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BFH-Urteil vom 16.7.1985 (VII R 120/83) BStBl. 1986 II S. 30

Der Vortrag in der mündlichen Steuerberater-(Steuerbevollmächtigten-)Prüfung muß nicht in Anwesenheit aller Prüfungskandidaten gehalten werden (Klarstellung zu BFH-Urteil vom 24. August 1976 VII R 17/74, BFHE 120, 106, BStBl II 1976, 797).

DVStBerG 1962 § 10 Abs. 3, § 21 (§ 26 Abs. 3, § 33 Abs. 6 DVStB 1979).

Vorinstanz: FG Hamburg

Entscheidungsgründe

Eine Verletzung von Verfahrensbestimmungen der mündlichen Steuerbevollmächtigtenprüfung liegt nicht darin, daß im Streitfall jeder Prüfungskandidat seinen Vortrag in Abwesenheit der übrigen Kandidaten halten mußte.

Nach § 10 Abs. 3 DVStBerG hat in der mündlichen Prüfung der Bewerber einen kurzen Vortrag über einen Fachgegenstand zu halten, für den ihm der Prüfungsausschuß eine halbe Stunde vor Beginn der Prüfung drei Themen zur Wahl stellt (Satz 1). Im weiteren Verlauf der Prüfung sind an den Bewerber Fragen aus dem Prüfungsgebiet zu richten (Satz 2). In seinem Urteil vom 24. August 1976 VII R 17/74 (BFHE 120, 106, BStBl II 1976, 797, 799) hat der erkennende Senat aus der Regelung, daß der Vortrag "in der mündlichen Prüfung" zu halten ist, gefolgert, die Verordnung gehe davon aus, daß der Vortrag in Anwesenheit aller in der jeweiligen mündlichen Prüfung gemeinsam geprüften Kandidaten gehalten werde. Er hat im Urteilsfall die Revision, mit der der damalige Kläger die Anwesenheit der Mitbewerber bei seinem Vortrag gerügt hatte, zurückgewiesen. Dem ist das FG Düsseldorf im Urteil vom 17. April 1980 II 144/79 StB (EFG 1981, 150) mit der zusätzlichen Begründung gefolgt, die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 DVStBerG, nach der die mündliche Prüfung nach den Vorträgen ohne weitere Unterbrechung in die Befragung durch die Prüfer übergehe, setze die Anwesenheit aller Bewerber bei den Vorträgen voraus. Auch aus § 21 DVStBerG ergebe sich, daß die mündliche Prüfung eine sog. Simultanprüfung sei, denn es nähmen mehrere Bewerber an ihr teil, wobei auf jeden Bewerber nach Absatz 3 eine bestimmte Mindestprüfzeit "entfallen" solle. Diese Auslegung sei auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt, weil sie die Offenlegung des gesamten Prüfungsverlaufs für jeden Bewerber gewährleiste. Ein durchgefallener Bewerber sei so bei der gerichtlichen Überprüfung nicht allein auf das Zeugnis der Prüfer angewiesen, sondern könnte ggf. weitere Zeugen in Gestalt seiner Mitprüflinge benennen.

Der Senat schließt sich der Auffassung der Vorinstanz (EFG 1984, 89) an, daß § 10 Abs. 3 DVStBerG keine zwingende Regelung darüber enthält, ob der Vortrag eines Bewerbers in Anwesenheit oder in Abwesenheit der übrigen Kandidaten zu halten ist. Der Wortlaut der Vorschrift läßt auch die Auslegung zu, daß der Vortrag in Abwesenheit der anderen Prüflinge gehalten werden kann, die anschließende Befragung der Kandidaten dagegen bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Prüflinge durchzuführen ist. Auch bei einer derartigen, im Streitfall praktizierten Verfahrensweise ist der Vortrag "in der mündlichen Prüfung" - einem eigenständigen Prüfungsabschnitt - gehalten worden. Der Senat setzt sich mit dieser Rechtsauffassung im Ergebnis nicht in Widerspruch zu seinem Urteil in BFHE 120, 106, BStBl II 1976, 797, mit dem er den in Anwesenheit der anderen Bewerber gehaltenen Vortrag eines Prüflings nicht als Fehler des Prüfungsverfahrens angesehen hat. Er ist vielmehr der Auffassung, daß beide Verfahren - Vortrag in Anwesenheit oder in Abwesenheit der anderen Kandidaten - der Verfahrensbestimmung für die mündliche Prüfung (§ 10 Abs. 3 DVStBerG) entsprechen. Soweit sich aus der mißverständlichen Formulierung in dem zitierten Urteil des Senats die Auslegung ergeben sollte, daß der Vortrag nur in Anwesenheit aller Prüflinge gehalten werden dürfe, hält der erkennende Senat daran nicht fest.

Die gegenteilige Auffassung des FG Düsseldorf überzeugt nicht. Weder aus § 10 Abs. 3 Satz 2 noch aus § 21 DVStBerG ergibt sich, daß die mündliche Prüfung insgesamt - einschließlich der Vorträge - unter ständiger Anwesenheit aller Bewerber abgehalten werden müsse. Es bestehen auch bei einer Einzelprüfung der Vorträge keine Schwierigkeiten, die Vortragszeiten auf die Prüfungszeiten, die nach § 21 Abs. 3 DVStBerG auf jeden Bewerber entfallen, anzurechnen. Der Senat kann dem FG Düsseldorf auch nicht darin folgen, daß der Sinn und Zweck der Regelung über die mündliche Prüfung darin bestehe, den durchgefallenen Kandidaten eine möglichst große Zahl von Zeugen für das gerichtliche Prüfungsanfechtungsverfahren zur Verfügung zu stellen. Das im Streitfall hinsichtlich der Vorträge praktizierte Prüfungsverfahren war demnach verfahrensrechtlich zulässig. Der Senat hält das Verfahren überdies - wie das FG - für vorteilhaft, weil es gewährleistet, daß sich alle Prüflinge ungestört von vorausgehenden Vorträgen anderer Bewerber auf ihren eigenen Vortrag konzentrieren können.