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BFH-Urteil vom 19.11.1985 (II R 244/81) BStBl. 1986 II S. 249

Beschließt eine AG eine Kapitalerhöhung und wird die Durchführung der Kapitalerhöhung erst nach dem Bewertungsstichtag in das Handelsregister eingetragen, so sind Einzahlungsansprüche auf das erhöhte Grundkapital bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den Bewertungsstichtag jedenfalls insoweit nicht als Teil des Betriebsvermögens anzusetzen, als es sich nicht um kraft Gesetzes oder satzungsgemäß vor der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zu leistende Einlagen handelt (Anschluß an BFH-Urteil vom 6. März 1985 II R 231/81, BFHE 143, 372, BStBl II 1985, 388).

BewG 1974 § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 1 Nr. 1, § 109 Abs. 4; AktG §§ 184, 185, 188, 189.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Klägerin, inzwischen in eine GmbH umgewandelt, war früher eine AG. In der Hauptversammlung vom 29. Oktober 1974 war die Erhöhung des Grundkapitals um 6 Mio. DM beschlossen worden. Mit Zeichnungsschein vom 30. Oktober 1974 übernahm die Muttergesellschaft der Klägerin sämtliche jungen Aktien, wobei der Zeichnungsschein unverbindlich werden sollte, falls die Kapitalerhöhung nicht bis zum 30. Juni 1975 in das Handelsregister eingetragen werde. Die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung erfolgte am 7. Mai 1975.

Nach dem Kapitalerhöhungsbeschluß waren auf die gezeichneten jungen Aktien 25 v. H. sofort einzuzahlen. Die Einforderung der verbleibenden Beträge sollte durch den Vorstand aufgrund eines Beschlusses des Aufsichtsrates erfolgen. Dementsprechend wurden 1,5 Mio. DM noch 1974 eingezahlt; die weiteren 4,5 Mio. DM wurden aufgrund entsprechender Beschlüsse in der Zeit vom Oktober 1975 bis März 1977 in Teilbeträgen von jeweils 1,5 Mio. DM in den Jahren 1975, 1976 und 1977 eingezahlt.

Bei der vorläufigen Wertfortschreibung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1975 setzte das beklagte Finanzamt (FA) die noch nicht eingeforderten Beträge aus der Kapitalerhöhung in Höhe von 4,5 Mio. DM mit dem Nennwert an.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin mit ihrer Klage die Herabsetzung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1975 um 4,5 Mio. DM, ferner die Herabsetzung des ebenfalls umstrittenen Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1973 beantragt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Revision hat die Klägerin zunächst ihre Klaganträge weiterverfolgt. Später hat sie dann ihre Revision insoweit zurückgenommen, als sie die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1973 betraf.

Bereits während des finanzgerichtlichen Verfahrens hatte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1975 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung durch Bescheid vom 27. Januar 1981 erhöht. Dieser Bescheid ist auf Antrag der Klägerin (vgl. § 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.

Der Revisionsantrag der Klägerin geht nunmehr sinngemäß auf Ermäßigung des in dem Bescheid vom 27. Januar 1981 festgestellten Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1975 um 4.500.000 DM.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist in dem Ausmaß begründet, in dem sie nach der teilweisen Zurücknahme der Revision noch aufrechterhalten worden ist. Im übrigen war das Revisionsverfahren wegen Rücknahme der Revision einzustellen.

Die Forderung der Klägerin auf Einzahlung der restlichen Einlage in Höhe von 4,5 Mio. DM aus der erst nach dem Bewertungsstichtag in das Handelsregister eingetragenen durchgeführten Kapitalerhöhung (§ 189 des Aktiengesetzes - AktG -) ist dem Grunde nach kein gemäß § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) anzusetzendes Wirtschaftsgut (so für die GmbH das Urteil des Senats vom 6. März 1985 II R 231/81, BFHE 143, 372, BStBl II 1985, 388). Dies gilt unabhängig davon, wann der Einzahlungsanspruch gesellschaftsrechtlich entsteht (vgl. hierzu die Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 13. Oktober 1954 II ZR 295/53, BGHZ 15, 66; vom 29. März 1962 II ZR 50/61, BGHZ 37, 75, und vom 2. Dezember 1968 II ZR 144/67, BGHZ 51, 157). Denn alle von einem Zeichner bei der Kapitalerhöhung eingegangenen Verpflichtungen stehen unter dem Vorbehalt des Wirksamwerdens der Kapitalerhöhung mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister (vgl. §§ 188, 189 AktG). Bis zu diesem Zeitpunkt steht dem Zeichner auch nach Abschluß des Zeichnungsvertrages (vgl. Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 185 Tz. 5) kein Anwartschaftsrecht auf die spätere Mitgliedschaft zu (Kölner Kommentar, a. a. O., Tz. 29). Die eingegangene Einzahlungsverpflichtung unterliegt auch rechtlichen Einschränkungen, soweit nicht die vor der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zu leistenden Mindesteinlagen in Betracht kommen.

Wer neue Aktien zeichnet, will keine abstrakte Verpflichtung eingehen, sondern lediglich eine Verpflichtung im Rahmen einer wirksam werdenden Kapitalerhöhung (vgl. Urteile des Reichsgerichts - RG - vom 20. Oktober 1911 Rep. II 68/11, RGZ 77, 152, und vom 10. Juni 1913 Rep. II 95/13, RGZ 82, 375). Solange die Kapitalerhöhung noch nicht wirksam ist, sind die Einzahlungsansprüche, soweit sie dem Grunde nach bereits entstanden sein sollten, jedenfalls insoweit noch nicht ausreichend konkretisiert, als gesetzlich oder satzungsmäßig keine Einzahlungen vor dem Wirksamwerden der Kapitalerhöhung zu leisten sind.

Gesellschaftsrechtlich ist umstritten, ob freiwillige Zahlungen auf die Einlageschuld vor der Eintragung der Kapitalgesellschaft (oder der Kapitalerhöhung oder der Durchführung der Kapitalerhöhung) in das Handelsregister ohne weiteres von der Einlageverpflichtung befreien (vgl. die Hinweise in BGHZ 37, 75; unentschieden BGHZ 51, 157). Dies alles und die im Bewertungsrecht zu beachtenden wirtschaftlichen Gesichtspunkte (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Dezember 1979 III R 65/77, BFHE 130, 412, 414, BStBl II 1980, 483) gebieten es, derartige Einzahlungsansprüche vor dem Wirksamwerden einer Kapitalerhöhung selbst dann nicht als Teil des Betriebsvermögens anzusetzen, wenn sie gesellschaftsrechtlich bereits mit dem Abschluß des Zeichnungsvertrages (unter dem Vorbehalt des Wirksamwerdens der Kapitalerhöhung) entstanden sein sollten.

Dem § 185 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AktG kommt in diesem Zusammenhang bewertungsrechtlich keine Bedeutung zu. Wird eine Zeichnung mit dem Verstreichen des im Zeichnungsschein genannten Endtermins deshalb unwirksam, weil die Kapitalerhöhung bis zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam geworden ist, so bedeutet dies das Erlöschen der Rechte und Pflichten des Zeichners, soweit derartige Rechte und Pflichten bereits bestanden (Kölner Kommentar, a. a. O., Tz. 37). Daraus ergibt sich aber nicht, daß bisher nur unter einschränkenden Rechtsbedingungen bestehende Verpflichtungen wie die Einzahlungsverpflichtungen bis zum Unwirksamwerden des Zeichnungsscheines voll gültig waren. Erlöschen können Rechte und Verpflichtungen nur in dem Ausmaß, in dem sie vor dem Erlöschen bestanden. Wie bereits ausgeführt, waren aber die Einzahlungsverpflichtungen hinsichtlich der über die Mindesteinlagen hinausgehenden Beträge vor der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung noch nicht so weit konkretisiert, daß bewertungsrechtlich bereits ein bewertbarer Einzahlungsanspruch vorlag.

Was hinsichtlich der vor dem Stichtag geleisteten Mindesteinlage von 1,5 Mio. DM gilt (vgl. hierzu das Urteil des BFH vom 2. Oktober 1981 III R 73/78, BFHE 134, 177, BStBl II 1982, 13, mit kritischen Anmerkungen von Döllerer in der Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1983, 418), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn die Klägerin hat mit ihrer Klage und in ihrem letzten Schriftsatz vom 9. September 1985 nur die Herabsetzung des Einheitswertes um den vom FA angesetzten Einzahlungsanspruch von 4,5 Mio. DM, nicht aber den Abzug eines Schuldpostens wegen der geleisteten Mindesteinlage von 1,5 Mio. DM beantragt.