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BFH-Urteil vom 17.7.1985 (I R 172/79) BStBl. 1986 II S. 122

1. Säumniszuschläge entstehen - nach fruchtlosem Ablauf des Fälligkeitstages - allein durch Zeitablauf; auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen kommt es nicht an.

2. Maßgebend für die Ablehnung einer Stundung (vgl. Tz. 10 des BMF-Erlasses vom 15. Februar 1971 IV B/1 - S 1295 - 2/71, BStBl I 1971, 121) ist der Zeitpunkt, in dem das Stundungsbegehren erstmals abgelehnt wird. Die Beschwerdeentscheidung, mit der das Rechtsmittel gegen die Ablehnung einer Stundung zurückgewiesen wird, ist keine erneute Ablehnung des Stundungsantrags; es wird (lediglich) über die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Stundungsablehnung entschieden.

AO 1977 §§ 126, 240.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) hatten mit Schreiben vom ...August eine zinslose Stundung der Einkommensteuervorauszahlung III/1977 ... bis zum 30. Dezember 1977 beantragt. Sie hatten ihre Anträge im wesentlichen damit begründet, daß durch die Eigenart ihres Unternehmens rd. 50 % von Umsatz und Gewinn erst in der Zeit von Oktober bis Dezember eines Jahres erzielt würden, so daß die Erhebung der streitigen Vorauszahlungen mit dem Sinn und Zweck des § 37 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 nicht im Einklang stünde. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat diesen Antrag mit Bescheid vom 2. September 1977 abgelehnt. Das FA hatte bei seiner Entscheidung - wie es sich aus dem Urteil des Finanzgerichts (FG) über die Stundung ergibt - im wesentlichen auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgestellt. Es sei den Klägern zumindest möglich gewesen, entsprechende Kredite aufzunehmen. Eine unbillige Härte läge nicht vor. Nach erfolgloser Beschwerde (Beschwerdeentscheidung vom 28. November 1977) hatten die Kläger die Vorauszahlungsbeträge am 30. November 1977 entrichtet. Die danach erhobene Klage hatte das FG ... abgewiesen.

Am 15. Dezember 1977 forderte das FA von den Klägern die für die Zeit vom Fälligkeitstag (10. September 1977) bis zum Zahlungstag (30. November 1977) verwirkten Säumniszuschläge ... an. Die Bescheide enthielten keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die Beschwerden der Kläger vom 28. Januar 1978 blieben erfolglos. ...

Auf die Klage hob das FG die Bescheide vom 15. Dezember 1977 über die Anforderung der Säumniszuschläge auf ... Das FG ließ die Frage, wie die einschlägigen Milderungserlasse des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. Februar 1971 IV B/1 - S 1295 - 2/71 (BStBl I 1971, 121) und vom 27. Dezember 1977 IV A 8 - S 0480 - 18/77 (Betriebs-Berater - BB - 1978, 82) grundsätzlich auszulegen seien, dahingestellt. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß erstmals die Oberfinanzdirektion (OFD) mit der Beschwerdeentscheidung in der Stundungssache auch über die von den Klägern vorgebrachten sachlichen Gründe entschieden habe. Daher habe den Klägern nicht zugemutet werden können, die streitigen Vorauszahlungen zur Vermeidung der Säumniszuschläge bereits aufgrund des ablehnenden Bescheids des FA zu entrichten. ...

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Bescheide über die Anforderung der Säumniszuschläge sind rechtmäßig.

1. Nach § 240 Abs. 1 AO 1977 wird für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Steuerbetrages verwirkt, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Im Streitfall haben die Kläger die gemäß § 37 EStG 1977 am 10. September 1977 fälligen Einkommensteuervorauszahlungen III/1977 erst am 30. November 1977 entrichtet. Sie waren damit i. S. des § 240 Abs. 1 AO 1977 säumig. Säumniszuschläge entstehen allein durch Zeitablauf, ohne daß es auf ein Verschulden ankommt (BFH-Urteil vom 17. Januar 1964 I 256/59 U, BFHE 79, 385, BStBl III 1964, 371).

Zwar kann die Fälligkeit z. B. durch Stundung (§ 222 AO 1977) hinausgeschoben werden. Eine solche Stundung wurde im Streitfall nicht gewährt, vielmehr die Ablehnung des Stundungsantrags durch das FG bestätigt.

2. Auch aus den BMF-Erlassen vom 15. Februar 1971 und 27. Dezember 1977 ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger kein Anspruch auf Einräumung einer Zahlungsfrist (Stundung); deshalb kann auch die Frage nach der Rechtsnatur dieser (Milderungs-)Erlasse dahingestellt bleiben. Nach dem Wortlaut der Tz. 10 des Erlasses vom 15. Februar 1971 ist eine Zahlungsfrist einzuräumen, sofern eine Stundung vor Fälligkeit beantragt und nach Fälligkeit abgelehnt wird. Im vorliegenden Fall dagegen wurde die Stundung zwar vor Fälligkeit beantragt, aber noch vor Fälligkeit abgelehnt.

Die Ansicht der Kläger, als maßgeblicher Zeitpunkt der Ablehnung sei erst der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung oder gar ein späterer Zeitpunkt zu verstehen, vermag nicht zu überzeugen. Mit der Beschwerdeentscheidung wurde eine Stundung nicht erneut abgelehnt, sondern nur die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ablehnung des Stundungsantrags geprüft.

3. Der Auffassung des FG, die Zahlungsfrist dürfe erst von der Zustellung der Beschwerdeentscheidung ab berechnet werden, weil die Kläger erstmals in dieser Entscheidung eine Antwort auf die von ihnen vertretene Ansicht erhalten hätten, vermag der Senat nicht zu folgen. Zum einen besteht für eine derartige Berechnung einer Zahlungsfrist keine gesetzliche Grundlage, zum anderen hat bereits das FA den Stundungsantrag mit zutreffenden Gründen abgelehnt. Die Entscheidung läßt keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen. Ein näheres Eingehen auf die besonderen Verhältnisse der Kläger war nicht erforderlich, da eine sachliche Unbilligkeit - wie von den Klägern vorgetragen - nicht vorlag, wie auch das FG im Urteil vom 24. Januar 1979 IX 64-66/78 E betreffend die Stundungsablehnung feststellte. Selbst wenn insoweit ein Begründungsmangel des FA bei der Ablehnung der Stundung vorgelegen hätte, wäre dieser gemäß § 126 Abs. 1 und 2 AO 1977 durch die Beschwerdeentscheidung geheilt mit der Folge, daß dieser etwaige Begründungsmangel im ursprünglichen Bescheid unbeachtlich wäre (§ 126 Abs. 1 AO 1977). Auch in diesem Fall würde sich eine andere Zahlungsfrist nicht ergeben. Ob möglicherweise ein Erlaß der Säumniszuschläge in Betracht käme, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.