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BFH-Urteil vom 13.11.1985 (II R 237/82) BStBl. 1986 II S. 191

Ein Grundstück wird erst dann für einen steuerbegünstigten Zweck (Errichtung und Betrieb eines Ausbildungszentrums für Sparkassenangehörige) hergerichtet und damit grundsteuerfrei, wenn mit den Bauarbeiten auf dem Grundstück begonnen wird, nicht schon mit der Bauplanung.

GrStG § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 4 Nr. 5, § 7; BewG § 19 Abs. 4.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte in den Jahren 1974 und 1975 mehrere zusammenhängende Grundstücke gekauft, um auf ihnen ein Aus- und Fortbildungszentrum für Bedienstete der ... Sparkassen zu errichten. Er ist der Ansicht, der Grundbesitz sei von der Grundsteuer befreit, denn es handele sich um Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch, nämlich für Zwecke des Unterrichts, unmittelbar benutzt werde. Unmittelbar benutzt für den steuerbegünstigten Zweck werde der Grundbesitz seit dem Frühjahr 1974, denn damals sei mit der Bauplanung begonnen und damit der Grundbesitz für den begünstigten Zweck "hergerichtet" worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ist demgegenüber der Ansicht, erst mit dem Beginn der Bauausführung, das war n a c h dem 1. Januar 1976, sei der Grundbesitz für den begünstigten Zweck hergerichtet worden. Er stellte dementsprechend den Einheitswert des Grundbesitzes auf den 1. Januar 1976 durch Bescheid vom 15. Dezember 1978 auf 788.800 DM fest; den Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 1976 setzte er durch Bescheid vom gleichen Tag auf 2.760 DM fest. Die verbundenen Einsprüche wies er zurück.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Sie sei unbegründet. "Hergerichtet" worden für den steuerbegünstigten Zweck i. S. des § 7 Satz 2 des Grundsteuergesetzes (GrStG) sei der Grundbesitz frühestens mit Baubeginn, nicht schon mit dem Bauplanungsbeginn. Es hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 7 GrStG 1974.

Er beantragt, das FG-Urteil, den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermeßbescheid, beide vom 15. Dezember 1978, ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG ist stillschweigend zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger seine Rechtsansicht, der bezeichnete Grundbesitz sei von der Grundsteuer befreit, durch Anfechtung beider Verwaltungsakte (des Einheitswertbescheids und des. Grundsteuermeßbescheids) geltend machen durfte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juli 1985 II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128). Es hat beide Verwaltungsakte zutreffend für rechtmäßig erachtet.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers hatte das FA den Einheitswert des Grundbesitzes zum 1. Januar 1976 durch Bescheid gesondert festzustellen, weil diese Feststellung von Bedeutung war für die Berechnung der Grundsteuer (§ 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1, § 155 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 19 Abs. 1 und 4 des Bewertungsgesetzes - BewG -): Für die Berechnung der Grundsteuer war auszugehen von einem Steuermeßbetrag, der zu ermitteln war durch Anwendung eines Tausendsatzes auf den Einheitswert des Grundbesitzes zum 1. Januar 1976 (§ 13 Abs. 1, § 18 Abs. 3 GrStG). Den Grundsteuermeßbetrag hatte das FA durch Steuermeßbescheid festzusetzen (§ 184 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, § 18 Abs. 1 GrStG), weil der bezeichnete Grundbesitz Gegenstand der Grundsteuer war (§ 2 Nr. 2 GrStG i. V. m. § 68 Abs. 1 Nr. 1, § 70 BewG) und die Grundsteuer nach dem Grundsteuermeßbetrag zu bemessen war (§ 13 Abs. 1, § 25 Abs. 1 GrStG).

Der Kläger ist demgegenüber der Ansicht, das bezeichnete Grundstück sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 7 GrStG von der Grundsteuer befreit, so daß es nicht notwendig gewesen sei, einen Grundsteuermeßbetrag festzusetzen. Auch sei es nicht erforderlich gewesen, den Einheitswert des Grundbesitzes festzustellen, denn dieser sei aus dem angegebenen Grunde für die Besteuerung nicht von Bedeutung gewesen (§ 19 Abs. 4 BewG).

Dieser Ansicht ist das FG mit Recht nicht gefolgt.

Von der Grundsteuer befreit ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG "Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird". Ob die Errichtung und der Betrieb eines Aus- und Fortbildungszentrums für Bedienstete der ... Sparkassen eine Benutzung des Grundbesitzes "für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch" i. S. der Befreiungsvorschrift darstellen, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die in der Befreiungsvorschrift genannten Voraussetzungen gegeben wären, fehlte es an der weiteren Voraussetzung, daß der Grundbesitz im maßgebenden Zeitpunkt (1. Januar 1976) für den steuerbegünstigten Zweck "unmittelbar benutzt" wurde (§ 7 Satz 1 GrStG). Unmittelbare Benutzung liegt vor, sobald der Steuergegenstand für den steuerbegünstigten Zweck "hergerichtet", d. h. für ihn vorbereitet, geeignet gemacht wird. Dieser Vorgang des Herrichtens beginnt, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht schon zu dem Zeitpunkt, zu dem mit der Bauplanung für das zu errichtende Gebäude begonnen wird, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die beauftragten Bauunternehmer zielgerichtet mit den Bauarbeiten auf dem Grundstück beginnen, z. B. eine Baustelle einrichten, Einfriedungen und Hindernisse abräumen, Bewuchs roden, Erde bewegen. Denn frühestens zu diesem Zeitpunkt wird das Grundstück für den begünstigten Zweck "benutzt", d. h. gebraucht, verwendet, und zwar "unmittelbar", d. h. ohne räumlichen Abstand vom Grundstück. Diese Auslegung des Begriffs "hergerichtet" entspricht dem Wortsinn des Satzes 1 des § 7 GrStG und der gesetzlichen Bestimmung dieses Begriffs durch Satz 2 des § 7 GrStG.

Sie entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Das ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen (BT-Drucks. 7/78 S. 45, VI/3418 S. 81). Dort ist darauf hingewiesen, daß der Satz 1 des § 7 "eine Ergänzung zu den Befreiungsvorschriften des §§ 3 und 4 des Entwurfs" ist und "voll dem bisherigen Recht" entspricht. Dagegen bringe Satz 2 der Vorschrift eine wesentliche Rechtsänderung hinsichtlich der Frage, "von wann ab in zeitlicher Hinsicht eine begünstigte Benutzung vorliegt ... Bisher war der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Grundbesitz dem begünstigten Zweck tatsächlich zugeführt worden war, z. B. wenn eine neue Straße dem Verkehr übergeben wurde oder wenn ein Erholungsheim für bedürftige Personen eröffnet wurde. Künftig genügt es jedoch, daß das Grundstück für den begünstigten Zweck hergerichtet wird. Bei Neubauten ist dies in der Regel der Zeitpunkt, an welchem die ausführenden Bauunternehmen mit der Durchführung der Bauarbeiten auf dem Grundstück beginnen". Die Steuerbefreiung sollte also zeitlich früher eintreten als bisher, nicht aber schon mit Beginn der Bauplanung.

Der Kläger beruft sich für seine gegenteilige Auffassung auf eine Bemerkung im BFH-Urteil vom 30. Juni 1967 III 173/64 (BFHE 89, 390, 393, BStBl III 1967, 659, 660). Dort ging es um die Frage, ob ein als gemeinnützig anerkannter Verein ein Grundstück, das er 1961 erworben hatte, um darauf innerhalb von zwei Jahren ein Altenheim zu errichten, schon mit Beginn der Bauplanung unmittelbar für gemeinnützige Zwecke benutzte und infolgedessen der Grundbesitz schon zum 1. Januar 1962 grundsteuerfrei war gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG 1951. Der BFH hat diese Frage auf Grund der damaligen Gesetzeslage verneint und in diesem Zusammenhang beiläufig bemerkt, "die Bauplanung oder der Baubeginn reichten für die Steuerbefreiung noch nicht aus; es handelt sich insoweit noch um ein 'Herrichten' eines Grundstücks für steuerbegünstigte Zwecke (vgl. § 24 Satz 2 GrStDV)". Diese Bemerkung zwingt indes nicht zu einer anderen Auslegung des hier maßgebenden § 7 GrStG. Für die damalige Gesetzeslage hatte es keine Bedeutung, daß der BFH Bauplanung und Baubeginn unterschiedslos als das "Herrichten" eines Grundstücks zu dem steuerbegünstigten Zweck ansah, denn beide lagen zeitlich vor dem maßgebenden Zeitpunkt. Infolgedessen bedeutet es auch kein Abweichen von jener Entscheidung, wenn der erkennende Senat den Rechtsbegriff "hergerichtet" entsprechend der neuen Gesetzeslage auslegt und nunmehr rechtlich unterscheidet zwischen Bauplanung und Baubeginn.

Ohne Einfluß auf die rechtliche Beurteilung muß auch der Hinweis des Klägers bleiben, daß "ein Bauwerk ohne eine sorgfältige Planung nicht 'hergerichtet' werden" könne, deshalb "Planung und Errichtung eines Bauwerks einen einheitlichen Vorgang" bildeten und nach der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate die Herstellung eines Gebäudes bereits mit der Bauplanung beginne. Denn für die hier zu beantwortende Rechtsfrage kommt es nicht auf das Herrichten des Bauwerks, sondern auf das Herrichten des Grundstücks an.