| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 30.7.1985 (IX R 14/83) BStBl. 1986 II S. 99

Ob ein Vertrag vor dem 13. November 1980 i .S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 SparPG 1982 abgeschlossen worden ist, richtet sich nach dem Zeitpunkt des bürgerlich-rechtlichen Vertragsabschlusses und nicht nach dem Zeitpunkt der ersten Einzahlung eines Sparbeitrages i. S. von § 1 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 SparPG 1982.

SparPG 1982 § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 5 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß am 15. Oktober 1980 mit einem Kreditinstitut einen Sparvertrag zur Leistung vermögenswirksamer Sparraten i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Spar-Prämiengesetzes (SparPG). Das Kreditinstitut schrieb am 27. November 1980 die erste vom Arbeitgeber überwiesene Sparrate auf dem Sparkonto gut.

Der Kläger beantragte für die im Jahre 1980 geleisteten Sparbeiträge von 624 DM die Sparprämie. Das Kreditinstitut bescheinigte dem Kläger den Vertragsabschluß am 15. Oktober 1980 und als Vertragsbeginn den Buchungstag des ersten Sparbeitrages am 27. November 1980.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Sparprämie für 1980 auf null DM fest, weil der Sparvertrag nach dem 12. November 1980 abgeschlossen worden sei und daher eine Prämie nicht mehr in Betracht komme. Der Einspruch des Klägers war erfolglos.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt und setzte, da § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SparPG 1982 vom 10. Februar 1982 (BGBl I, 125, BStBl I, 313) noch nicht anwendbar war (§ 8 Abs. 2 SparPG 1982), unter Aufhebung der Entscheidung des FA die Sparprämie für 1980 mit 14 v. H. von 624 DM auf 87,36 DM fest.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Die Vorinstanz hat frei von Rechtsfehlern dem Kläger die begehrte Sparprämie für das Kalenderjahr 1980 nach § 1 SparPG i. d. F. des Art. 5 Nr. 1 des Subventionsabbaugesetzes (SubvAbG) vom 26. Juni 1981 (BGBl I, 537, BStBl I, 523), neugefaßt als SparPG 1982, zuerkannt. Der Kläger leistete seine Sparbeiträge im Kalenderjahr 1980 aufgrund eines Sparvertrages i. S. von § 1 Abs. 2 Nr. 3 SparPG 1982. Dieser Vertrag war - entgegen der Ansicht des FA - vor dem gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SparPG 1982 maßgeblichen Stichtag des 13. November 1980 abgeschlossen worden. Dem Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Sparprämie für das Kalenderjahr 1980 steht bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 und des § 1 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 SparPG 1982 durch den erkennenden Senat nicht entgegen, daß ein Sparbeitrag für den Kläger erstmals nach dem Stichtag des 13. November 1980 eingezahlt wurde.

Nach § 1 Abs. 1 SparPG 1979 erhielten unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen für Sparbeiträge unter den dort genannten Voraussetzungen eine Sparprämie. Diese Vergünstigung ist durch Art. 5 Nr. 1 SubvAbG zeitlich auf "vor dem 13. November 1980 abgeschlossene Verträge" eingeschränkt worden. Bereits vor dieser Gesetzesänderung ist in § 1 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 SparPG als Zeitpunkt des Vertragsabschlusses "im Sinne dieses Gesetzes" bei Sparbeiträgen nach Abs. 2 Nr. 3 der Tag der ersten Einzahlung fingiert worden. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 Satz 3 SparPG, demzufolge die Sparraten sechs Jahre lang geleistet und festgelegt werden müssen.

Nach Ansicht des Senats kommt es für die Beantwortung der Frage, ob ein Vertrag vor dem 13. November 1980 (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SparPG 1982) abgeschlossen worden ist, auf den Zeitpunkt des bürgerlich-rechtlichen Vertragsabschlusses und nicht auf den Tag der ersten Einzahlung eines Sparbeitrages nach § 1 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 SparPG an. Die in dieser Vorschrift enthaltene Formulierung "Als Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Sinne dieses Gesetzes gilt..." bezieht der Senat auf das SparPG in seiner Fassung vor der Beschränkung der Prämienbegünstigung durch das SubvAbG auf vor dem 13. November 1980 abgeschlossene Verträge. Damals hatte das SparPG einer Regelung des maßgeblichen Zeitpunktes nur für den Beginn der Festlegungsfrist nach § 1 Abs. 3 SparPG bedurft. Der Gesetzgeber stellte dabei in § 1 Abs. 3 Satz 5 SparPG nicht auf den Zeitpunkt des bürgerlichrechtlichen Vertragsabschlusses, sondern speziell für die Zwecke des SparPG auf den Tag der ersten Einzahlung ab. Denn erst mit der Zahlung hat der Sparer erstmals Sparbeiträge geleistet, die festgelegt werden können.

Dem Gesetzgeber konnte es nach Ansicht des Senats bei seiner Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SparPG durch das SubvAbG nicht darauf ankommen, die damals bereits vorhandene Fiktion des Vertragsabschlusses zur Bestimmung des Beginns der Festlegungsfrist nach § 1 Abs. 3 Satz 5 SparPG nunmehr auch für die neueingefügte Stichtagsregelung zur Abgrenzung zwischen weiterhin begünstigten Altverträgen und nicht mehr geförderten Neuverträgen zu übernehmen. Denn die Stichtagsregelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SparPG 1982 ("vor dem 13. November 1980 abgeschlossene Verträge") dient einem anderen Zweck als die Fiktion des § 1 Abs. 3 Satz 5 SparPG. Durch die auf den Tag nach der Verkündung des Kabinettsbeschlusses zum geplanten SubvAbG zurückbezogene Stichtagsregelung wollte der Gesetzgeber verhindern, daß zwischen dem 13. November 1980 und dem Inkrafttreten des SubvAbG noch "Verträge auf Vorrat" zur weiteren Erlangung der Sparförderung abgeschlossen wurden. Diesem Zweck entspricht es, mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 SparPG 1982 hier auf den Zeitpunkt des bürgerlich-rechtlichen Vertragsabschlusses abzustellen. Würde man hingegen - entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 SparPG - zusätzlich noch verlangen, daß vor dem 13. November 1980 auch erstmals ein Sparbeitrag eingezahlt wurde, so würde die Stichtagsregelung nach dem SubvAbG im Übermaß noch weiter zurückbezogen werden. Wer vor dem 13. November 1980 einen Sparvertrag eingegangen war, hatte dabei noch in dem guten Glauben auf den Fortbestand der Sparförderung gehandelt. Diesen guten Glauben hat der Gesetzgeber selbst für schutzwürdig erachtet, indem er die Sparförderung für vor dem 13. November 1980 abgeschlossene Altverträge beibehalten hat.

Die vorstehende Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SparPG 1982 ist schließlich allein verfassungskonform. Das SubvAbG würde für den Kläger zu einer verfassungswidrigen Gesetzesänderung mit echter Rückwirkung führen, wenn man den Vertragsabschluß des Klägers erst nach dem Stichtag des 13. November 1980 auf den späteren Zeitpunkt der ersten Einzahlung eines Sparbeitrages mit der Begründung datiert, nach § 1 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 SparPG gelte als Zeitpunkt des Vertragsabschlusses "im Sinne dieses Gesetzes" der Tag der ersten Einzahlung.

Eine echte (retroaktive) Rückwirkung, die im Hinblick auf den Vertrauensschutz gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 des Grundgesetzes) verstößt, liegt jedenfalls dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift und die an die Tatbestände geknüpfte Rechtsfolge zum Nachteil des Bürgers ändert (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. Juni 1978 2 BvR 71/76, BVerfGE 48, 403, BStBl II 1978, 553). Das am 1. Juli 1981 in Kraft getretene SubvAbG beseitigte rückwirkend die bis dahin gegebene Prämienbegünstigung für alle ab 13. November 1980 abgeschlossenen Sparverträge. Der Kläger hatte bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes alle Voraussetzungen für die Gewährung einer Sparprämie für das Kalenderjahr 1980 erfüllt, indem er in diesem Jahr nicht nur einen Sparvertrag abgeschlossen, sondern auch Sparbeiträge geleistet hatte.

Eine vom BVerfG für zulässig erachtete Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist das Vertrauen auf das Weiterbestehen einer Rechtsnorm dann nicht mehr schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Lage in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der nachteiligen Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen mußte. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Bürgers entfällt jedoch nicht schon mit einer Gesetzesankündigung durch die Bundesregierung, sondern erst wenn der Bundestag das Gesetz beschlossen hat (BVerfG-Beschluß vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 287). Danach war das Vertrauen des Klägers nicht schon mit dem Tage der Beschlußfassung durch die Bundesregierung am 12. November 1980, sondern erst mit dem Tage der Verabschiedung des SubvAbG durch den Bundestag am 7. Mai 1981 nicht mehr schutzwürdig.

Eine echte Rückwirkung ist auch nicht aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind. Der Bundestag hat es lediglich für finanziell notwendig befunden, die Sparförderung mit den Altverträgen auslaufen zu lassen, nicht aber die Förderung sofort einzustellen. Verstöße gegen das Wohl der Allgemeinheit sind bei Behandlung der Bürger entsprechend der vorstehenden Auslegung des Senats in bezug auf den Bundeshaushalt nicht ersichtlich.