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BFH-Urteil vom 9.5.1985 (IV R 50/83) BStBl. 1985 II S. 678

Ist bei der Ermittlung des Gewerbekapitals die Summe des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs und der Hinzurechnungen um den Wert einer Schachtelbeteiligung an einer inländischen GmbH zu kürzen (§ 12 Abs. 3 Nr. 2a GewStG), so ist eine Verpflichtung zur Einzahlung der restlichen Stammeinlage durch Hinzurechnung zu berücksichtigen, sofern der GmbH-Anteil im Einheitswert des gewerblichen Betriebs "brutto", d.h. mit dem auf der Grundlage einer unterstellten Volleinzahlung des Stammkapitals ermittelten gemeinen Wert abzüglich der restlichen Einzahlungsverpflichtung enthalten ist.

GewStG § 12 Abs. 3 Nr. 2a.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt einen Großhandel. Gesellschafter der Klägerin sind die X-GmbH (im folgenden GmbH) als Komplementärin mit einer Kapitaleinlage von 9.000 DM sowie D und S als Kommanditisten mit Kommanditeinlagen von je 40.500 DM. Die GmbH ist nur Komplementär der Klägerin; sie unterhält daneben keinen eigenen Geschäftsbetrieb.

Das Stammkapital der GmbH beträgt 20.000 DM. Hiervon haben D und S je 10.000 DM als Stammeinlage übernommen. Die Stammeinlagen sind nur zur Hälfte eingezahlt; der Rest ist auf Anforderung der Geschäftsführung zu leisten (§ 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der GmbH).

Die den Kommanditisten D und S gehörigen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH waren bis 1974 in sogenannten Ergänzungsbilanzen zu den Handelsbilanzen mit dem auf die Stammeinlage insgesamt eingezahlten Betrag von 10.000 DM aktiviert. Ab 1975 erstellte die Klägerin neben den Handelsbilanzen besondere Steuerbilanzen, in denen die GmbH-Anteile als Aktivposten ausgewiesen sind, und zwar 1975 noch mit dem eingezahlten Betrag von 10.000 DM und ab 1976 mit dem Nennbetrag von 20.000 DM unter gleichzeitiger Passivierung der Einzahlungsverpflichtung mit 10.000 DM.

In den bestandskräftig gewordenen Bescheiden über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin wurden die den Kommanditisten D und S gehörigen Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH zum 1. Januar 1974 und 1. Januar 1976 mit 11.000 DM und zum 1. Januar 1977 mit 9.800 DM berücksichtigt. Die Verpflichtung des D und S zur Einzahlung der restlichen Stammeinlagen wurde zu den genannten Stichtagen jeweils als Schuldposten angesetzt.

Als Besitzposten sind jeweils die festgestellten gemeinen Werte der GmbH-Anteile zum 31. Dezember 1973 mit 55 v.H. und zum 31. Dezember 1976 mit 49 v.H. angesetzt. In den Bescheiden über die Feststellung der gemeinen Werte heißt es jeweils wörtlich: "Der gemeine Wert für 100 DM des eingezahlten Grund- und oder Stammkapitals wurde für die Anteile der Gesellschafter ... auf (55 bzw. 49 DM) festgestellt. Das noch nicht eingezahlte Stammkapital ist bewertet. Die Einzahlungsverpflichtung kann von den Anteilseignern als Schuld abgesetzt werden".

Bei der Ermittlung des Gewerbekapitals der Klägerin für die Streitjahre 1974 bis 1977 gingen die Klägerin und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) übereinstimmend davon aus, daß der Einheitswert des Betriebsvermögens jeweils um die darin als Besitzposten mit 11.000 DM bzw. 9.800 DM berücksichtigten Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zu kürzen sei. Darüber hinaus vertrat das FA die Auffassung, daß die jeweils im Einheitswert des Betriebsvermögens als Schuldposten berücksichtigte Verpflichtung zur Einzahlung der restlichen Stammeinlagen von zusammen 10.000 DM gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG als Dauerschuld dem Einheitswert des Betriebsvermögens wieder hinzuzurechnen sei.

Auf dieser Grundlage erließ das FA Gewerbesteuermeßbescheide für 1974 bis 1977.

Die Einsprüche wies das FA zurück.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Verpflichtung zur Einzahlung der restlichen Stammeinlagen der Komplementär-GmbH sei eine Verbindlichkeit der Kommanditisten D und S, die sowohl mit der Gründung der Klägerin zusammenhänge als auch der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin diene; sie müsse daher bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Betriebsvermögens wieder hinzugerechnet werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 8 Nr. 1 GewStG).

Mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidungen aufzuheben und die Gewerbesteuermeßbescheide dahin zu ändern, daß die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge für jedes der Streitjahre um 20 DM herabgesetzt werden. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag beruht hinsichtlich des Gewerbekapitals auf dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs i. S. des Bewertungsgesetzes - BewG - (§ 12 Abs. 1 GewStG); dieser ist Ausgangsbetrag für die Ermittlung des Gewerbekapitals. Dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs werden u.a. Verbindlichkeiten hinzugerechnet, die den Charakter von Dauerschulden i. S. von § 8 Nr. 1 GewStG haben, soweit diese bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG). Die Summe des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs und der Hinzurechnungen wird u.a. gekürzt um den Wert einer zum Gewerbekapital gehörenden Beteiligung an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft, wenn die Beteiligung mindestens ein Viertel des Grund- oder Stammkapital beträgt (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a GewStG in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung).

2. Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß der im Einzelfall ergangene Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens für die Ermittlung des Gewerbekapitals grundsätzlich bindend ist. Die Unrichtigkeit des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs kann nur gegenüber dem Einheitswertbescheid geltend gemacht werden. Demgemäß hat die Rechtsprechung z.B. entschieden, daß Passivposten, die im Einheitswertbescheid als betriebliche Verbindlichkeiten berücksichtigt sind, auch bei der Ermittlung des Gewerbekapitals, insbesondere bei Anwendung der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften des § 12 Abs. 2 und 3 GewStG als betriebliche Schuldposten zu werten sind (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 13. März 1964 IV 385/62 S, BFHE 79, 311, BStBl III 1964, 344; vom 5. November 1964 IV 104/64 U, BFHE 81, 267, BStBl III 1965, 97).

3. Im Streitfall sind in den Einheitswertbescheiden die den Kommanditisten D und S zu je 50 v.H. gehörigen Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH als Besitzposten (aktives Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten D und S) berücksichtigt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 7. Dezember 1984 III R 91/81, BFHE 143, 93, BStBl II 1985, 241), und zwar nach Maßgabe der bestandskräftig festgestellten gemeinen Werte der GmbH-Anteile zum 1. Januar 1974 und 1. Januar 1976 mit 11.000 DM und zum 1. Januar 1977 mit 9.800 DM. Gleichzeitig sind die noch nicht fälligen Verpflichtungen des D und S zur Einzahlung der restlichen Stammeinlage (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 3, § 19 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) jeweils mit je 5.000 DM, zusammen 10.000 DM, als "Schuldposten" abgesetzt.

Die Revision macht insoweit geltend, die bei der Einheitsbewertung für die noch nicht geleistete Stammeinlage abgezogenen 10.000 DM seien nicht als "Schuld", sondern als "Korrektur- (Wertberichtigungs-) posten" zu den als Besitzposten ausgewiesenen GmbH-Anteilen abgezogen. Diese Charakterisierung des Abzugspostens als "Wertberichtigung" ergebe sich auch daraus, daß die bei der Einheitsbewertung in den entsprechenden Feststellungsbescheiden über den gemeinen Wert der GmbH-Anteile angewandte Methode, die GmbH-Anteile mit den aus dem Nennwert des Stammkapitals von 20.000 DM errechneten Wert als Besitzposten und die restliche Einzahlungsverpflichtung auf die Stammeinlagen als Schuldposten anzusetzen, nicht zu einer getrennten Betrachtungsweise führen dürfe und nichts an der wirtschaftlichen buchmäßigen Zusammengehörigkeit der beiden Posten ändern könne. Demgemäß sei es nicht möglich, den bei der Ermittlung des Einheitswerts als "Schuldposten" abgezogenen Betrag von 10.000 DM bei der Ermittlung des Gewerbekapitals als Verbindlichkeit z.B. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 8 Nr. 1 GewStG zu werten.

Der Senat geht ohne nähere Prüfung mit der Revision davon aus, daß diese rechtliche Betrachtungsweise zutrifft. Gerade auf ihrer Grundlage kann die Revision aber keinen Erfolg haben. Die Revision verkennt die Besonderheit des Streitfalls, die darin besteht, daß die Kommanditisten D und S je zu 50 v.H. am Stammkapital der Komplementär-GmbH beteiligt sind und demgemäß die Voraussetzungen der Kürzungsvorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a GewStG erfüllt sind.

Wenn das Gesetz in § 12 Abs. 3 Nr. 2a GewStG anordnet, daß die Summe des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs und der Hinzurechnungen "gekürzt" wird um den (im Einheitswert des gewerblichen Betriebs enthaltenen) Wert einer zum Gewerbekapital gehörenden (mindestens ein Viertel des Stammkapitals umfassenden) Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft, so kann dies im Hinblick auf die zivilrechtliche Eigenart der Verpflichtung zur Einzahlung der restlichen Stammeinlage nach dem Zweck der Kürzungsvorschrift nur bedeuten, daß zur Ermittlung des Gewerbekapitals der Einheitswert des gewerblichen Betriebs nicht nur um den als Besitzposten ausgewiesenen Betrag, sondern auch um den damit verknüpften Schuld- oder Korrekturposten gekürzt wird, sofern die GmbH-Anteile nicht "netto", sondern "brutto", d.h. mit dem auf der Grundlage einer unterstellten Volleinzahlung des Stammkapitals ermittelten gemeinen Wert abzüglich der restlichen Einzahlungsverpflichtung, im Einheitswert des gewerblichen Betriebs enthalten sind. Denn die "Beteiligung" umfaßt nicht nur bestimmte Rechte, sondern auch Pflichten, wie z.B. die Einzahlungspflicht. Die "Kürzung" um den bei der Einheitsbewertung als Schuld- oder Korrekturposten abgezogenen (Teil-) Betrag führt dann aber notwendig zu einer Hinzurechnung, weil die Subtraktion einer negativen Größe die Wirkung einer Addition hat. Danach erweist sich die Ermittlung des Gewerbekapitals in den angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheiden auch auf der Grundlage der rechtlichen Betrachtungsweise, die sich die Revision zu eigen macht, jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

4. Die vorstehende gewerbesteuerrechtliche Beurteilung der als Schuld- oder Korrekturposten im Einheitswert berücksichtigten Verpflichtung zur Einzahlung des restlichen Stammkapitals gilt unabhängig davon, wie die im Schrifttum (z.B. Sauer, Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen - AG - 1977, 215, 218) erörterte Frage zu entscheiden ist, ob Verbindlichkeiten, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den von einem Einzelunternehmer oder einer Mitunternehmerschaft gehaltenen Schachtelbeteiligung stehen (z.B. Kredite zur Finanzierung des Erwerbs der Beteiligungen) - anders als bei Kapitalgesellschaften (vgl. §§ 102, 103 BewG) - bei der Ermittlung des Gewerbekapitals grundsätzlich abzugsfähig sind, soweit nicht die Hinzurechnungsvorschriften für Dauerschulden eingreifen. Denn die Verpflichtung zur Einzahlung der restlichen Stammeinlage ist nicht lediglich eine Verbindlichkeit, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den GmbH-Anteilen steht, sondern eine aus diesen GmbH-Anteilen notwendig resultierende gesellschaftsrechtliche Verpflichtung, also eine den GmbH-Anteilen anhaftende "Eigenschaft"; dies kommt z.B. darin zum Ausdruck, daß die Pflicht zur Einzahlung der restlichen Stammeinlage in gleicher Weise wie die mit einem Geschäftsanteil verbundenen Gesellschaftsrechte bei jeder Übertragung des Geschäftsanteils notwendig auf den Erwerber übergeht.

5. Bei dieser Sach- und Rechtslage braucht der Senat im Streitfall nicht zu vertiefen, inwieweit auch die Grundsätze des Urteils des Senats vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79 (BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221) zu einer Bestätigung des Ergebnisses führen müßten, zu dem die angefochtene Entscheidung gekommen ist.