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BFH-Urteil vom 15.11.1985 (III R 144/81) BStBl. 1986 II S. 247

Wohnungen des Hauspersonals i. S. von § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG sind Wohnungen, die sowohl für Hauspersonal bestimmt sind als auch von Hauspersonal genutzt werden. Eine Hausgehilfin gehört nicht zum Kreis des Hauspersonals.

BewG 1965 § 75 Abs. 5 und 6.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines im Jahr 1952 errichteten und auf den 1. Januar 1964 als Zweifamilienhaus bewerteten Wohngrundstücks. Das Grundstück umfaßt eine Fläche von 2.121 qm. Das Gebäude enthält im Erd- und Dachgeschoß die Wohnung des Vaters der Klägerin mit ca. 200 qm und im Untergeschoß, das begünstigt durch die Hanglage teilweise als Vollgeschoß ausgebaut ist, eine weitere Wohnung von 75 qm. Diese besteht aus zwei Zimmern, Küche und Bad. Die Wohnungen sind gegeneinander baulich abgeschlossen. Als dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) bekannt wurde, daß die Wohnung seit Anfang 1974 an eine angestellte Hausgehilfin vermietet ist, führte das FA auf den 1. Januar 1975 eine Art- und Wertfortschreibung durch und stellte die Grundstücksart Einfamilienhaus fest. Die hiergegen erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Das Gebäude enthalte zwar zwei Wohnungen. Die Wohnung, die von der Hausgehilfin bewohnt werde, sei jedoch als Wohnung des Hauspersonals gem. § 75 Abs. 5 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht mitzurechnen. Das Wohngrundstück enthalte deshalb zum Stichtag 1. Januar 1975 bewertungsrechtlich nur eine Wohnung und sei als Einfamilienhaus zu bewerten. Die Frage, ob eine Wohnung eine solche des Hauspersonals sei, hänge allein von der Voraussetzung ab, daß die Wohnung von Hauspersonal genutzt werde. Zum Kreis des Hauspersonals sei auch eine Hausgehilfin zu rechnen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Anwendung von § 75 Abs. 5 und 6 BewG.

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswertbescheid dahin gehend zu ändern, daß die Grundstücksart Zweifamilienhaus festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Nach § 75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus entscheidend, ob in dem Wohngrundstück eine oder zwei Wohnungen enthalten sind. Wohnungen des Hauspersonals (Pförtner, Heizer, Gärtner, Kraftwagenfahrer, Wächter usw.) sind gem. § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG nicht mitzurechnen.

Nach der zutreffenden Auffassung des FG enthält das Wohngrundstück der Klägerin zum 1. Januar 1975, dem hier streitigen Stichtag, zwei Wohnungen. Es ist als Zweifamilienhaus zu bewerten, da die an die Hausgehilfin vermietete Wohnung im Untergeschoß entgegen der Auffassung des FG nicht als eine Wohnung des Hauspersonals betrachtet werden kann und deshalb als zweite Wohnung mitzurechnen ist. Auch gehört die Hausgehilfin nicht zum Personenkreis des Hauspersonals i. S. des § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG.

2. Der Begriff "Wohnungen des Hauspersonals" ist mehrdeutig. Es können darunter Wohnungen verstanden werden, die für das Hauspersonal bestimmt sind und auch tatsächlich von Hauspersonal genutzt werden. Es können aber auch Wohnungen gemeint sein, die zwar von Hauspersonal genutzt werden, ohne aber nach Bauart und Lage typische Personalwohnungen zu sein.

Nach der Vorschrift des § 32 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz vom 2. Februar 1935 (BewDV) zu § 52 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung waren "Wohnungen, die für Hauspersonal (Pförtner, ... usw.) bestimmt sind", nicht mitzurechnen. Zu dieser Vorschrift hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Wohnungen in diesem Sinn nur dann anzunehmen sind, wenn sie nach Bauart, Lage und Ausstattung deutlich hinter der Hauptwohnung zurückblieben. Außerdem mußten die Größe und die Anlage der Grundstücksfläche sowie der Umfang und die Gestaltung des darauf befindlichen Gebäudes nach der Verkehrsauffassung erwarten lassen, daß ein derartiges Grundstück ohne im Haus wohnendes Personal nicht bewirtschaftet werden konnte und auch nicht bewirtschaftet zu werden pflegte. Die tatsächliche Nutzung der Wohnung durch Hauspersonal wurde grundsätzlich nicht für erforderlich gehalten. Es genügte, daß bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen die Wohnung ursprünglich für das Hauspersonal bestimmt war (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. November 1958 III R 88/57 U, BFHE 68, 5, BStBl III 1959, 4; vom 9. Dezember 1970 III R 47/69, BFHE 101, 123, BStBl II 1971, 232). In dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen - RdF - vom 19. Dezember 1934 (RStBl 1934, 1678/79) ist in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß eine Wohnung neben dem Heizraum oder mit einem Zugang zu der Heizanlage, eine Wohnung neben oder über der Garage oder neben dem Treibhaus regelmäßig für Hauspersonal bestimmt sein werde.

Demgegenüber stellt § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG 1965 nur noch auf "Wohnungen des Hauspersonals" ab. Aus dieser Wortfassung folgern Rössler/Troll/Langner (Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 13. Aufl., § 75 BewG Anm. 46, 47), daß nach dem neuen Bewertungsrecht auf die tatsächliche Nutzung am Feststellungszeitpunkt abzustellen sei. Mit der Neuformulierung des Gesetzes sollten bisher bei der Gesetzesauslegung aufgetretene Zweifel beseitigt werden; zwischen dem Inhaber der Hauptwohnung und dem Hauspersonal müsse ein ernsthaft vereinbartes Dienstverhältnis bestehen. Gürsching/Stenger (Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 75 BewG Anm. 14) sehen in der Neuregelung eine engere und klarere Abgrenzung des Begriffs Einfamilienhaus. Nach Steinhardt (Bewertungsgesetz-Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 75 BewG Anm. 9 S. 7 unten) kann jetzt "nur noch" auf die tatsächliche Nutzung abgestellt werden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. IV/1488 S. 54) sollte die bisherige Regelung beibehalten werden, wonach Wohnungen des Hauspersonals nicht mitzurechnen sind.

3. Nach Auffassung des Senats ist an dem bisherigen Erfordernis festzuhalten, daß die Wohnung für Hauspersonal bestimmt sein muß. Aufgrund der Neufassung des Gesetzes muß außerdem hinzukommen, daß die Wohnung zum Feststellungszeitpunkt von Hauspersonal tatsächlich genutzt wird. Nur mit dieser Gesetzesauslegung läßt sich eine engere Eingrenzung des Begriffs Einfamilienhaus erreichen, die Ziel der Gesetzesänderung war. Während in der Vergangenheit im wesentlichen nur große, aufwendig gestaltete und entsprechend ausgestattete Grundstücke mit einem für das Hauspersonal bestimmten untergeordneten Annex als Einfamilienhäuser zu bewerten waren (vgl. Urteil in BFHE 101, 123, BStBl II 1971, 232), würden ohne eine einschränkende Auslegung nunmehr ganz allgemein Grundstücke nicht mehr als Zweifamilienhäuser zu bewerten sein, wenn eine der beiden Wohnungen an Hauspersonal vermietet ist. Das würde selbst dann gelten, wenn die beiden Wohnungen sich an Größe, Lage und Ausstattung gleichen. Eine solche Auslegung stände aber nicht in Einklang mit dem oben dargelegten Gesetzeszweck.

Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist bei der Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus in erster Linie auf die objektive innere bauliche Gestaltung des Gebäudes abzustellen (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151). Dies rechtfertigt es, auch bei der Frage, ob eine Wohnung eine Personalwohnung ist, zunächst von objektiven Kriterien (untergeordnete Bedeutung nach Bauart, Lage und Ausstattung) auszugehen. Doch würde das Abstellen allein auf die bauliche Gestaltung nicht hinreichend § 75 Abs. 5 Satz 3 BewG berücksichtigen, wonach eine zweite Wohnung, abgesehen von Satz 2 dieser Vorschrift, ganz allgemein dem Begriff "Einfamilienhaus" entgegensteht, selbst dann, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Als Wohnung des Hauspersonals, die nach § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG nicht mitzurechnen ist, kann daher eine solche Wohnung von untergeordneter Bedeutung nur angesehen werden, wenn sie außerdem tatsächlich von Hauspersonal bewohnt wird.

Dieses Ergebnis steht auch mit der Bedeutung des § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG als einer Ausnahmevorschrift in Einklang. Eine Auslegung, die entweder nur auf die objektiven baulichen Kriterien oder nur auf die Nutzung abstellt, würde dem Verhältnis von Regel und Ausnahme nicht gerecht.

4. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Wohnung im Untergeschoß des streitbefangenen Wohngrundstücks nicht als Wohnung des Hauspersonals i. S. von § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG angesehen werden kann.

Aus den unangefochtenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ergeben sich im Hinblick auf die Gestaltung der Wohnung und des gesamten Wohngrundstücks keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß es sich bei der Wohnung im Untergeschoß um eine für das Hauspersonal bestimmte Wohnung i. S. von § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG handelt. Die Wohnung ist gegenüber der Hauptwohnung nicht von untergeordneter Bedeutung. Sie unterscheidet sich nicht von solchen Wohnungen, die bei ähnlichen baulichen und räumlichen Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt regelmäßig zur Vermietung angeboten werden. Gestaltung und Ausmaße, insbesondere die Größe des Gebäudes und der Wohnungen sowie der Außenanlagen sind keine Besonderheiten, die das Wohngrundstück der Klägerin ausnahmsweise aus der Masse gleichwertiger Anwesen objektiv eindeutig herausheben. Das streitbefangene Wohngrundstück unterscheidet sich insoweit nicht von vielen anderen Grundstücken. Eine Bewirtschaftung durch Hauspersonal ist bei diesen Häusern weder notwendig noch üblich.

5. Der Annahme einer Wohnung für Hauspersonal steht im Streitfall auch entgegen, daß eine Hausgehilfin nicht zum Hauspersonal i. S. des § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG gehört. Der Senat versteht unter Hauspersonal nur Personen, die grundsätzlich Dienstleistungen für die Wartung und Pflege des Wohngrundstücks selbst erbringen. Dies ergibt sich aus dem Begriff "Wohnung des Hauspersonals". Denn eine solche liegt nur dann vor, wenn sie von Personal bewohnt wird, das nach der Verkehrsauffassung üblicherweise zur Bewirtschaftung eines solchen Grundstücks notwendig ist. Eine Hausgehilfin erbringt ihre Dienstleistung jedoch regelmäßig nicht grundstücksbezogen, sondern, jedenfalls überwiegend, personenbezogen.

6. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das Wohngrundstück als Zweifamilienhaus zu bewerten ist, war der Einheitswertbescheid entsprechend zu ändern.