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BFH-Urteil vom 12.11.1985 (VIII R 342/82) BStBl. 1986 II S. 299

Ein Grundstück ist dann keine wesentliche Betriebsgrundlage als Voraussetzung der sachlichen Verflechtung bei der Betriebsaufspaltung, wenn es für die Betriebsgesellschaft von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist.

EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1970 bis 1975 mit 75 v. H. an der A-GmbH beteiligt. Im Jahre 1968 erwarb er ein Grundstück. Er errichtete darauf einen "Fabrikneubau mit Büro". Ab 1969 vermietete er das Grundstück an die A-GmbH. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm Betriebsaufspaltung an, mit der Rechtsfolge eines Gewerbebetriebs i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat das Vorliegen der zur Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderlichen Merkmale der personellen und sachlichen Verflechtung bejaht.

Mit der Revision macht der Kläger geltend: Das FG habe übersehen, daß Miet- und Pachtverträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern steuerlich anzuerkennen seien. Im Streitfall lägen die sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung nicht vor. Der vermietete Grundbesitz sei keine wesentliche Betriebsgrundlage. Das FG habe die tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen, die für die Annahme einer wesentlichen Betriebsgrundlage erforderlich seien. Es habe die erforderlichen Tatsachen als gegeben unterstellt. Das FG habe nicht gewürdigt, daß es sich bei den von der A-GmbH gemieteten Räumlichkeiten im wesentlichen um Büros und Lagerräume handele, während die der Fertigung dienenden gemieteten Räume nicht ins Gewicht fielen. Die Tätigkeit der A-GmbH könne auch in von Fremden gemieteten Räumen stattfinden. Es handele sich also um "Allerwelts-Räumlichkeiten", die nicht "wesentliche Grundlage" einer Betriebsaufspaltung seien. Die vermieteten Räumlichkeiten seien nicht auf besondere betriebliche Bedürfnisse der A-GmbH zugeschnitten. Das vom FG "angezogene" Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juni 1969 I 201/64 (BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17) trage mithin die Vorentscheidung nicht. Auch aus den BFH-Urteilen vom 21. Mai 1974 VIII R 57/70 (BFHE 112, 391, BStBl II 1974, 613), vom 12. Dezember 1969 III 198/64 (BFHE 98, 450, BStBl II 1970, 395) und vom 11. November 1970 I R 101/69 (BFHE 100, 411, BStBl II 1971, 61) ergebe sich, daß der an die A-GmbH vermietete Grundbesitz keine wesentliche Betriebsgrundlage sei.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und die Gewerbesteuermeßbescheide 1970 bis 1975 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen durch das FG nicht abschließend prüfen, ob die Vermietung des Grundstücks durch den Kläger ein Gewerbebetrieb ist (§ 15 [Abs. 1] Nr. 1, § 2 Abs. 1 GewStG).

1. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe übersehen, daß Miet- und Pachtverträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern steuerrechtlich anzuerkennen seien, verkennt der Kläger, daß die Annahme einer Betriebsaufspaltung die steuerrechtliche Anerkennung eines Miet- oder Pachtvertrags voraussetzt.

2. Die bloße Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken oder Sachinbegriffen ist grundsätzlich Vermögensverwaltung und stellt sich nicht als Gewerbebetrieb dar. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH zur Betriebsaufspaltung (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) dann, wenn die Voraussetzungen einer personellen und sachlichen Verflechtung des Besitzunternehmens und der Betriebsgesellschaft vorliegen. In einem solchen Fall wird die Vermietung oder Verpachtung ebenfalls zu einem Gewerbebetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1982 I R 178/77, BFHE 137, 67, BStBl II 1983, 136, und das Urteil des Senats vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296).

3. Eine personelle Verflechtung ist nach den dafür von der Rechtsprechung des BFH aufgestellten Grundsätzen, an denen der erkennende Senat in der vorerwähnten Entscheidung VIII R 240/81 festhält, im Streitfall gegeben; denn der Kläger ist nach den Feststellungen des FG an der A-GmbH mit 75 v. H. beteiligt, und das an die A-GmbH vermietete Grundstück steht in seinem Alleineigentum.

4. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um entscheiden zu können, ob die für die Annahme einer sachlichen Verflechtung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.

a) Eine sachliche Verflechtung ist nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 gegeben, wenn bei der echten Betriebsaufspaltung "Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundbesitz, die zu den wesentlichen Grundlagen des übergegangenen Betriebs gehören, bei dem Besitzunternehmen verbleiben" und von diesem der Besitzgesellschaft miet- bzw. pachtweise überlassen werden. Entsprechendes gilt nach dem bezeichneten Beschluß für die unechte Betriebsaufspaltung. Der Große Senat hat damit klargestellt, daß entgegen der möglicherweise aus der älteren Rechtsprechung des BFH (vgl. u. a. Urteil vom 24. Januar 1968 I 76/64, BFHE 91, 368, BStBl II 1968, 354) zu entnehmenden Ansicht, die Voraussetzung der sachlichen Verflechtung bei der echten Betriebsaufspaltung nicht anders zu beurteilen ist wie bei der unechten (vgl. auch Urteile vom 28. Januar 1982 IV R 100/78, BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479, und in BFHE 137, 67, BStBl II 1983, 136).

Für die Annahme einer sachlichen Verflechtung ist es nicht erforderlich, daß vom Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft vermietete oder verpachtete Wirtschaftsgüter die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft darstellen. Es genügt, daß sie eine wesentliche Betriebsgrundlage dieser Gesellschaft sind (BFH-Urteile vom 20. September 1973 IV R 41/69, BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869, und vom 24. November 1978 III R 121/76, BFHE 127, 214, BStBl II 1979, 366).

Ob ein Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft ist, richtet sich nach den Gegebenheiten des einzelnen Falls (BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 77/77, BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39) und ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Streitjahr zu beurteilen (BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17, und BFHE 112, 391, BStBl II 1974, 613).

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist ein Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es für die Betriebsführung ein besonderes wirtschaftliches Gewicht hat (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1974 I R 40/72, BFHE 114, 85, BStBl II 1975, 232) oder von besonderer Wichtigkeit ist (BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17, und BFHE 112, 391, BStBl II 1974, 613). Dabei ist zu beachten, daß nach der Rechtsprechung des BFH die Begriffe wesentlich, notwendig und unentbehrlich im gleichen Sinn verwendet werden (BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17). In der älteren Rechtsprechung des BFH wurde statt von der Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage davon gesprochen, daß die überlassenen Wirtschaftsgüter die "notwendige Unterlage" für die Betriebsgesellschaft darstellen müssen (so noch in BFHE 100, 411, BStBl II 1971, 61).

Als eine wesentliche Betriebsgrundlage ist bisher nicht nur die Verpachtung eines ganzen Betriebs oder eines Teilbetriebs, sondern auch die Vermietung oder Verpachtung der wichtigsten einzelnen Anlagegegenstände des Betriebsunternehmens, insbesondere des Grundbesitzes angesehen worden (BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17, und BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869). Es muß sich bei einer wesentlichen Betriebsgrundlage um Wirtschaftsgüter handeln, bei denen es aus der Sicht des Betriebsunternehmens wirtschaftlich einen deutlichen Unterschied macht, ob sie sich im Eigentum des Unternehmens befinden und für Betriebszwecke besonders hergerichtet oder von einem Fremden gemietet sind (BFHE 91, 368, BStBl II 1968, 354, BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17).

Nicht jedes Grundstück ist für einen Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage. Aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist zu entnehmen, daß ein Grundstück nur dann eine wesentliche Betriebsgrundlage ist, wenn es für die Bedürfnisse der Betriebsgesellschaft besonders gestaltet worden ist (vgl. für die ältere Rechtsprechung BFHE 91, 368, BStBl II 1968, 354, und für die jüngere Rechtsprechung die Urteile vom 25. Juli 1968 IV R 261/66, BFHE 93, 82, BStBl II 1968, 677: Hotelgebäude und Hühnerfarm; in BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17, und BFHE 98, 450, BStBl II 1970, 395: Grundbesitz eines Kaufhausunternehmens; in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63: Fabrik- und Bürogrundstück; vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686: Grundbesitz eines Fabrikationsbetriebes; in BFHE 112, 391, BStBl II 1974, 613: Rohbaukörper eines Hotels mit Tiefgarage und Tankstelle; in BFHE 114, 85, BStBl II 1975, 232: Hotelgrundstück; in BFHE 127, 214, BStBl II 1979, 366: Kaufhausgrundstück; in BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39: Grundbesitz und Heimgebäude eines Kurheimbetriebs). Hingegen ist in dem Urteil in BFHE 100, 411, BStBl II 1971, 61 ein Grundstück, in dem ein Verlagsunternehmen betrieben wurde, nicht als wesentliche Betriebsgrundlage angesehen worden, weil der Betrieb des Verlagsunternehmens keine besonderen Anforderungen an das von ihm benutzte Gebäude stellte.

Ob ein angemietetes Grundstück, das nach den Bedürfnissen der Betriebsgesellschaft ausgestaltet ist, auch dann eine wesentliche Betriebsgrundlage bildet, wenn es im Verhältnis zu dem übrigen von der Betriebsgesellschaft genutzten Grundbesitz von geringer Bedeutung ist, hat der BFH bisher noch nicht entschieden. Aus dem Urteil in BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17 ist zu entnehmen, daß die Betriebsgesellschaft (Kaufhausunternehmen) in den von dem Besitzunternehmen angemieteten Gebäuden in den Streitjahren zwischen 45,6 und 49,5 v. H. ihres Gesamtumsatzes erzielte, während die übrigen Umsätze in Filialen erzielt wurden, die in von Fremden gemieteten oder der Betriebsgesellschaft gehörenden Gebäuden untergebracht waren. Der I. Senat hat auch in diesem Fall für möglich erachtet, daß die von dem Besitzunternehmen angemieteten Grundstücke eine wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft waren.

b) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist ein Grundstück dann keine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es für die Betriebsgesellschaft von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist. Denn in einem solchen Fall kann die Besitzgesellschaft oder ihre Gesellschafter keinen beherrschenden Einfluß auf die Betriebsgesellschaft ausüben. Dabei wird bei in gleicher Weise genutzten Grundstücken regelmäßig von der Grundstücksgröße auszugehen sein. Bei unterschiedlicher Art der Grundstücksnutzung, z. B. Nutzung zu Fabrikationszwecken, Lager- oder Verwaltungszwecken wird auch die Art der Benutzung zu berücksichtigen sein. So kommt z. B. bei einem Fabrikationsbetrieb den zu Fabrikationszwecken genutzten Grundstücken im Einzelfall möglicherweise eine größere Bedeutung für das Betriebsunternehmen zu als Grundstücken, die nur zu Lager- oder Verwaltungszwecken genutzt werden.

5. a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; denn es hat angenommen, einer Betriebsgesellschaft sei eine wesentliche Betriebsgrundlage schon dann überlassen, "wenn ihr ein bebautes Grundstück zur gewerblichen Nutzung vermietet worden ist und es sich nicht um eine büromäßige Nutzung von insgesamt untergeordneter Bedeutung handelt". Das ist, wie die Ausführungen unter 2. ergeben, nicht zutreffend. Nicht nur Bürogrundstücke, sondern auch Fabrikationsgrundstücke sind keine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn sie nicht für die Bedürfnisse der Betriebsgesellschaft besonders gestaltet sind und es keinen deutlichen Unterschied macht, ob die Grundstücke im Eigentum der Betriebsgesellschaft oder eines Fremden stehen. Ein Unterschied zwischen Bürogrundstücken und Fabrikationsgrundstücken besteht lediglich darin, daß Fabrikationsgrundstücke eher den betrieblichen Bedürfnissen einer Betriebsgesellschaft angepaßt sein müssen als Bürogrundstücke.

b) Das FG weist zwar in seinem Urteil darauf hin, daß es sich zur Annahme einer sachlichen Verflechtung um Anlagegüter handeln müsse, die für die Betriebsführung der Betriebsgesellschaft von besonderer Wichtigkeit sind und bei denen es wirtschaftlich einen eindeutigen Unterschied ausmache, ob sie sich im Eigenbesitz des Unternehmens befinden oder von einem fremden Eigentümer gemietet oder gepachtet seien. Es hat die zur Bejahung dieser Voraussetzungen erforderlichen Tatsachen jedoch nicht festgestellt. Allein der vom FG festgestellte Umstand, daß die an die Betriebsgesellschaft vermieteten Gebäude nach einem Plan des Klägers, also des Besitzunternehmers errichtet worden sind, reicht dazu nicht aus.

6. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen nachholen müssen. Sollte das FG - ggf. durch eine Augenscheineinnahme - zu dem Ergebnis kommen, daß die an die A-GmbH vermieteten Gebäude nicht nach den Bedürfnissen der A-GmbH gestaltet worden sind oder daß - was aus der Vorentscheidung nicht entnommen werden kann - die A-GmbH ihren Betrieb auch auf nicht vom Kläger gemieteten Grundstücken betreibt, denen gegenüber die vom Kläger angemieteten Grundstücke von geringer wirtschaftlicher Bedeutung sind, so liegt keine sachliche Verflechtung als Merkmal einer Betriebsaufspaltung vor.