine verdeckte Einlage bei der GmbH B bewirkt hat und daß dieser Vorgang nicht anders angesehen werden kann, als hätte die GmbH A den Vorteil dem Kläger gewährt und dieser ihn an die GmbH B weitergegeben (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408). Es kann nicht zweifelhaft sein, daß ein Gesellschafter eine verdeckte Einlage auch dann bewirken kann, wenn weitere Gesellschafter vorhanden sind, die ihrerseits keine Einlagen machen (vgl. Urteil in BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494). Wird die Einlage seitens einer anderen Beteiligungsgesellschaft des Gesellschafters bewirkt, so liegt sein Vorteil bereits darin, daß er zu diesem Zweck nicht eigene Mittel in Anspruch nehmen mußte (vgl. Urteil in BFHE 113, 434, BStBl II 1975, 48). Infolgedessen ist schon bisher eine verdeckte Gewinnausschüttung verbunden mit einer verdeckten Einlage in eine andere Kapitalgesellschaft angenommen worden, wenn an der empfangenden Gesellschaft auch Personen beteiligt waren, die nicht Gesellschafter der leistenden Gesellschaft waren oder wenn zwar an beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt waren, ihr Beteiligungsverhältnis aber voneinander abwich (vgl. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1968 I 228/65, BFHE 94, 373, BStBl II 1969, 243; in BFHE 91, 239, BStBl II 1968, 322; s. auch Urteile des Reichsfinanzhofs vom 4. Juli 1932 I A 3/32, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1932, Nr. 1178, und vom 29. April 1935 I A 63/35, StuW 1935, Nr. 369). Im Streitfall ist nicht anders zu entscheiden.