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BFH-Urteil vom 6.2.1986 (IV R 311/84) BStBl. 1986 II S. 455

Auch ohne zivilrechtliches Gesellschaftsverhältnis können Eheleute, die gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb (Blumengärtnerei) als Miteigentümer nach Bruchteilen erwerben, aufgrund dieses Gemeinschaftsverhältnisses als Mitunternehmer anzusehen sein (Anschluß an den Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

EStG §§ 13, 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Für die Veranlagungszeiträume 1976 bis 1980 ist streitig, ob eine 1956 erworbene Gärtnerei von den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) als Mitunternehmer oder vom Kläger (Ehemann) als Alleinunternehmer betrieben wurde.

Die heimatvertriebenen Kläger erwarben durch Siedlungskaufvertrag vom 30. April 1956 eine damals 1,7173 ha große gärtnerisch genutzte Fläche mit Gebäuden und Gewächshäusern, "sowie sämtlichen wesentlichen Bestandteilen der Grundstücke einschließlich Zubehörungen" für 58.700 DM zu jeweils hälftigem Miteigentum. Mit dem Kaufvertrag wurde eine Siedlerstelle i. S. des Reichssiedlungsgesetzes (RSiedlG) begründet. Durch Nachtragsvertrag vom 12. Januar 1957 übernahm die Deutsche Siedlungsbank die Verpflichtung zur Zahlung der Kaufpreisrente an den Verkäufer. Die Kläger haben nach Aufgabe der Gärtnerei die Grundstücke im Jahre 1982 für rund 2,5 Mio. DM verkauft.

Seit dem Erwerb führte der Ehemann die Gärtnerei nach außen hin unter seinem Namen. Er erstellte Bilanzen, in denen er den gesamten Grund und Boden und die gärtnerisch genutzten Gebäude als Sachanlage auswies. Die Klägerin half in dem Betrieb nach ihrem Vortrag nur als Aushilfe mit. Sie erledigte Reinigungsarbeiten oder Telefondienste und erhielt dafür eine monatliche Pauschalentlohnung von 390 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat den Ehemann zunächst in den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden für 1976 bis 1978 als Alleinunternehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (Gärtnerei) angesehen. Nach einer Betriebsprüfung erließ das FA für die Streitjahre den angefochtenen Sammelfeststellungsbescheid, in dem es den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft gesondert feststellte und den Klägern zu je 1/2 zurechnete.

Nach erfolglosem Einspruch wandten sich die Kläger mit der Klage gegen den Sammelfeststellungsbescheid mit der Begründung, der Ehemann habe die Gärtnerei als Alleinunternehmer betrieben. Die Klägerin sei nicht Mitunternehmerin.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision tragen die Kläger vor, das Motiv ihrer Klage liege darin, daß der Ehemann seinen Gärtnereibetrieb zum 30. Juni 1982 aufgegeben habe und die Kläger die ihnen gehörenden Grundstücke veräußert hätten. Deshalb sei die Frage, ob der der Klägerin gehörende hälftige Miteigentumsanteil von den Grundstücken ihrem Privatvermögen oder dem gemeinsamen Betriebsvermögen zuzurechnen sei, von erheblicher steuerlicher Auswirkung.

Das FG berufe sich in seiner Urteilsbegründung im wesentlichen auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Oktober 1982 IV R 186/79 (BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73) und vom 30. Juni 1983 IV R 206/80 (BFHE 138, 561, BStBl II 1983, 636).

Diese Urteile, die sowohl in ihrem Ergebnis als auch in der Begründung von der Revision nicht in Frage gestellt werden sollen, seien auf den Streitfall nicht anwendbar. Sie träfen nur für eine Landwirtschaft im engeren Sinne zu, bei der der landwirtschaftlich genutzte Grund und Boden die wesentliche Betriebsgrundlage sei. Im Streitfall ginge es jedoch um einen Gärtnereibetrieb, der auf einer relativ kleinen landwirtschaftlichen Fläche betrieben worden sei. Das gesamte Grundstück sei, abgesehen von einem Wohnhaus, mit Gewächshäusern bebaut worden, die nur zu einem geringen Teil beim Erwerb des Grund und Bodens im Jahre 1956 bereits vorhanden gewesen seien. Es handle sich hierbei um moderne Gewächshäuser mit Klimatisierung und automatischer Bewässerungsanlage. Wesentliche Grundlage der Gärtnerei seien deshalb die Gewächshäuser gewesen und nicht der gemeinschaftlich erworbene Grund und Boden, da dieser für die Fruchtziehung nicht benötigt worden sei. Die Gewächshäuser hätten ebenso an irgendeiner anderen Stelle errichtet werden können. Zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer dieser Gewächshäuser, die gemäß § 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht Bestandteile der Grundstücke geworden seien, sei allein der Kläger gewesen.

Die Kläger beantragen, die angefochtene Entscheidung des FG und den aufgrund der Betriebsprüfung erlassenen Sammelfeststellungsbescheid für 1976 bis 1980 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 1983 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach der Rechtsprechung des Senats begründen Landwirtseheleute steuerlich eine Mitunternehmerschaft, wenn sie im Rahmen eines Siedlungsverfahrens vom Staat einen landwirtschaftlichen Hof je zur Hälfte als Miteigentümer zu Bruchteilen erwerben, für den erhaltenen Siedlungskredit als Gesamtschuldner haften und die zum Hof gehörende Landwirtschaft in der Weise betreiben, daß der Ehemann den Betrieb führt und die Ehefrau im Betrieb mitarbeitet, falls sie nicht aufgrund steuerlich anzuerkennender Verträge, z. B. eines Pachtvertrages, unter sich oder mit Dritten die Nutzung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes einer Ehehälfte oder Dritten überlassen (vgl. Urteile in BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73, und in BFHE 138, 561, BStBl II 1983, 636). Zur Begründung dieser Auffassung ist in den genannten Entscheidungen ausgeführt, daß ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, der auf die Nutzung des Grund und Bodens durch Fruchtziehung gerichtet ist, auf Rechnung und Gefahr dessen geht, dem die Nutzungen dieses der Land- und Forstwirtschaft dienenden Vermögens durch Verwertung der Früchte zustehen; denn auf dessen Risiko wird die Landwirtschaft betrieben. In der Regel ist das der Eigentümer des landwirtschaftlichen Grundbesitzes, falls er nicht aufgrund steuerrechtlich anzuerkennender Rechtsbeziehungen die Nutzungen dieses Vermögens einem anderen überlassen oder mit einem anderen teilen muß. Besteht kein Vertragsverhältnis, nach dem ein anderer als der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes berechtigt oder mitberechtigt ist, die Nutzungen des der Landwirtschaft dienenden Grund und Bodens zu ziehen, so sind dem Eigentümer allein die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen, auch wenn er den Betrieb nicht selbst führt, sondern durch einen anderen führen läßt. Daraus ergibt sich, daß dann, wenn der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitz den Eheleuten gemeinsam gehört, z. B. aufgrund einer bestehenden ehelichen Gütergemeinschaft oder aufgrund einer Bruchteilsgemeinschaft, und die Eheleute in der Landwirtschaft gemeinsam arbeiten, eine Mitunternehmerschaft zu bejahen ist, ohne daß Vereinbarungen über ein Gesellschaftsverhältnis vorliegen müssen. Die Mitunternehmerschaft beruht hier nicht auf einem zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnis, sondern auf einem wirtschaftlich vergleichbaren zivilrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis, das zwischen den Eheleuten aufgrund des gemeinsamen Einsatzes und der gemeinsamen Bearbeitung ihres beiderseitigen landwirtschaftlichen Grundvermögens zum Zwecke der gemeinsamen Erzielung von Gewinn besteht. Hierin ist keine faktische Mitunternehmerschaft zu erblicken. Diese Rechtsprechung des Senats hat durch die Entscheidung des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 439, BStBl II 1984, 751) eine Bestätigung erfahren. Der Große Senat führt dort aus, daß es Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erlauben, "als Mitunternehmer auch solche Personen anzusehen, die nicht in einem zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnis einer Außen- oder Innengesellschaft, sondern in einem wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnis zueinander stehen. In Betracht kommen hierfür z. B. Gesamthandsgemeinschaften in der Form von Erben- oder Gütergemeinschaften sowie Bruchteilsgemeinschaften." Auch im Streitfall haben die Kläger als Eheleute im Rahmen eines Siedlungsverfahrens den gesamten Grund und Boden einer Gärtnerei, die der Landwirtschaft zuzurechnen ist, zu Miteigentum nach Bruchteilen erworben und als Gesamtschuldner einen Siedlerkredit zur Bezahlung des Kaufpreises erhalten. Irgendwelche vertraglichen Vereinbarungen darüber, daß der Ehemann allein der Nutzungsberechtigte und damit alleiniger Betriebsinhaber sein sollte, bestanden nach den eigenen Erklärungen der Kläger nicht.

Der Einwand der Kläger gegen die Annahme einer Mitunternehmerschaft im obigen Sinne, die angeführte Rechtsprechung des BFH sei auf den Betrieb einer Blumengärtnerei nicht anwendbar, weil in ihr der Grund und Boden nicht die überragende Rolle als wesentliche Betriebsgrundlage spiele wie in einer normalen Landwirtschaft, sondern die Glashäuser, deren Eigentümer der Ehemann allein gewesen sei, könnte prüfenswert sein, wenn es richtig wäre, daß die Kläger im Jahre 1956 im Rahmen des Siedlungsverfahrens zu Miteigentum nach Bruchteilen nur den Grund und Boden einer Blumengärtnerei erworben haben, und außerdem davon auszugehen wäre, daß die Glashäuser der Gärtnerei als die wesentliche Betriebsgrundlage Alleineigentum des Ehemanns gewesen sind. Keines von beiden trifft jedoch zu.

Die Kläger haben 1956 zu Miteigentum nach Bruchteilen nicht nur den Grund und Boden einer eingerichteten Gärtnerei gemeinsam erworben, sondern neben dem Grund und Boden auch die Gebäude, Glashäuser, die sonstigen Anlagen der Gärtnerei, z. B. die Wasserleitungsanlagen und die Beheizungsanlage, und das gesamte vorhandene Inventar. Sie wurden also nicht nur gemeinsam Miteigentümer des Grund und Bodens der Gärtnerei, sondern des gesamten vorhandenen Betriebsvermögens des gärtnerischen Betriebes. Da die Kläger auch Gesamtschuldner des zur Bezahlung des Kaufpreises aufgenommenen Siedlerkredits wurden, haben sie gemeinsam das gesamte Betriebsrisiko übernommen.

An ihrer Mitunternehmerschaft nach der Übernahme des Betriebes im Jahre 1956 können danach keine Zweifel bestehen. Die Mitunternehmerschaft beruht hier nicht nur auf dem gemeinsamen Miteigentum am Grund und Boden - wie in den bisher entschiedenen Fällen -, sondern auf dem Miteigentum am gesamten wesentlichen Betriebsvermögen und ihrer Gesamtschuldnerschaft hinsichtlich des erhaltenen Betriebskredits, der den Erwerb erst ermöglichte. An dieser Mitunternehmerschaft hat sich auch in den Jahren danach weder durch entsprechende Vereinbarungen noch durch Handlungen etwas geändert. Die Eigentumsverhältnisse am Betriebsvermögen haben in den späteren Jahren nicht etwa dadurch eine Änderung erfahren, daß die veralteten Gebäude, Glashäuser und Anlagen und ebenso das Inventar großenteils durch Neubauten bzw. durch Neuanschaffungen ersetzt wurden. Entgegen der Meinung der Kläger ergibt sich aus der Vorschrift des § 95 BGB keine Änderung der ursprünglichen Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der als Ersatz neuangeschafften Wirtschaftsgüter, da es sich dabei um keine Scheinbestandteile der Grundstücke bzw. der Gebäude i. S. des § 95 BGB handelt, sondern in der Hauptsache um wesentliche Bestandteile i. S. der §§ 93, 94 und 946 BGB, die in das Eigentum der Grundeigentümer übergehen, ohne daß es auf Fragen der Surrogation beim Ersatz von Anlagegütern bei einer Bruchteilsgemeinschaft als Mitunternehmerschaft ankäme (hinsichtlich der Glashäuser vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. November 1973 V ZR 1/72, Der Betrieb - DB - 1974, 88). Die Kläger haben im übrigen auch die außerhalb des Siedlungsverfahrens in späteren Jahren hinzuerworbenen Grundstücke zu Miteigentum nach Bruchteilen erworben.

Danach war der gesamte betrieblich genutzte Grund und Boden, der den Klägern zu Miteigentum nach Bruchteilen gehörte, bis zur Veräußerung Betriebsvermögen der Gärtnerei, die sie als Mitunternehmer betrieben haben. Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.