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BFH-Urteil vom 25.4.1985 (IV R 10/85) BStBl. 1985 II S. 702

Eine "Bestandsaufnahmeprüfung" kann nicht als Außenprüfung durchgeführt werden.

AO 1977 § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1, § 209, § 210 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhält einen Einzelhandel mit Elektrogeräten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete bei ihm eine auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte "Bestandsaufnahmeprüfung" zum 31. Dezember 1983 an. Diese Prüfungsanordnung wurde am 20. Januar 1984 durch den unangemeldet erschienenen Prüfer übergeben, der anschließend Feststellungen zum Prüfungsthema traf.

Die nach erfolgloser Beschwerde gegen die Prüfungsanordnung erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung der AO 1977.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet; die bei ihm angeordnete "Bestandsaufnahmeprüfung" findet in der AO 1977 keine Grundlage.

Bei dieser Prüfung handelt es sich nicht um eine Außenprüfung i. S. der §§ 193 ff. AO 1977. Eine solche Prüfung ist nach § 194 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 auf die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen gerichtet. Sie hat damit wie die Betriebsprüfung nach dem Recht der Reichsabgabenordnung (AO) die Verfolgung von Steueransprüchen zum Ziel (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Februar 1978 VII R 117/74, BFHE 124, 416, BStBl II 1978, 360; vom 19. Juni 1979 VII R 27/77, BFHE 128, 153, BStBl II 1980, 31). Dieses Ziel wird auch dann verfolgt, wenn sich die Außenprüfung nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 auf bestimmte Sachverhalte beschränkt oder wenn das FA einzelne Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 88, 92 AO 1977 anstellt. Demgegenüber sollte durch die in Frage stehende Prüfung ermittelt werden, ob der Kläger seiner auch im steuerlichen Interesse bestehenden Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Buchführung nachgekommen ist (§ 38 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -, § 140 AO 1977); hierzu gehören auch die körperliche Bestandsaufnahme und die Erstellung eines Inventars zum Bilanzstichtag (§ 39 Abs. 2 HGB). Steuerliche Folgen aus den hierzu getroffenen Feststellungen können allenfalls in späteren Veranlagungen gezogen werden; die Prüfung war hierauf nicht gerichtet.

Eine Prüfung mit dem Ziel der Feststellung, ob die vorgeschriebenen Bücher und Aufzeichnungen geführt wurden, ist früher als Maßnahme der Nachschau gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 AO als zulässig angesehen worden (Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 193 Anm. 2; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Oktober 1975 VII R 131/73, BFHE 117, 201, BStBl II 1976, 233). Die Nachschau war eine Maßnahme der Steueraufsicht, die sich auf alle wirtschaftlichen Vorgänge eines Betriebs erstreckte, die zur Auslösung einer Steuerpflicht führen konnten (Tipke/Kruse, a. a. O., vor §§ 190 bis 201 Anm. 1).

In der AO 1977 ist die Nachschau nur noch als Maßnahme der Steueraufsicht im Bereich der Zölle und Verbrauchsteuern vorgesehen (§§ 209, 210 Abs. 1 AO 1977). Darum geht es im Streitfall nicht. Maßnahmen der Steueraufsicht unterscheiden sich von den Ermittlungen durch eine Außenprüfung. Dies kommt auch in der Begründung zum Regierungsentwurf der AO 1977 zum Ausdruck (BT-Drucks. VI/1982 S. 166). Darin ist ausgeführt, daß die besondere Steueraufsicht bei Zöllen und Verbrauchsteuern anders als die Außenprüfung nicht die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen im einzelnen Steuerfall, sondern die laufende Kontrolle der in Betracht kommenden Betriebe und Unternehmen bezwecke. Das FA hat die angeordneten Maßnahmen ersichtlich auch nicht als Außenprüfung verstanden. Es hat nämlich die Bezeichnung der Prüfung als Außenprüfung vermieden und von einer "Bestandsaufnahmeprüfung" gesprochen; offenbar war auch weder eine Schlußbesprechung (§ 201 AO 1977) noch die Übersendung eines Prüfungsberichts (§ 202 AO 1977) vorgesehen. Als Maßnahme der allgemeinen Steueraufsicht hat die angeordnete Prüfungsmaßnahme keine rechtliche Grundlage. Die Prüfungsanordnung war daher ebenso wie das abweisende Urteil des FG aufzuheben.