| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 17.10.1985 (VII R 131/82) BStBl. 1986 II S. 24

Nichtvermarktungsprämien (hier: Prämien für die Umstellung von Milchkuhbeständen) sind keine Erzeugerprämien i.S. von § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG. Für Streitigkeiten über Nichtvermarktungsprämien ist der Finanzrechtsweg nicht eröffnet. Zuständig sind die Verwaltungsgerichte.

FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 3 Satz 2; MOG § 29 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 5 und 16.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Gestritten wird über Rechtmäßigkeit des von der Beklagten gegen die Klägerin erlassenen Bescheides vom 29. Juni 1979, durch den die der Klägerin auf deren Antrag nach den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts gewährte Prämie für die Umstellung von Milchkuhbeständen auf Bestände zur Fleischerzeugung mit der Begründung zurückgefordert wurde, die Klägerin habe während der vierjährigen Bindungsfrist nicht die mindestens gleiche Anzahl Großvieheinheiten gehalten wie im Bezugszeitpunkt.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage durch sein in Entscheidungen der Finanzgerichte 1983, 244 veröffentlichtes Urteil vom 23. Juli 1982 IV 45/82 N aus sachlich-rechtlichen Gründen ab. Es bejahte die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs, den es nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 29 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen vom 31. August 1972 - MOG - (BGBl I 1972, 1617, Bundeszollblatt - BZBI - 1972, 1048) für gegeben hielt, und führte insoweit aus, bei der der Klägerin gewährten Prämie handele es sich um eine Erzeugerprämie, wie sich auch aus der Ermächtigungsgrundlage (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 MOG) der innerstaatlichen Regelung zur Durchführung des maßgebenden Gemeinschaftsrechts ergebe. § 29 Abs. 1 MOG stelle auf den Erzeuger, nicht auf die Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten ab. Eine Erzeugerprämie sei demgemäß auch die für die Vernichtung landwirtschaftlicher Produktionsfaktoren gewährte "Schlachtprämie für Kühe". Für die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs spreche auch, daß die Finanzgerichte auch für Streitigkeiten über Prämien zuständig seien, die landwirtschaftlichen Erzeugern zur Förderung der Produktion gewährt würden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, Feststellung der Unzulässigkeit des Finanzrechtswegs und, entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin, zur Verweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges der Gerichtsbarkeit, zu der der Rechtsweg eröffnet ist (§ 34 Abs. 3 Satz 1 FGO), im Streitfalle das VG H.

Das FG hat zu Unrecht den Finanzrechtsweg für gegeben erachtet und eine Sachentscheidung getroffen. Der Finanzrechtsweg ist nicht gegeben, weil keiner der in § 33 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 FGO bezeichneten Fälle vorliegt und für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten der vorliegenden Art der Finanzrechtsweg auch nicht durch Gesetz eröffnet ist (vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO). Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Zuweisungsvorschrift - § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG - sind nicht gegeben. Diese Vorschrift eröffnet den Finanzrechtsweg in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten u.a. über "Erzeugerprämien". Die der Klägerin gewährte Prämie, über deren Rückforderung gestritten wird - eine Prämie zur Umstellung von Milchkuhbeständen auf Bestände zur Fleischerzeugung, von der Beklagten gewährt gemäß Art. 1 bis 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1353/73 (VO Nr. 1353/73) des Rates vom 15. Mai 1973 zur Einführung einer Prämienregelung für die Umstellung von Milchkuhbeständen auf Bestände zur Fleischerzeugung und Prämien zur Förderung der speziell auf die Fleischerzeugung ausgerichteten Rinderaufzucht (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 141/18 vom 28. Mai 1973) -, ist keine Erzeugerprämie, sondern eine Nichtvermarktungsprämie; für Streitigkeiten über eine derartige Prämie ist mangels anderweitiger Rechtswegzuweisung der Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben.

Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem vom FG angeführten, am 12. Juni 1980 verkündeten Urteil 3 C 121.79 (Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 451.511, MOG § 6 Nr. 1) entschieden für Streitigkeiten über die Nichtvermarktungsprämie nach der Verordnung (EWG) Nr. 1975/69 (VO Nr. 1975/69) des Rates vom 6. Oktober 1969 zur Einführung einer Prämienregelung für die Schlachtung von Kühen und die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen (ABlEG L 252/1 vom 8. Oktober 1969). Der Senat teilt die Auffassung des BVerwG, daß eine Prämie, die bezweckt, die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte zu beschränken, nicht aber deren Erzeugung zu fördern, keine Erzeugerprämie ist. Dies gilt auch für Umstellungsprämien nach Art. 1 bis 4 der VO Nr. 1353/73, die - wie die insoweit gleichartigen Prämien nach Abschn. II der VO Nr. 1975/69 - im Interesse eines Abbaues der hohen Überschüsse an Milch und Milcherzeugnissen - nur - Erzeugern gewährt werden, die sich zum vollständigen Verzicht auf die Abgabe von Milch und Milcherzeugnissen während einer bestimmten Zeit verpflichten (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 1353/73 sowie ihren vierten und sechsten Erwägungsgrund).

Der Bewertung dieser Prämien als Nichtvermarktungsprämien - nicht Erzeugerprämien - steht nicht entgegen, daß die Prämiengewährung zusätzlich die Verpflichtung des Erzeugers voraussetzt, während der Bindungsfrist in seinem Betrieb mindestens so viele Großvieheinheiten zu halten wie im Bezugszeitpunkt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der VO Nr. 1353/73). Zwar kann davon ausgegangen werden, daß die Prämien "zur Umstellung ... auf Bestände zur Fleischerzeugung" die Empfänger auch - mittelbar - dazu anreizen sollen, ihre Erzeugung in den Dienst der Rinderzucht zum Zwecke der Fleischerzeugung zu stellen und ihre Betriebskapazität tatsächlich zu nutzen (vgl. - zur VO Nr. 1975/69 - Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 1. März 1977 Rs. 84/76, EuGHE 1977, 361, 371, und vom 13. Februar 1980 Rs. 77/79, EuGHE 1980, 247, 260). Gleichwohl dient die Verpflichtung, Großvieheinheiten in der vorgeschriebenen Weise zu halten, wie der vierte Erwägungsgrund der VO Nr. 1353/73 deutlich macht, unmittelbar nur dazu, die Zweckbestimmung der Prämien - Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen durch Erzeuger, die durch tatsächliche Rinderhaltung nachweisen, daß sie sonst die Produkte abgeben können - sinnvoll abzusichern (ebenso BVerwG-Urteil, a. a. O., zu Art. 8 der VO Nr. 1975/69); zu einer Erzeugerprämie für die Rindfleischproduktion wird die Umstellungsprämie dadurch nicht.

Auch der Umstand, daß sie einem "Erzeuger" gewährt wird, verleiht für sich allein ihr noch nicht den Charakter einer Erzeugerprämie i. S. von § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG. Der Senat ist wie das BVerwG (a. a. O.) der Ansicht, daß die Frage, ob es sich bei einer bestimmten Prämie um eine Erzeugerprämie handelt, nach der Natur der Vergünstigung, wie sie sich aus ihrer Zweckbestimmung ergibt, zu beantworten ist. Ihr Zweck ist nicht nur personenbezogen, sondern, wie der der im MOG (§ 6 Abs. 1 Nr. 5, § 29 Abs. 1 Satz 1) neben den Erzeugerprämien aufgeführten Käuferprämien, auch sachbezogen. Ebenso wie Käuferprämien dem Käufer nicht für einen beliebigen Kauf, sondern nur für den Erwerb bestimmter Waren, deren Vermarktung gefördert werden soll (z. B. Kauf von Tabakblättern von einem Erzeuger in der Gemeinschaft), gewährt werden, sollen Erzeugerprämien "Erzeugern" nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Förderung eines bestimmten Erzeugungszwecks zugute kommen. Dieser kann zwar auch, je nach der Zweckbestimmung der Prämie, in einer Bearbeitung liegen (vgl. das in der Begründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 5 MOG - BT-Drucks. VI/2553 S. 23 = BZBI 1972, 1065 - angeführte Beispiel der Prämien für Erzeuger, die die von ihnen erzeugten Tabakblätter der ersten Bearbeitung und Aufbereitung unterziehen), nicht aber in Maßnahmen, die - wie die Nichtabgabe (Nichtvermarktung) von Milch und Milcherzeugnissen oder wie die Schlachtung von Milchkühen (vgl. Abschn. I der VO Nr. 1975/69) - das Gegenteil einer Erzeugung bewirken.

Dafür, daß die streitige Nichtvermarktungsprämie (Umstellungsprämie) keine Erzeugerprämie i. S. von § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG ist, spricht im übrigen auch, daß in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, für die diese Vorschrift den Finanzrechtsweg eröffnet, entweder eine Behörde der Bundesfinanzverwaltung zuständig ist (vgl. wegen der Zuständigkeit zur Durchführung der Prämienregelung für Tabakblätter § 2 der Verordnung über die Gewährung einer Prämie für Tabakblätter vom 24. Juli 1973, BGBl I 1973, 901) oder aber eine Marktordnungsstelle (§ 3 Abs. 1 MOG). Für die Durchführung der hier in Betracht kommenden Prämienregelung ist dagegen die nach Landesrecht zuständige Stelle verantwortlich (vgl. § 2 der Verordnung über die Gewährung einer Prämie für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung von Milchkuhbeständen zur Fleischerzeugung vom 22. Juni 1977, BGBl I 1977, 1006), im Streitfall die Beklagte, die weder Finanzbehörde noch Marktordnungsstelle ist.

Die Auffassung, daß Nichtvermarktungsprämien nicht zu den Erzeugerprämien gehören, wird offenbar von der Bundesregierung geteilt (vgl. BVerwG-Urteil, a. a. O.). Dies ergibt sich aus ihrem Vorschlag, § 6 Abs. 1 MOG, die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen über das Verfahren im Falle besonderer Vergünstigungen, durch ausdrückliche Anführung der Nichtvermarktungsprämien, neben den Erzeuger- und Käuferprämien und ohne entsprechende Erweiterung der Rechtswegzuweisung in § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG, zu ergänzen (Art. 1 Nr. 4 Buchst. a des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des MOG, BT-Drucks. 8/1694), und zwar zur Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch (BT-Drucks. 8/1694 S. 9). Dieser Vorschlag ist zwar nicht verwirklicht worden, doch zeigt er, daß nach der Vorstellung der Bundesregierung Streitigkeiten über Nichtvermarktungsprämien, die nach geltendem Recht unter die sonstigen Vergünstigungen zu Marktordnungszwecken fallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 16 MOG), von der Rechtswegzuweisung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG nicht erfaßt werden.

Für seine gegenteilige Meinung kann das FG auch nichts aus der Ermächtigungsgrundlage der zur Durchführung der streitigen Prämienregelung erlassenen Verordnung vom 22. Juni 1977 herleiten. Es kann dahingestellt bleiben, welche Bedeutung es hätte, wenn der Verordnungsgeber - Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - die fraglichen Prämien als Erzeugerprämien ansähe. Jedenfalls ist der vom FG gezogene Schluß, der Verordnungsgeber gehe von einer solchen Wertung aus, weil die Verordnung - auch - auf § 6 Abs. 1 Nr. 5 MOG gestützt ist, nicht zwingend. Denn die Verordnung beruht nicht nur auf dieser Vorschrift, sondern auch auf § 6 Abs. 1 Nr. 16 MOG und weiteren Ermächtigungen nach diesem Gesetz. Im übrigen ist die Verordnung nach ihrem § 1 zur Durchführung der Prämienregelung nicht nur für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen, sondern auch "für die Umstellung von Milchkuhbeständen zur Fleischerzeugung" ergangen. Der zuletzt bezeichnete Zweck könnte auch die Förderung der speziell auf die Fleischerzeugung ausgerichteten Rinderzucht (Art. 6 der VO Nr. 1353/73) umfassen. In diesem Falle hätte die Anführung von § 6 Abs. 1 Nr. 5 MOG als Ermächtigungsgrundlage der Verordnung Bedeutung, wenn - was nicht entschieden zu werden braucht - Prämien für diesen Zweck den Erzeugerprämien zuzurechnen wären.

Schließlich vermögen auch die vom FG angeführten Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte nicht zu begründen, daß der Finanzrechtsweg in Streitigkeiten über Nichtvermarktungsprämien der hier in Betracht kommenden Art gegeben sei. Zwar bezweckt die Rechtswegzuweisung, Rechtsstreitigkeiten möglichst durch die Gerichte entscheiden zu lassen, die durch besondere Sachkunde und Sachnähe dazu berufen sind (Urteil des Senats vom 27. März 1979 VII R 106/75, BFHE 127, 314, 319, BStBl II 1979, 442, 444), doch liegt die Bestimmung des Rechtswegs allein in der Entscheidung des Gesetzgebers. Ist in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten der Finanzrechtsweg - wie hier - nicht eröffnet, so ist für sie, wenn sie nichtverfassungsrechtlicher Art sind und keine anderweitige Rechtswegzuweisung erfolgt ist, der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Dem Hilfsantrag der Klägerin auf Verweisung der Sache an das Verwaltungsgericht war zu entsprechen. Er ist rechtzeitig gestellt worden. Nach § 34 Abs. 3 Satz 2 FGO kann die klagende Partei den Verweisungsantrag nur bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung stellen, auf die das Urteil ergeht. Diesem Zeitpunkt entspricht, wenn - wie hier - auf mündliche Verhandlung verzichtet worden ist, der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 34 FGO Tz. 3), oder der Zeitpunkt der Urteilsfällung (v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 34 FGO Anm. 8). Es ist mithin nicht erforderlich, daß der Antrag schon - spätestens - bei Erklärung des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gestellt wird (so aber - mit einer Begründung, die es nur rechtfertigt, den Kläger mit dem Verweisungsantrag von der Urteilsfällung an auszuschließen - v. Wallis, a. a. O., Anm. 11). Örtlich zuständiges Verwaltungsgericht des ersten Rechtszuges ist im Streitfalle das VG H (§§ 45, 52 Nr. 3 VwGO).

Eine Entscheidung über die Kosten des Klageverfahrens vor dem FG war nicht zu treffen (vgl. § 136 Abs. 4 FGO). Eine - mögliche - Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens hält der Senat nicht für angebracht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. Oktober 1982 II R 90/79, BFHE 137, 192, 194 f., BStBl II 1983, 180, 182).