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BFH-Urteil vom 16.1.1986 (III R 116/83) BStBl. 1986 II S. 467

1. Zur Abgrenzung des Kaufs auf Probe zum Mietvertrag mit Kaufoption.

2. Ein Wirtschaftsgut ist nicht mehr neu, wenn es vom Investor zunächst gemietet und dann gekauft wird.

InvZulG 1975 § 4b.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Unternehmen für Hoch-, Tief- und Straßenbau. Am 22. März 1976 beantragte sie für die Anschaffung einer hydraulischen Portalramme die Gewährung einer Investitionszulage. Sie legte dazu eine Bestellung vom 26. Juni 1975, eine Auftragsbestätigung der Lieferfirma vom gleichen Tag sowie eine Rechnung vom 24. Oktober 1975 vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte daraufhin mit Bescheid vom 24. Mai 1976 die Zulage antragsgemäß.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß die Portalramme im Erwerbszeitpunkt nicht mehr neu gewesen sei. Die Portalramme sei von der Klägerin vor dem Kauf bereits gemietet gewesen. Das FA bezog sich dafür auf eine "Bestellung" der Klägerin vom 12. Mai 1975 und eine Auftragsbestätigung der Lieferfirma vom 21. Mai 1975. Danach wurde die Portalramme von der Klägerin auf drei Monate fest gemietet; eine Mietverlängerung war möglich. Innerhalb der ersten 60 Tage konnte die Miete auf den vollen Kaufpreis angerechnet werden. Außerdem wurde auf einen Mietvertrag Bezug genommen, in dem die Rechte und Pflichten der Klägerin als Mieterin im einzelnen geregelt sind. Die Ramme wurde von der Klägerin am 20. Mai 1975 bei der Lieferfirma abgeholt und am 26. Mai 1975 bei Kanalbauarbeiten in Betrieb genommen. Aufgrund dieses Sachverhalts erließ das FA am 21. März 1978 einen "Rückforderungsbescheid", mit dem es die Zulage zurückverlangte. Erstmals im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, daß sie von Anfang an die Absicht gehabt habe, die Portalramme zu kaufen. Sie habe sie jedoch zuvor für ihre Zwecke erproben wollen. Diesem Zweck habe der Mietvertrag gedient.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA verblieb bei seiner Auffassung, daß die Portalramme von der Klägerin zunächst gemietet und dann gekauft worden sei, so daß sie im Erwerbszeitpunkt nicht mehr neu gewesen sei.

Das Finanzgericht (FG) vernahm den Leiter der Tiefbauabteilung der Klägerin als Zeugen zu dem streitigen Geschehensablauf und wies die Klage ab. Es kam aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, daß die Klägerin die Portalramme zunächst noch nicht kaufen, sondern lediglich mieten wollte. Erst aufgrund des Einsatzes des Gerätes während der Mietzeit habe die Klägerin sich entscheiden wollen, ob sie die Maschine käuflich erwerben wollte oder nicht.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil sowie den Rückforderungsbescheid vom 21. März 1978 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FA hat die für die Portalramme gewährte Investitionszulage durch besonderen schriftlichen Bescheid zurückgefordert. Dies entsprach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten der Abgabenordnung - AO 1977 - (vgl. § 5 Abs. 5 des Investitionszulagengesetzes - InvZulG - 1975). Im Zeitpunkt der Rückforderung (Bescheid vom 21. März 1978) waren auf die Investitionszulage jedoch die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO 1977 anzuwenden (vgl. § 8 InvZulG 1977). Das bedeutet, daß das FA seinen Festsetzungsbescheid vom 24. Mai 1976 gemäß § 155 Abs. 4, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 hätte ändern müssen. Der Bescheid vom 24. Mai 1976 ist gleichwohl nicht wirksam, sondern kann gemäß § 128 AO 1977 in einen Änderungsbescheid umgedeutet werden. Denn ein solcher Änderungsbescheid wäre auf das gleiche Ziel gerichtet, er hätte vom FA in der geschehenen Verfahrensweise und Form erlassen werden können, und die Voraussetzungen für seinen Erlaß waren erfüllt. Das FA hat von dem vorangegangenen Mietvertrag erstmals durch die Betriebsprüfung Kenntnis bekommen.

2. Die Gewährung der Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 setzt u.a. voraus, daß das angeschaffte Wirtschaftsgut im Erwerbszeitpunkt neu ist. Nur dieses Tatbestandsmerkmal ist im vorliegenden Verfahren streitig. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist ein Wirtschaftsgut neu, wenn es noch ungebraucht, d.h. wenn es noch nicht in Gebrauch genommen oder sonst verwendet worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1979 III R 71/78, BFHE 127, 117, BStBl II 1979, 287).

Ein Wirtschaftsgut ist auch dann noch neu, wenn es vom Investor, bevor er seine endgültige Kaufentscheidung trifft, zum Zwecke der Erprobung auf seine technische Brauchbarkeit genutzt worden ist (vgl. Urteile des BFH vom 2. August 1966 I R 119/66, BFHE 87, 191, BStBl III 1967, 63; vom 24. Mai 1968 VI R 176/66, BFHE 92, 399, BStBl II 1968, 571; das nicht veröffentlichte Urteil des BFH vom 2. Dezember 1977 III R 144/74, sowie das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 1984 I K 42/84, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 38). Ein Investor soll nicht gezwungen sein, eine Maschine zu erwerben, deren technische Funktionsfähigkeit für den Betrieb er nicht erprobt hat. Ohne Bedeutung ist, welchen Vertragstyp die Geschäftspartner gewählt haben, um ihre Vertragsbeziehungen zu regeln. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) stellt den Kauf auf Probe oder Besicht (§ 495) zur Verfügung. Auch andere Vertragsformen sind denkbar, z.B. ein Kauf unter dem Vorbehalt des Rücktritts (§§ 433, 346 BGB). Möglich ist auch, daß für die Probezeit ein Mietvertrag abgeschlossen wird; das wird dann in Betracht kommen, wenn der Investor während dieser Zeit das Gerät bereits für seine Zwecke nutzt und dem Veräußerer ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zuzubilligen ist. Entscheidend ist immer, daß die Kaufabsicht im Vordergrund steht. Diese Voraussetzung erfüllt ein Mietvertrag mit Kaufoption nicht. Denn hier trifft der Mieter die Kaufentscheidung nicht zu Beginn des Vertragsverhältnisses, sondern erst während der Mietzeit. Die Erprobungsdauer darf im übrigen ein angemessenes zeitliches Maß nicht überschreiten. Diese Frage entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

3. Das FG hat die Vertragsbeziehungen der Klägerin mit der Lieferfirma nicht als "Kauf auf Probe", sondern als einen Mietvertrag mit Kaufoption angesehen. Diese rechtliche Würdigung ist zutreffend. Denn in der "Bestellung" vom 12. Mai 1975, der Auftragsbestätigung vom 21. Mai 1975 und in dem Mietvertrag vom 20. Mai 1975 ist mit keinem Wort von einer Kaufabsicht der Klägerin und von der Notwendigkeit einer vorherigen Erprobung der Portalramme die Rede. Vereinbart wurde seinerzeit nur eine Miete mit der Möglichkeit einer Kaufoption innerhalb von 60 Tagen. Auch die Einlassung des Zeugen kann nicht anders verstanden werden. Danach habe seitens der Klägerin die feste Absicht bestanden, die Portalramme, falls die Erprobung positiv verläuft, zu erwerben. Diese einseitige Absicht der Klägerin reicht jedoch nicht aus. Kaufabsicht und vorherige Erprobung müssen Vertragsbestandteil beider Geschäftspartner sein. Daran fehlt es hier. Daß demgegenüber der Mietvertrag im Vordergrund gestanden hat, ergibt sich daraus, daß er fortbestanden hätte, auch wenn die Klägerin schon nach wenigen Arbeitstagen festgestellt hätte, daß die Maschine nicht alle an sie geknüpften Erwartungen erfüllt. Denn der Mietvertrag war von vornherein auf drei Monate fest abgeschlossen; außerdem war eine Mietverlängerung vorgesehen. Die Frage, ob mit dem Einsatz der Porttalramme in der Zeit vom 26. Mai bis 26. Juni 1975 eine angemessene Zeitspanne für eine Erprobung noch eingehalten war, bedarf nicht mehr der Prüfung.