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BFH-Urteil vom 29.11.1984 (IV R 258/82) BStBl. 1986 II S. 431

Die nach § 161 Abs. 1 AO für einen gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb begründete Buchführungspflicht endet auch dann mit Ablauf des Pachtverhältnisses, wenn der Land- und Forstwirt anschließend einen anderen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb pachtet. Für den neugepachteten Betrieb wird eine Buchführungspflicht erst begründet, wenn für ihn die Voraussetzungen des § 161 Abs. 1 AO bzw. § 141 Abs. 1 und Abs. 2 AO 1977 erfüllt werden.

AO § 161 Abs. 1; AO 1977 § 141.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewirtschaftete als Landwirt zunächst gemeinsam mit seinem Bruder und nach dessen Tod im Jahre 1969 allein einen gepachteten Hof in A. Dieser Hof war mit einer Größe von etwa 51 ha überwiegend ein Weidebetrieb mit Viehzucht und Milchwirtschaft. Da der Kläger keine Bücher führte, wurden die Besteuerungsgrundlagen für die Veranlagungszeiträume 1963 bis 1973 nach § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) geschätzt; dabei ergaben sich jeweils Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die die Buchführungsgrenze von 9.000 DM überstiegen.

Nach Beendigung des Pachtverhältnisses für den Betrieb in A pachteten der Kläger und seine Ehefrau am 31. Oktober 1973 zum 1. Mai 1974 den ca. 50 km entfernten Hof B. Dieser Hof war ein reiner Weidebetrieb mit einer Größe von etwa 45 ha. Der Kläger zog daraufhin unter Mitnahme des ihm gehörigen, verwendbaren lebenden und toten Inventars im Mai 1974 von A nach B um und pachtete in den Folgejahren auch weitere Flächen von anderen Verpächtern hinzu, so daß er im Wirtschaftsjahr 1976/77 etwa 60 ha und im Wirtschaftsjahr 1977/78 etwa 73 ha bewirtschaftete.

Da der Kläger auch für den Betrieb in B keine Bücher führte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Gewinne wie in den vorangegangenen Jahren. Dabei wurde der Besteuerung für den Veranlagungszeitraum 1975 ein Gewinn von 63.800 DM zugrunde gelegt.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 1975 legte der Kläger Einspruch ein und beantragte, den Gewinn nach Durchschnittsätzen zu ermitteln, weil er weder zur Buchführung aufgefordert worden sei noch einen Antrag nach § 12 Abs. 2 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL) vom 15. September 1965 (BGBl I, 1350) gestellt habe. Daraufhin ermittelte das FA nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Gewinn in Höhe von 18.133 DM und erließ am 8. Dezember 1977 einen entsprechenden Änderungsbescheid. Auch für 1976 ermittelte das FA den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft antragsgemäß nach Durchschnittsätzen und setzte gleichzeitig vierteljährliche Einkommensteuervorauszahlungen fest, beginnend mit dem 10. März 1979. Dem Vorauszahlungsbescheid vom 21. Juni 1978 lagen Gewinnschätzungen von 0 DM für das Wirtschaftsjahr 1978/79 und 59.100 DM für das Wirtschaftsjahr 1979/80 zugrunde; zur Begründung wurde dem Kläger mitgeteilt, er sei ab 1. Juli 1979 zur Führung von Büchern verpflichtet. Mit gesondertem Schreiben gleichen Datums wies das FA den Kläger und seine Ehefrau darauf hin, daß die Buchführungspflicht bestehe, weil der Einheitswert des Betriebs im Kalenderjahr 1976 die Buchführungsgrenze des § 141 der Abgabenordnung (AO 1977) überschritten habe.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg. Die Verfügung wurde aufgehoben und der Kläger mit gleicher Begründung nunmehr zum 1. Mai 1980 zur Buchführung aufgefordert. Auf Weisung der Oberfinanzdirektion (OFD) wurde auch diese Verfügung ersatzlos aufgehoben und der Kläger darauf hingewiesen, daß die einmal gegebene Buchführungspflicht durch die Verlegung des Betriebs nach S nicht erloschen sei; von einer Berichtigung der auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung beruhenden, aber bestandskräftigen Bescheide 1975 und 1976 werde jedoch abgesehen.

Das FA erließ daraufhin einen Einkommensteuerbescheid 1977, dem es geschätzte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von 85.000 DM zugrunde legte.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Zur Begründung seines klageabweisenden Urteils führte das Finanzgericht (FG) aus, die Schätzung sei zu Recht erfolgt, weil der Kläger keine Bücher geführt habe, obwohl er dazu verpflichtet gewesen sei. In der Beendigung der Pachtung des Hofes A sei keine Betriebsaufgabe, sondern eine Verlegung des Betriebs in den neugepachteten Hof B zu sehen, die die bestehende Buchführungspflicht nicht berührt habe.

Mit seiner Revision rügt der Kläger mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung des § 161 AO, des § 162 AO 1977 und des § 13a EStG. Das FG habe es unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, welche Inventarstücke des lebenden und toten Inventars tatsächlich in den neuen Betrieb übernommen worden seien und welche Bedeutung ihnen bei der Bewirtschaftung des Hofes in B zugekommen sei.

Von einem Übergang der Buchführungspflicht könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil es sich bei dem Hof B nicht um den gleichen Betrieb des Klägers gehandelt habe. Der Grund und Boden und die Wirtschaftsgebäude seien als entscheidende Betriebsgrundlage ausgetauscht worden, so daß zumindest von einer Betriebsaufgabe und einer Neugründung i. S. des § 161 AO auszugehen sei. Dies folge auch aus der Entfernung beider Betriebe voneinander. Allein aus der Überführung von Wirtschaftsgütern mit stillen Reserven aus dem bisherigen Betrieb könne nicht auf eine Fortführung des alten Betriebs geschlossen werden, da die Überführung einzelner Wirtschaftsgüter in einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen ohne Aufdeckung stiller Reserven stets möglich sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. In Übereinstimmung mit den Beteiligten ist das FG zwar zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger mit seinem Betrieb in A seit Jahren gemäß § 161 AO buchführungspflichtig war; es hat jedoch zu Unrecht entschieden, daß diese Buchführungspflicht auch nach Beendigung des Pachtverhältnisses in A für den neugepachteten Betrieb in B fortbestanden hat. Bei Pachtende ist die auf § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e AO beruhende Verpflichtung zur Führung von Büchern vielmehr erloschen. Solange der Kläger mit seinem Pachtbetrieb in B nicht erneut die Voraussetzungen des § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, c oder e AO bzw. des § 141 Abs. 1 Nrn. 1, 3 oder 5 AO 1977 erfüllt hat, waren seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für den streitigen Zeitraum nach Durchschnittsätzen zu ermitteln. Das FA war daher nicht befugt, die für das Streitjahr 1977 maßgebenden Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft in Anlehnung an den Betriebsvermögensvergleich zu schätzen. Diese Gewinne sind vielmehr nach § 13 a EStG zu ermitteln, den das FA bereits für die beiden dem Streitjahr vorangegangenen Jahre 1975 und 1976 zutreffend angewendet hat.

2. Die auf § 161 Abs. 1 AO beruhende Verpflichtung eines Land- und Forstwirts zur Buchführung erlischt auch mit der Beendigung des Betriebs, also unter anderem dann, wenn der Landwirt seinen einzigen Betrieb aufgibt, veräußert oder abwickelt. Anders als im Falle des Unterschreitens der in § 161 Abs. 1 Nr. 1 a, c oder e AO aufgeführten Buchführungsgrenzen bedarf es hierzu weder einer ausdrücklichen Regelung noch einer besonderen Mitteilung durch die Finanzbehörde (vgl. dazu § 1 Abs. 3 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 - LwBuchfV -, RStBl 1935, 955). Dies ergibt sich im Umkehrschluß aus § 161 Abs. 1 AO, wonach "Unternehmer und Unternehmen zur Führung von Büchern oder Aufzeichnungen" verpflichtet sind.

Für den Pächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs liegt nach Auffassung des Senats auch dann eine Beendigung des Betriebs mit den oben genannten Folgen vor, wenn das Pachtverhältnis hinsichtlich dieses Betriebs ausläuft, ohne erneuert zu werden. Die einmal begründete Buchführungspflicht erlischt dann ungeachtet des Umstandes, daß der Pächter alsbald einen anderen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb pachtet, um dort seine bisherige Betätigung mit seinem eigenen lebenden und toten Inventar fortzusetzen. Dieser Vorgang ist zwar keine Betriebsaufgabe i .S. der §§ 14, 16 Abs. 3 EStG. Entgegen der Auffassung des FG ist jedoch die Frage nach der Beendigung eines Betriebs im Zusammenhang mit dem Erlöschen der Buchführungspflicht im Rahmen des § 161 AO und der LwBuchfV nicht nach den gleichen Voraussetzungen zu lösen, die einkommensteuerrechtlich für die Besteuerung der im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven im Rahmen der §§ 14, 16 EStG entscheidend sind. Ob die Voraussetzungen für die Beendigung eines Betriebs vorliegen, kann nur nach dem jeweiligen Zweck der maßgebenden Vorschriften beantwortet werden. Dementsprechend ist auch die Frage nach dem Fortbestand der Buchführungspflicht bei Veränderungen im betrieblichen Bereich durch eine dem Sinn und Zweck des § 161 AO entsprechende Auslegung zu entscheiden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Februar 1978 IV R 166/77, BFHE 125, 1, BStBl II 1978, 477).

3. Nach § 161 AO sollten, ebenso wie nach § 141 AO 1977, nur diejenigen Unternehmer zur Buchführung verpflichtet sein, deren Betriebe eine gewisse Größe aufwiesen, die wiederum nach den drei Größenmerkmalen Umsatz, Vermögen und Gewinn zu bestimmen war. Diese Größenmerkmale stehen in einer Beziehung zur Ertragskraft des Betriebs, die unmittelbar durch den Gewinn und mittelbar durch Umsatz und Vermögen gekennzeichnet ist (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1979 IV R 32/79, BFHE 129, 368, BStBl II 1980, 423). Entscheidende Sachgrundlage aber für die Ertragskraft eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ist der bewirtschaftete Grund und Boden, unabhängig davon, ob sich dieser im Eigentum des Land- und Forstwirts befindet oder ob es sich um gepachtete Flächen handelt. Darin unterscheidet sich der Land- und Forstwirt wesentlich vom Gewerbetreibenden oder selbständig Tätigen.

Diese Sonderstellung nimmt der Grund und Boden in der Land- und Forstwirtschaft unabhängig von der Art seiner Nutzung ein. Er ist daher auch für einen Weidebetrieb die wesentliche, nicht austauschbare Ertragsgrundlage, von der die Buchführungspflicht letztlich abhängt. Entfällt diese Sachgrundlage der Buchführungspflicht, wie etwa im Streitfall durch Rückgabe an den Verpächter nach Ablauf des Pachtverhältnisses, so ist diese betriebliche Tätigkeit beendet und die durch sie begründete Buchführungspflicht erloschen. Andererseits besteht die Buchführungspflicht trotz Veränderungen im betrieblichen Bereich fort, wenn der gleiche Grund und Boden als Ertragsgrundlage weiterhin genutzt wird. So ist der Senat vom Fortbestand der nach § 161 AO begründeten Buchführungspflicht ausgegangen, obwohl der landwirtschaftliche Betrieb dergestalt von einer Personengesellschaft übernommen wurde, daß der bisherige Betriebsinhaber seinen Sohn an dem sonst unveränderten Betrieb beteiligte (BFHE 125, 1, BStBl II 1978, 477). Im Anschluß daran hat der Senat ferner ein Fortbestehen der Buchführungspflicht auch für den Fall angenommen, daß der in gemeinschaftlichem Eigentum von Eheleuten stehende Hof der Ehefrau zu Alleineigentum übertragen wurde (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1981 IV R 132/79, BFHE 134, 319, BStBl II 1982, 123).

4. Dem durch Auslegung des § 161 AO gewonnenen Gedanken einer Verknüpfung der Buchführungspflicht mit der Ertragsgrundlage des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, dem Grund und Boden, ohne Rücksicht darauf, ob der Betriebsinhaber dessen Eigentümer ist, hat der Gesetzgeber in § 141 AO 1977 Rechnung getragen und die Vorschrift betriebsbezogen ausgestaltet. So ist bei Anwendung der Vermögensgrenze des § 141 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juni 1980 (BGBl I 1980, 732, BStBl I 1980, 395) der Wirtschaftswert aller vom Land- und Forstwirt selbst bewirtschafteten Flächen maßgebend. Im Gegensatz zur alten Rechtslage (vgl. dazu BFHE 129, 368, BStBl II 1980, 423) werden daher auch hinzugepachtete Flächen bei der Vermögensgrenze berücksichtigt und damit als Ertragsgrundlage des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anerkannt. Dem entspricht der als Folge der Betriebsbezogenheit der Buchführungspflicht in § 141 Abs. 3 AO 1977 n.F. vorgesehene Übergang dieser Verpflichtung auf den Rechtsnachfolger oder Nutzungsberechtigten, namentlich den Pächter. Geht daher der Gesetzgeber in § 141 AO 1977 von einem Fortbestehen der mit der Ertragsgrundlage des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs verknüpften Buchführungspflicht aus, obwohl ein Unternehmerwechsel eingetreten ist, so folgt daraus im Umkehrschluß, daß beim Fortfall der Ertragsgrundlage auch die Buchführungspflicht erlischt.

Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat - wie ausgeführt - auch für die alte Rechtslage durch Auslegung des § 161 AO. Für den neugepachteten Betrieb des Klägers in B wird daher erneut eine Buchführungspflicht erst begründet, wenn die Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 Nrn. 1, 3 oder 5 AO 1977 erfüllt sind und die nach § 141 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 erforderliche Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht dem Kläger bekanntgegeben ist. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die nach dem Erlöschen der Buchführungspflicht in dem neugepachteten Betrieb erzielten Gewinne nach § 13 a EStG zu ermitteln.

5. Die Vorentscheidung, die mit den dargelegten Grundsätzen nicht übereinstimmt, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die für das Streitjahr maßgebenden Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 1976/77 und 1977/78 sind daher antragsgemäß nach § 13a EStG zu ermitteln.

Die Ermittlung dieser Gewinne und die Berechnung der danach festzusetzenden Einkommensteuer für das Jahr 1977 wird dem FA übertragen (Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978, BGBl I, 446).