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BFH-Urteil vom 14.11.1985 (IV R 254/84) BStBl. 1986 II S. 182

Rücklagen gemäß § 1 Abs. 1 EntwLStG konnten nur dann gebildet werden, wenn die "mit Mitteln des inländischen Betriebs" vorgenommenen Kapitalanlagen dem betrieblichen Bereich zuzurechnen waren.

EntwLStG § 1 Abs. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt zusammen mit dem Beigeladenen seit 1974 eine gemeinschaftliche Praxis für Allgemeinmedizin in B. Der Gewinn aus dieser Praxis wurde zunächst nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und seit 1976 nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt.

In einem Schreiben vom 28. Oktober 1976 teilte der damalige Steuerberater des Klägers dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit, daß der Kläger und der Beigeladene beabsichtigten, eine Kapitalanlage gemäß § 1 Abs. 1 des Entwicklungsländer-Steuergesetzes vom 13. Februar 1975 - EntwLStG - (BGBl I, 493, BStBl I, 163) vorzunehmen. Das FA wurde um Mitteilung gebeten, ob für eine solche Kapitalanlage in einem Entwicklungsland der Gruppe 2 (§ 6 EntwLStG) eine Rücklage in Höhe von 40 v.H. der Kapitalanlage in der Bilanz gebildet werden könne. In dem Antwortschreiben vom 14. November 1976 teilte das FA dem Steuerberater des Klägers mit, daß "unter bestimmten Voraussetzungen eine Rücklage bis zu 40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Kapitalanlage" gebildet werden könne. Weiter heißt es: "Die Bildung einer Rücklage ist zulässig, wenn eine Kapitalanlage i. S. des § 1 Abs. 2 EntwLStG mit Mitteln eines inländischen Betriebs erbracht wird, eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 5 EStG vorliegt und es sich um ein Land der Gruppe 2 (vgl. § 6 EntwLStG) handelt. Weitere Einzelheiten (Auflösung etc.) bitte ich, dem Entwicklungsländer-Steuergesetz (BStBl I 1975 S. 163) zu entnehmen. Die für eine Prüfung erforderlichen Unterlagen (z.B. Verträge) bitte ich bei Vornahme der Rücklage einzureichen."

Am 1. Dezember 1976 schloß der Kläger mit der A-Gesellschaft, einer Personengesellschaft ... Rechts, einen Vertrag, durch den er sich als Gesellschafter mit einer Einlage in Höhe von 1 Mio DM an ihr beteiligte. Die A-Gesellschaft, die zunächst nur ... artikel hergestellt hatte, begann nach dem Eintritt des Klägers auch noch mit der Produktion von ...

In den Jahren 1976 und 1977 zahlte der Kläger auf seine Beteiligung an der A-Gesellschaft jeweils 100.000 DM und im Jahre 1978 125.000 DM ein.

Am 14. Oktober 1976 schloß der Kläger mit I einen Vertrag, aufgrund dessen I dem Kläger ein mit 10 v.H. verzinsliches Darlehen in Höhe von 500.000 DM zur Verfügung stellen sollte. Das Darlehen sollte für den Erwerb der Beteiligung an der A-Gesellschaft verwendet werden. Auf der Grundlage dieses Vertrages erhielt der Kläger von I in den Jahren 1976 und 1977 jeweils 100.000 DM und im Jahr 1978 50.000 DM.

In den für die Jahre 1976, 1977 und 1978 eingereichten Bilanzen der Praxisgemeinschaft wurden u.a. folgende Bilanzposten angesetzt:

"Kapital-Einlage in Firma A"

1976 =               100.202,50 DM

1977 =               200.202,50 DM

1978 =               325.202,50 DM

  

"Darlehenschuld an I"

1976 =               100.000,00 DM

1977 =               200.000,00 DM

1978 =               250.000,00 DM

  

"Rücklage gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 EntwLStG"

1976 =                 40.081,00 DM

1977 =                 80.081,00 DM

1978 =               130.081,00 DM

In den Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns für die Jahre 1976 bis 1978 wurden die Zuführungen zur Rücklage zu Lasten des Gewinns des Klägers berücksichtigt.

In den Bescheiden über die Feststellung der in der Praxisgemeinschaft in den Jahren 1976 bis 1978 erzielten Einkünfte erkannte das FA die gewinnmindernde Rücklagenbildung nicht an.

Der Einspruch hatte in diesem Punkt keinen Erfolg.

Die Klage wurde abgewiesen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß der Kläger keine Rücklage nach § 1 Abs. 1 EntwLStG bilden konnte, weil der Erwerb des Anteils an der ... Personengesellschaft nicht betrieblich veranlaßt war.

1. Steuerpflichtige, die mit Mitteln ihres inländischen Betriebs nach dem 31. Dezember 1973 und vor dem 1. Januar 1982 Kapitalanlagen in Entwicklungsländer vornahmen, konnten unter gewissen Voraussetzungen in ihren Bilanzen eine gewinnmindernde Rücklage bilden (§ 1 Abs. 1 EntwLStG).

Die Vergünstigung der gewinnmindernden Rücklagenbildung kam für alle Steuerpflichtigen in Betracht, die im Inland einen Betrieb unterhielten und ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG) ermittelten. Auch freiberuflich tätige Steuerpflichtige waren - bei Vorliegen der übrigen im Gesetz genannten Voraussetzungen - berechtigt, die Vergünstigung in Anspruch zu nehmen.

2. Das Wesen der "den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklage" i. S. des § 1 Abs. 1 EntwLStG lag in der Aufnahme eines Passivpostens in das Rechnungswesen des Steuerpflichtigen. Mit der Bildung dieses Passivpostens wurde es ihm ermöglicht, in dem Jahr, in dem die Entwicklungshilfe durch Kapitalanlagen geleistet wurde, seinen Gewinn zu mindern, und zwar in einer Höhe, die von dem Umfang der geleisteten Kapitalanlage abhing (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1983 IV R 94/79, BFHE 139, 539, BStBl II 1984, 135).

3. Rücklagen gemäß § 1 Abs. 1 EntwLStG konnten allerdings nur dann gebildet werden, wenn die "mit Mitteln des inländischen Betriebs" vorgenommenem Kapitalanlagen dem betrieblichen Bereich zuzurechnen waren. Daran hat es im Streitfall gefehlt.

a) Für die Bildung einer Rücklage gemäß § 1 Abs. 1 EntwLStG waren ähnliche allgemeine Voraussetzungen zu beachten wie für den Ansatz von Schuldposten in der Steuerbilanz. Eine Schuld kann in der Steuerbilanz nur angesetzt werden, wenn die Schuldaufnahme betrieblich veranlaßt ist; die Schuld muß mit dem Betrieb in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Das ist nur dann der Fall, wenn der die Verbindlichkeit auslösende Vorgang im betrieblichen Bereich liegt. Verpflichtungen dagegen, die in privaten Beziehungen ihren Grund haben, dürfen unter den Passiven nicht erscheinen (vgl. Blümich/Falk/Uelner, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 5 III 1.). Dementsprechend konnten auch Passivposen in Gestalt einer Rücklage gemäß § 1 Abs. 1 EntwLStG nur angesetzt werden, wenn die Kapitalanlagen, derentwegen die Rücklage gebildet werden sollte, mit dem Betrieb in einem wirtschaftlichen Zusammenhang standen (Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1975, 7, 11; Zitzmann, Betriebs-Berater - BB - 1975, 31, 33).

Daß die Bildung einer steuermindernden Rücklage einen solchen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Kapitalanlagen und dem Betrieb voraussetzte, wird auch durch die Entstehungsgeschichte des EntwLStG bestätigt. In dem Vorläufer des EntwLStG (dem Entwicklungshilfe-Steuergesetz 1968 - EntwHStG 1968 -, BGBl I 1968, 217, BStBl I 1968, 481) war zunächst vorgeschrieben, daß gewisse Kapitalanlagen (Beteiligungen und beteiligungsähnliche Darlehen an Kapitalgesellschaften in Entwicklungsländern) "auch dann als Betriebsvermögen des inländischen Betriebs des Steuerpflichtigen behandelt werden, wenn zwischen diesem Betrieb und den Kapitalanlagen kein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht" (§ 1 Abs. 6 EntwHStG 1968). Diese - als Ausnahme von den allgemeinen Zuordnungsgrundsätzen zu verstehende - Vorschrift ist in das EntwLStG nicht mehr übernommen worden. In der amtlichen Begründung des Entwurfs des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes (BTDrucks 7/2094 unter B) heißt es dazu, die bisherige Ausnahmeregelung sei ersatzlos gestrichen worden, weil sie teilweise zu unerwünschten Auswirkungen geführt habe. Die Streichung bedeute, daß auch für die Zurechnung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und von beteiligungsähnlichen Darlehen zum Betriebsvermögen "die allgemeinen Grundsätze gelten".

Der Einwand des Klägers, diese allgemeinen (Zuordnungs-)Grundsätze könnten jedenfalls nicht für solche Kapitalanlagen gelten, die in Form von "Einlagen in Personengesellschaften in Entwicklungsländern" (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 EntwLStG) vorgenommen wurden, ist unbegründet. Zwar wird die Beteiligung eines Steuerpflichtigen an einer Personengesellschaft bei der Ermittlung des Gewinns, den der Pflichtige aus seinem eigenen Unternehmen erzielt, nicht berücksichtigt (vgl. hierzu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 4. Aufl., S. 247; BFH-Urteile vom 23. Juli 1975 I R 165/73, BFHE 117, 30, BStBl II 1976, 73; vom 29. September 1976 I R 171/75, BFHE 120, 222, BStBl II 1977, 259, und vom 22. Januar 1981 IV R 160/76, BFHE 132, 538, BStBl II 1981, 427). Der Umstand, daß eine solche Beteiligung im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht berücksichtigt wird, schließt jedoch nicht aus, daß ihr Erwerb dennoch betrieblich veranlaßt sein kann (vgl. insoweit auch die für die Aufstellung einer Handelsbilanz geltenden Grundsätze - § 151 des Aktiengesetzes (AktG) -, nach denen Beteiligungen an einer Personengesellschaft in der Handelsbilanz als Vermögensgegenstände ausgewiesen werden können - Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, § 151 AktG Rdnr. 91 ff. -).

Im Streitfall ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage gemäß § 1 Abs. 1 EntwLStG nicht zulässig war, da die vom Kläger erworbene Beteiligung an der pakistanischen Personengesellschaft nicht zu seinem betrieblichen Bereich gehören konnte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, daß im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit ein Geschäft nur dann zum betrieblichen Bereich gehören kann, wenn es der freiberuflichen Tätigkeit nicht wesensfremd ist (vgl. Urteil vom 22. Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564, und die Zusammenstellung bei Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 18 Anm. 26); das gilt insbesondere auch für Beteiligungen eines Freiberuflers an Kapitalgesellschaften (vgl. zuletzt Urteil vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517) und Personengesellschaften. Die ... Personengesellschaft, an der sich der Kläger beteiligt hatte, befaßte sich mit der Herstellung von ... artikeln und ... Die Beteiligung an einem solchen Unternehmen hat mit der ärztlichen Tätigkeit nichts zu tun. Mit dem gelegentlichen Bedarf eines Arztes an chirurgischen Instrumenten läßt sich ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Arztpraxis und der Gesellschaftsbeteiligung nicht begründen.

b) Wegen der Berufsfremdheit der Beteiligung war im übrigen auch die Aufnahme des Darlehens zur Finanzierung dieser Beteiligung nicht betrieblich veranlaßt (vgl. BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564; BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517); die durch die Darlehensaufnahme begründete Verbindlichkeit, die vereinbarungsgemäß ausschließlich zur Finanzierung der Beteiligung eingegangen worden war, gehörte somit zum nichtbetrieblichen Bereich des Klägers. Soweit der Kläger mit den aus diesem Darlehen stammenden Mitteln seine Beteiligung finanzierte, fehlte es auch an der tatbestandsmäßigen Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 EntwLStG, nach der die Vornahme von Kapitalanlagen "mit Mitteln eines inländischen Betriebs" vorgenommen werden muß.

4. Der Kläger kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, daß das FA in seinem Schreiben vom 14. November 1976 die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage verbindlich zugesichert habe.

An die Verbindlichkeit von Zusagen, die noch unter der zeitlichen Geltung der Reichsabgabenordnung - AO - (also bis zum 31. Dezember 1976; vgl. § 415 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977) gemacht worden sind, stellt die Rechtsprechung des BFH gewisse Anforderungen (vgl. hierzu Urteil vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562). So wird u.a. gefordert, daß der Steuerpflichtige der Finanzbehörde einen bestimmten Sachverhalt zur Beurteilung unterbreitet und ihm hierauf zugesichert wird, diesen Sachverhalt bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinne zu behandeln (BFH-Urteil vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459). Daran fehlt es im Streitfall. Wie sich aus dem - vom Kläger als Zusage gewerteten - Schreiben des FA vom 14. November 1976 entnehmen läßt, hat das FA auf die allgemein gehaltene Anfrage des Klägers vom 28. Oktober 1976 lediglich einen Hinweis auf die Gesetzeslage gegeben. Dagegen fehlt es an der für eine Zusage wesentlichen Erklärung, einen konkreten Sachverhalt in einem bestimmten Sinne behandeln zu wollen.