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BFH-Urteil vom 17.7.1985 (I R 117/84) BStBl. 1985 II S. 650

Auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens kann ein Gewerbesteuermeßbescheid für einen davor liegenden Erhebungszeitraum gegen den Konkursverwalter ergehen.

AO 1977 §§ 184, 251.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist in dem Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH zum Konkursverwalter bestellt worden. Das Konkursverfahren wurde am 23. November 1981 eröffnet. Ende Februar 1982 ist dem Kläger in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Gewerbesteuermeßbescheid für das Jahr 1981 bekanntgegeben worden, in welchem - unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen - der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag 1981 auf 995 DM festgesetzt worden war. Der Kläger hat nach erfolglosem Einspruch Klage mit dem Begehren erhoben, den Gewerbesteuermeßbescheid 1981 aufzuheben. Nach der Eröffnung des Konkursverfahrens hätte der Bescheid nicht ergehen dürfen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Er rügt Verletzung materiellen Rechts und trägt vor, durch die Eröffnung des Konkursverfahrens werde in entsprechender Anwendung des § 240 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ein Steuerfestsetzungsverfahren unterbrochen. Der Gläubiger habe seine Forderung zur Konkurstabelle anzumelden. Die Forderung unterliege der Nachprüfung im Prüfungstermin. Konkursverwalter, Gemeinschuldner und jeder Gläubiger könnten gegen die angemeldete Forderung Widerspruch erheben. Gleiches müsse für das Verfahren hinsichtlich der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags gelten. Dieses Verfahren bereite die Festsetzung der Gewerbesteuer vor. Ein Streit über die Höhe des Gewerbesteuermeßbetrags sei, da er die Zeit vor der Konkurseröffnung betreffe, als Passivprozeß zu qualifizieren. Eine Aufnahme des Verfahrens durch das FA hinsichtlich des Gewerbesteuermeßbescheids sei erst möglich, wenn die Gemeinde als die Steuergläubigerin ihren Gewerbesteueranspruch angemeldet habe und dieser Anspruch bestritten worden sei. Denn die Anmeldung der Gemeinde setze nicht notwendig einen Gewerbesteuermeßbescheid voraus. Es sei im Ergebnis ohne Belang, daß im Streitfall das Verwaltungsverfahren vor Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht anhängig gewesen sei und demgemäß eine Unterbrechung gemäß § 240 ZPO nicht habe stattfinden können. Hier greife § 12 der Konkursordnung (KO) ein, wonach die Konkursgläubiger ihre Forderungen nur noch nach Maßgabe der Vorschriften der KO verfolgen dürften.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FA durfte nach der Eröffnung des Konkursverfahrens gegen den Kläger als den Konkursverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin einen Gewerbesteuermeßbescheid für den Erhebungszeitraum 1981, und zwar für die Zeit bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens, erlassen.

Die Finanzbehörde darf zwar nach Eröffnung des Konkursverfahrens bis zum Prüfungstermin weder Steuerfestsetzungen noch Steuerbescheide erlassen. Ein trotzdem erlassener, mit einem Leistungsgebot versehener Steuerbescheid ist grundsätzlich unwirksam. Besonderheiten ergeben sich aber für Bescheide, mit denen ausschließlich Besteuerungsgrundlagen ermittelt und festgestellt, nicht jedoch bestimmte Steuerbeträge festgesetzt werden. Hierzu gehören die Feststellungsbescheide nach §§ 179, 180 der Abgabenordnung (AO 1977) und die Steuermeßbescheide nach § 184 AO 1977. Feststellungs- und Steuermeßbescheide sind als Grundlagenbescheide für die Folgebescheide bindend, soweit die in den Feststellungs- und Steuermeßbescheiden getroffenen Feststellungen für die Folgebescheide von Bedeutung sind (§ 182 Abs. 1, § 184 Abs. 1 Satz 4 AO 1977). Die Anwendung der Vorschriften des Steuerrechts über Feststellungs- und Steuermeßbescheide wird von der KO nicht berührt. Ob es zur Anmeldung eines Steuerrückstands nach Maßgabe der §§ 12, 138 ff. KO erforderlich ist, daß für die Ermittlung des anzumeldenden Steuerbetrags besondere Besteuerungsgrundlagen oder Meßbeträge festzustellen oder festzusetzen sind, richtet sich daher ausschließlich nach Steuerrecht und nicht nach Konkursrecht.

Die Anmeldung rückständiger Gewerbesteuerbeträge zur Konkurstabelle obliegt den hebeberechtigten Gemeinden als den Steuergläubigern. Grundlage ist der von der zuständigen Finanzbehörde erlassene Gewerbesteuermeßbescheid. Der Gewerbesteuermeßbescheid ist für den Erlaß des Gewerbesteuerbescheids und im Falle des Konkurses für die Errechnung des von der Gemeinde anzumeldenden Gewerbesteuerrückstands bindend. Um die Bindungswirkung des Gewerbesteuermeßbescheids sicherzustellen, ist die Finanzbehörde nach § 184 Abs. 3 AO 1977 verpflichtet, die festgesetzten Steuermeßbeträge den hebeberechtigten Gemeinden mitzuteilen.

Diese Zweiteilung des Verfahrens bei den Realsteuern - Festsetzung der Besteuerungs- oder Berechnungsgrundlagen durch die Finanzbehörden, Festsetzung der Höhe der Steuer durch die Gemeindebehörden - hat besondere Gründe (vgl. hierzu Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 184 AO 1977 Tz. 1).

Bei dieser Rechtslage vermag der erkennende Senat der Auffassung des Klägers nicht zu folgen, die hebeberechtigte Gemeinde sei, sofern das FA bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens keinen Gewerbesteuermeßbescheid erlassen hat, allein auf die Möglichkeit verwiesen, geschätzte Gewerbesteuerbeträge zur Konkurstabelle anzumelden (§ 69 KO), wobei das FA die Gemeinde durch Übersendung einer Berechnung der Besteuerungsgrundlagen unterstützen könne. Der Senat schließt sich vielmehr der Auffassung der überwiegenden Meinung in der Literatur an, daß Gewerbesteuermeßbescheide aufgrund der erwähnten Besonderheiten des Steuerrechts auch noch nach der Konkurseröffnung erlassen werden können (Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 6. Aufl., § 14 Anm. 11; Tipke/Kruse, a. a. O., § 251 AO 1977 Tz. 16; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 251 AO 1977 Anm. 56; Schwarz, Abgabenordnung, § 251 Rdnr. 19; Geist, Insolvenzen und Steuern, 3. Aufl., Tz. 9; Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Tz. 268 ff.; Fichtelmann, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1970, 2276; Kretschmann, Kommunale Steuer-Zeitschrift - KStZ - 1973, 229; Schlücking, Betriebs-Berater - BB - 1982, 917; Urban, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1984, 165). Einzelne Autoren weisen mit Recht darauf hin, daß andernfalls der die angemeldete Gewerbesteuer bestreitende Konkursverwalter oder Gemeinschuldner allein auf den Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten verwiesen wäre, während gerade der Streit über die im Meßbescheid festzusetzenden Besteuerungsgrundlagen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Regel vor die FG gehört. Auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens ist der Rechtsweg zu den besonderen Verwaltungsgerichten, wozu die FG gehören, offengehalten worden, wie sich aus § 146 Abs. 5 KO ergibt.

Es kann auch nicht der Auffassung des Klägers gefolgt werden, aus der prozessualen Vorschrift über die Unterbrechung anhängiger gerichtlicher Verfahren durch Eröffnung des Konkurses (§ 240 ZPO) ergebe sich, daß im Verlauf des Konkursverfahrens ein Gewerbesteuermeßbescheid allenfalls dann ergehen könne, wenn die von der hebeberechtigten Gemeinde angemeldete Gewerbesteuerforderung im Prüfungstermin bestritten worden sei. Der Kläger stützt sich zu Unrecht auf eine Literaturstelle (Frotscher, Steuern im Konkurs, S. 168) und meint, dies auch Verwaltungsanweisungen (gleichlautenden Verwaltungsanweisungen der Finanzminister Niedersachsens in BB 1972, 1257, und Nordrhein-Westfalens in Der Betrieb 1972, 1653) entnehmen zu können. Erweist es sich nach Eröffnung des Konkursverfahrens als notwendig, einen Gewerbesteuermeßbescheid zu erlassen, stehen konkursrechtliche Vorschriften nicht entgegen, gemäß den maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften einen Grundlagenbescheid, der keine eigene Steuerfestsetzung enthält, zu erlassen.

Ein nach der Konkurseröffnung ergehender und die Konkursmasse betreffender Gewerbesteuermeßbescheid ist an den Konkursverwalter zu richten. Das ist im Streitfall geschehen. Die Ausführungen des FG über die Befugnis des FA zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, die der Kläger in der Revision nicht angegriffen hat, lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Die Revision ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.