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BFH-Beschluß vom 23.10.1985 (II R 29/85) BStBl. 1986 II S. 28

Eine Revision ist nicht beim FG eingelegt, wenn sie in einem verschlossenen (nur) an den BFH adressierten Briefumschlag in den Briefkasten des FG eingeworfen und der Brief ungeöffnet an den BFH weitergeleitet wird.

FGO § 120 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) am 6. Dezember 1984 zugestellt. Diese legte - vertreten durch einen Prozeßbevollmächtigten - mit Schreiben an den Bundesfinanzhof (BFH) vom 4. Januar 1985 Revision ein. Der Brief mit Fensterumschlag wurde am 7. Januar 1985 vor 24.00 Uhr in den Nachtbriefkasten des FG eingeworfen, dort entnommen und ungeöffnet an den BFH weitergeleitet. Hier ging er am 9. Januar 1985 ein. Nach Öffnung des Umschlages wurde das Schreiben an das FG zurückgesandt; dort ging es am 10. Januar 1985 ein.

Mit Schreiben vom 4. März 1985 wurde die Revision begründet, nachdem die Frist für diese Begründung - vorbehaltlich der Entscheidung des Senats über die Einhaltung der Revisionsfrist - um zwei Monate verlängert worden war.

Die Geschäftsstelle des II. Senats des BFH hat den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 4. Februar 1985 - zugestellt am 8. Februar 1985 - auf den verspäteten Eingang der Revision und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unzulässig, weil die Klägerin die Frist für die Einlegung der Revision nicht eingehalten hat.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils beim FG einzulegen (§ 120 Abs. 1 FGO). Diese Frist war im vorliegenden Fall am 7. Januar 1985 abgelaufen, weil der 6. Januar 1985 ein Sonntag war (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Das Revisionsschreiben vom 4. Januar 1985 ging jedoch erst am 10. Januar 1985 und damit verspätet beim FG ein.

Zwar hatte die Klägerin bis zum Ablauf des 7. Januar 1985 den Brief mit dem Revisionsschreiben vom 4. Januar 1985 in den Nachtbriefkasten des FG eingeworfen. Damit war jedoch die Revision noch nicht beim FG eingelegt, wie § 120 Abs. 1 FGO dies fordert. Denn eingelegt in diesem Sinne ist ein im verschlossenen Briefumschlag enthaltenes Revisionsschreiben bei einem FG nur dann, wenn dieses Gericht erkennen kann, daß es der Adressat des Briefes ist. Das ist hier nicht der Fall.

Der Brief mit dem Revisionsschriftsatz war (nur) an den BFH gerichtet. Das FG hatte keinen Anlaß, entgegen dieser eindeutigen Anschrift sich selbst als Adressat anzusehen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, daß durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) der Vertretungszwang zur Entlastung dieses Gerichts und - soweit für dieses bestimmte Rechtsmittel beim FG einzulegen sind - auch zur Entlastung der FG eingeführt wurde (vgl. Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFH-EntlG). Mit diesem Zweck des Gesetzes verträgt es sich nicht, wenn beim FG Mutmaßungen darüber angestellt werden sollen, ob ein in seinen Briefkasten eingeworfener und an den BFH adressierter Brief die zutreffende Anschrift trägt. Deshalb mag hier offenbleiben, unter welchen Umständen ein anderer als der Adressat überhaupt einen Brief öffnen darf. Ebenso kann offenbleiben, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn der Brief beim FG geöffnet worden wäre.

Die besondere durch Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlG geschaffene Rechtslage bedingt, daß Fälle der vorliegenden Art nicht mit denjenigen zu vergleichen sind, in denen über die "Anbringung" einer Klage beim Finanzamt gemäß § 47 Abs. 2 FGO zu entscheiden ist (vgl. das BFH-Urteil vom 5. Dezember 1974 IV R 179/70, BFHE 114, 402, BStBl II 1975, 337).

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumung sind nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Die Revision ist daher durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).