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BFH-Urteil vom 18.2.1986 (VII R 8/81) BStBl. 1986 II S. 506

Leitsätze (vom BMF gebildet):

1. Das Finanzamt kann mit einer Nachforderung gegenüber einem Abtretungsempfänger grundsätzlich dann nicht mehr aufrechnen, wenn die Nachforderung erst nach Kenntniserlangung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.

2. Dies gilt nicht, wenn der Abtretungsempfänger sich mit der Aufrechnung einverstanden erklärt hat. Diese Einverständniserklärung kann auch konkludent anläßlich eines Stundungsantrages des Abtretungsempfängers als Bevollmächtigtem des Abtretenden bezüglich der vom Finanzamt später in Anrechnung gebrachten Gegenforderungen abgegeben werden.

RAO § 159; AO 1977 § 46 Abs. 1, § 222, § 226; BGB § 133, § 406 2. Halbsatz.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Treuhand-GmbH, war steuerliche Beraterin der Eheleute B. Die Eheleute B traten am 12. Oktober 1973 zum Ausgleich für Honorarforderungen ihren Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuer 1973 an die Klägerin ab. Diese zeigte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die Abtretung mit Schreiben vom 4. Dezember 1973 an und beantragte, den Erstattungsbetrag an sie auszuzahlen. Mit Schreiben vom 18. April 1974 beantragte die Klägerin für die Eheleute B die zinslose Stundung der Einkommensteuerabschlußzahlungen für 1969 und 1970 in Höhe von insgesamt 34.255 DM "bis zur Aufrechnung mit den Überzahlungen 1972 und 1973, vorerst wenigstens bis 30. Juni 1974".

Den Eheleuten B stand ein Erstattungsguthaben in Höhe von ca. 69.000 DM zu. Teile hiervon verrechnete das FA mit verschiedenen Abgabenforderungen und überwies einen Teilbetrag in Höhe von 30.634,87 DM an die Klägerin. Das FA erklärte die Aufrechnung mit einem Anspruch auf die Abschlußzahlungen 1969 und 1970 von 34.255 DM gegen die Erstattungsansprüche und teilte mit Schreiben vom 26. September 1977 die gesamte Abrechnung dem für die Eheleute B inzwischen tätigen Steuerberater mit.

Am 14. November 1977 beantragte die Klägerin, den Betrag von 34.255 DM an sie auszuzahlen. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 24. November 1977 mit der Begründung ab, daß die Klägerin mit dem Stundungsantrag vom 18. April 1974 der Verrechnung der Abschlußzahlungen 1969 und 1970 mit der Überzahlung der Einkommensteuer 1973 zugestimmt habe. Auf den Einspruch der Klägerin hin erstattete das FA einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 11.605 DM. Die weitere Erstattung beruhte darauf, daß die verrechnete Abschlußzahlung 1970 aufgrund einer Berichtigungsveranlagung weggefallen war. Hinsichtlich des Restbetrags von 22.650 DM wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Das FA sei gegenüber der Klägerin zur Erstattung von 22.650 DM nicht verpflichtet, weil die Klägerin mit dem für die Eheleute B gestellten Stundungsantrag vom 18. April 1974 zugleich eine Eigenerklärung abgegeben habe. Nach dieser Erklärung habe die Klägerin den ihr abgetretenen Steuererstattungsanspruch bis zur Höhe von 34.255 DM dem FA zur Aufrechnung gegen die Abschlußzahlungen 1969 und 1970 der Eheleute B freigegeben. Die Klägerin habe ausdrücklich die - später mögliche - Aufrechnung mit den Überzahlungen als Grund für den Stundungsantrag angegeben. Hieraus habe das FA entnehmen müssen, daß die Klägerin als Neugläubigerin mit dieser Aufrechnung in der Höhe der Abschlußzahlung einverstanden und das Guthaben der Eheleute B noch in ausreichender Höhe vorhanden gewesen sei. Der Wille der Klägerin, auch im eigenen Namen zu handeln, ergebe sich daraus, daß sie dem FA einen Anspruch zur Aufrechnung zur Verfügung gestellt habe, dessen Erwerb durch Abtretung sie zuvor mitgeteilt habe. Daraus habe das FA nur den Schluß ziehen können, daß die Klägerin über ihre Rechte zugunsten des FA im Interesse der Eheleute B habe verfügen wollen. Dem Stundungsantrag sei nicht zu entnehmen, daß dem FA nur der Teilbetrag des Erstattungsguthabens habe zur Verfügung stehen sollen, der nach der Befriedigung der Klägerin mit ihren eigenen Ansprüchen an die Eheleute B - also letztlich überhaupt nichts - übriggeblieben wäre. Ein derartiger Vorbehalt sei für die Auslegung des Schreibens vom 18. April 1974 ohne Bedeutung, da er für das FA nicht erkennbar geäußert worden sei.

Die Stundung eines Steueranspruchs sei nach § 222 der Abgabenordnung (AO 1977) nur zulässig, wenn der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheine. Dies habe das FA nur bejahen können, wenn die Aufrechnung mit den Überzahlungen in Betracht gekommen sei. Hierüber habe sich die Klägerin im klaren sein müssen, da sie selbst auf die fehlenden Mittel ihrer Mandantschaft in dem Stundungsantrag hingewiesen habe. Bei den gegebenen Verhältnissen habe die zu stundende Forderung nur durch die von der Klägerin in Aussicht gestellte Aufrechnung gesichert werden können; eine andere Sicherstellung habe die Klägerin nicht angeboten.

Die Klägerin macht zur Begründung der Revision im wesentlichen folgendes geltend: Entgegen der Behauptung des FA sei kein Verrechnungsvertrag geschlossen worden. In dem Stundungsantrag vom 18. April 1974 liege keine Zustimmung zur Verrechnung seitens der Klägerin. Gegenstand dieser Willenserklärung der Klägerin - sei es für die Eheleute B oder im eigenen Namen - seien einerseits eine fällige Schuld der Eheleute B (Einkommensteuernachzahlung 1969 It. Bescheid vom 5. Februar 1974, fällig am 8. März 1974 in Höhe von 34.255 DM) und andererseits noch nicht fällige Ansprüche aus den zu erwartenden Überzahlungen 1972 und 1973 gewesen. Mit Bescheid vom 8. Januar 1974 habe das FA dem im Auftrag der Eheleute B gestellten Antrag der Klägerin entsprochen, die Vorauszahlungen auf Einkommensteuer, Ergänzungsabgabe und Kirchensteuer für 1973 auf null DM festzusetzen. Die geleisteten Vorauszahlungen seien somit am 9. Januar 1974 in Höhe von 66.820 DM zur Erstattung fällig gewesen. Am 18. April 1974 habe deshalb ein bereits fälliger Erstattungsanspruch vorgelegen, der deutlich höher als 34.255 DM gewesen sei und der sofort habe verrechnet werden können, wenn eine Verrechnung im Sinne eines Verrechnungsvertrages beabsichtigt gewesen wäre. Ein Stundungsantrag sei dann überhaupt nicht erforderlich gewesen. Daß ein solcher Antrag gleichwohl gestellt und mit künftig zu erwartenden Überzahlungen 1972 und 1973 unter Hinweis auf noch zu erstellende Steuererklärungen begründet worden sei, zeige eindeutig, daß nicht über die seit dem 9. Januar 1974 fällige Überzahlung aus den Vorauszahlungen I - III/73 habe verfügt werden sollen oder verfügt worden sei.

Die gewährte Stundung zeige, daß sich nach den Vorstellungen des FA die Verrechnungsmöglichkeit nur auf die erst nach Veranlagung fällig werdenden Einkommensteuer-Jahresüberzahlungen 1972 und 1973 habe beziehen können. Die Rechtswirksamkeit der Aufrechnung scheitere auch daran, daß es an einer eindeutigen Erklärung des FA im Jahre 1974 fehle. Die ausgesprochenen Stundungen bewiesen, daß kein Angebot zum Abschluß eines Aufrechnungsvertrages vorgelegen habe und daß das FA das Schreiben vom 18. April 1974 auch nicht so aufgefaßt habe. Nach der Interessenlage liege es auf der Hand, daß eine Zustimmung zur Verrechnung von Ansprüchen eines anderen Gläubigers nur dann habe erwartet werden können, wenn die eigenen Ansprüche der Klägerin im wesentlichen befriedigt gewesen seien. Dies sei am 18. April 1974 nicht der Fall gewesen, weil das FA trotz der seit 8. Januar 1974 fälligen Ansprüche der Klägerin keinerlei Zahlungen geleistet habe. Aus der Interessenlage folge weiter, daß nicht die bereits fälligen, sondern die zuletzt fällig werdenden Überzahlungen (Einkommensteuerüberzahlungen 1972 und 1973) allenfalls für eine Freigabe nach Abschluß und Abrechnung der hierfür erforderlichen Bilanzierungsarbeiten hätten in Frage stehen können. Dies sei dem FA aus den Umständen erkennbar gewesen. Die Verweigerung einer Stundung habe die Ansprüche des FA nicht verbessern können, da bereits am 28. Januar 1974 der Konkurs über das Vermögen der Firma B KG eröffnet worden sei.

Die Klägerin beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 1978 und die Vorentscheidung aufzuheben und den Beklagten zur Auszahlung des Restbetrages von 22.650 DM aus abgetretener Überzahlung von Einkommensteuer-, Ergänzungsabgabe-, Kirchensteuer- und Stabilitätszuschlags-Vorauszahlungen 1973 zu verurteilen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß das FA gegenüber der Klägerin nicht zur Erstattung von 22.650 DM verpflichtet ist. Die Klägerin hat zwar aufgrund der Abtretung durch die Eheleute B eine Forderung in dieser Höhe gegen das FA erlangt. Die Forderung ist aber dadurch erloschen, daß das FA gegen sie mit seiner Forderung auf die Abschlußzahlungen 1969 und 1970 wirksam aufgerechnet hat.

1. Ansprüche auf Erstattung von Steuern konnten auch nach den im Streitfall insoweit noch anwendbaren Vorschriften der Reichsabgabenordnung - AO - (§ 159) abgetreten werden (vgl. jetzt § 46 Abs. 1 AO 1977). Nach den Feststellungen des FG haben die Eheleute B ihren Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuer 1973 rechtswirksam abgetreten (Abtretungserklärung vom 12. Oktober 1973 - Abtretungsanzeige an das FA vom 4. Dezember 1973).

Hat die Finanzbehörde gegenüber dem Altgläubiger und Zedenten ihrerseits noch einen Anspruch, so kann sie grundsätzlich mit diesem Anspruch auch gegenüber dem Neugläubiger die Aufrechnung erklären (§ 406 1. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Dem Schuldner des Erstattungsanspruchs wird also durch die Abtretung dieses Anspruchs an den Neugläubiger die im Zeitpunkt der Abtretung bestehende Möglichkeit der Aufrechnung grundsätzlich nicht genommen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 226 AO 1977 Tz. 10; Urteil des erkennenden Senats vom 10. Februar 1976 VII R 37/72, BFHE 118, 526, BStBl II 1976, 549, 551). Der Schuldner hat aber gegenüber dem Neugläubiger dann keine Aufrechnungsmöglichkeit, wenn er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder wenn die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist (§ 406 2. Halbsatz BGB). Im Streitfall erhielt das FA von der Abtretung des Erstattungsanspruchs an die Klägerin Kenntnis durch die Anzeige vom 4. Dezember 1973. Wie sich aus der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 1978 ergibt, erließ die Finanzbehörde erst später, also nach Erlangung dieser Kenntnis, am 5. Februar 1974 abgerechnete Bescheide über ihre (Gegen-)Forderung auf die Abschlußzahlungen 1969 und 1970 in Höhe von insgesamt 34.255 DM. Bereits vorher, nachdem die Vorauszahlungen für 1973 durch Bescheid vom 8. Januar 1974 auf null DM festgesetzt worden waren, hatte sich das abgetretene Erstattungsguthaben in Höhe von 66.820 DM ergeben. Die Steuerforderung (Gegenforderung) des FA, mit der es gegen den abgetretenen Erstattungsanspruch aufgerechnet hat, ist somit erst nach Erlangung der Kenntnis von dieser Abtretung und später als die abgetretene Forderung (Hauptforderung) fällig geworden. Daher stand der Aufrechnung des FA mit der ihm gegen die Eheleute B zustehenden Forderung auf die Abschlußzahlungen 1969 und 1970 der Ausnahmetatbestand des § 406 2. Halbsatz 2. Alternative BGB entgegen.

2. Das FA konnte aber, wie das FG zu Recht entschieden hat, mit seiner Forderung auf die Abschlußzahlungen 1969 und 1970 gegen den an die Klägerin abgetretenen Erstattungsanspruch deshalb wirksam aufrechnen, weil sich die Klägerin mit der Aufrechnung einverstanden erklärt hatte. Diese Einverständniserklärung war nach der zutreffenden Würdigung des FG in dem Stundungsantrag der Klägerin vom 18. April 1974 enthalten.

a) Der Antrag vom 18. April 1974 war vom FG unter Beachtung der Vorschriften auszulegen, die für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen gelten. Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist deren objektiver Erklärungswert maßgebend (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 45. Aufl., § 133 Anm. 4b). Es ist also zu prüfen, wie der Empfänger einer Willenserklärung diese Erklärung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstehen mußte (vgl. §§ 133, 157, 242 BGB). Daraus folgt, daß es im Streitfall auf die Interessenlage der Klägerin (zuerst Befriedigung der eigenen Honoraransprüche), soweit diese nicht zum Ausdruck gekommen ist, nicht ankommt. Das FG hat den Stundungsantrag vom 18. April 1974 - als Eigenerklärung der Klägerin - dahin ausgelegt, daß die Klägerin als Neugläubigerin mit der Aufrechnung in Höhe der Abschlußzahlungen einverstanden gewesen sei und daß das Guthaben der Eheleute B für die Befriedigung der Klägerin noch ausgereicht habe. Nach Ansicht des FG ergab sich - unter Berücksichtigung von Treu und Glauben - der Wille der Klägerin, auch im eigenen Namen zu handeln, daraus, daß die Klägerin dem FA einen Anspruch zur Aufrechnung zur Verfügung stellte, dessen Erwerb durch Abtretung sie ihm zuvor mitgeteilt hatte. Diese Auslegung läßt keinen Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln erkennen. Die vom FG angestellten Erwägungen erlauben in rechtlich einwandfreier Weise die Schlußfolgerung, daß die Klägerin mit ihrer Erklärung im Stundungsantrag vom 18. April 1974 einen Antrag auf Abschluß eines Verrechnungsvertrages abgegeben hat, den das FA konkludent durch die tatsächlich vorgenommene Aufrechnung angenommen hat.

Die gegen diese Auslegung ihrer Willenserklärung erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der Umstand, daß der abgetretene Erstattungsanspruch im Zeitpunkt des Stundungsantrags bereits fällig war, schloß den Stundungsantrag der Klägerin mit dem Verrechnungsangebot nicht aus. Denn die Erstattung der Einkommensteuervorauszahlungen 1973 war vom FA noch nicht vorgenommen worden, so daß ein Antrag auf zinslose Stundung bis zum Zeitpunkt der Verrechnung auch dann sinnvoll blieb, wenn die Verrechnung sofort hätte vorgenommen werden können. Die Klägerin hat ferner die Stundung "bis zur Aufrechnung mit den Überzahlungen 1972 und 1973" beantragt. Eine Beschränkung der angebotenen Verrechnung auf die nach Durchführung der Veranlagung 1973 verbleibende Überzahlung geht aus ihrem Stundungsantrag nicht hervor. Da das FA die Vorauszahlungen 1973 noch nicht zurückgezahlt hatte, konnte es nicht davon ausgehen, daß diese von der angebotenen Verrechnung ausgenommen sein sollten. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben schließt es aus, daß das FA das Verrechnungsangebot als auf die einbehaltene Lohnsteuer beschränkt verstehen mußte, die erst nach Durchführung der Veranlagungen zu erstatten war. Denn die überzahlte Lohnsteuer (1972: 2.473 DM, 1973: 2.086 DM) stand der Höhe nach in keinem Verhältnis zu den Abschlußzahlungen (34.255 DM), deren Stundung unter Hinweis auf die Aufrechnungsmöglichkeit beantragt worden war.

b) Gegen die Wirksamkeit des Verrechnungsvertrages bestehen keine rechtlichen Bedenken. Ein Verrechnungs- bzw. Aufrechnungsvertrag kann abgeschlossen werden, wenn die Voraussetzungen für die (einseitige) Aufrechnung nicht gegeben sind, etwa wenn es an der Gegenseitigkeit und/oder Fälligkeit fehlt. Auch für die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher Ansprüche ist die Zulässigkeit eines Aufrechnungsvertrages anerkannt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Oktober 1972 III R 11/72, BFHE 107, 260, BStBl II 1973, 66, 68). Grundsätze des Steuerrechts stehen der Anerkennung eines solchen Vertrages nicht entgegen, weil der Staat als Steuergläubiger nicht auf seinen Steueranspruch verzichtet und der Steuerpflichtige bis zur Tilgung der Schuld Steuerschuldner bleibt (BFH-Urteil vom 21. März 1978 VIII R 60/73, BFHE 125, 326, 329, 330, BStBl II 1978, 606). Für den Abschluß eines wirksamen Verrechnungsvertrages genügt es, daß die Parteien über die zur Verrechnung bzw. Aufrechnung gestellten Forderungen verfügen können. Wenn auch im übrigen die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung (Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Vollwirksamkeit und Fälligkeit der Gegenforderung und Erfüllbarkeit der Hauptforderung) nicht vorliegen müssen, so ist es doch unverzichtbar, daß die zu verrechnenden Forderungen rechtsgültig sind (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 387 Anm. 8).

Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß es der Gegenforderung des FA an der Rechtswirksamkeit mangelte. Die Tatsache, daß die Klägerin Inhaberin einer abgetretenen Erstattungsforderung war, schließt die Annahme eines Verrechnungsvertrages nicht aus. So geht das Gesetz als selbstverständlich davon aus, daß auch ein Dritter in sinngemäßer Anwendung des § 267 BGB durch Zahlung das Steuerschuldverhältnis zum Erlöschen bringen kann (vgl. § 120 Abs. 2 AO, § 48 Abs. 2, § 192 AO 1977). Nichts anderes kann deshalb gelten, wenn mit Zustimmung des Gläubigers die Steuerschuld eines Dritten statt durch Zahlung durch Verrechnung mit Erstattungsansprüchen getilgt werden soll.

c) Der Anspruch, mit dem aufgerechnet wurde, hier die Gegenforderung des FA auf die Abschlußzahlungen, war auch fällig (vgl. § 387 BGB). Die vom FA abgerechneten Steuerbescheide mit Abschlußzahlungen 1969 und 1970 von insgesamt 34.255 DM datieren vom 5. Februar 1974. Der dem FA zustehende Anspruch auf Abschlußzahlung wurde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Steuerbescheide fällig (§ 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1974).

Das FA hätte seine Forderung auf Abschlußzahlung als Gegenforderung dann nicht zulässigerweise gegen den der Klägerin abgetretenen Erstattungsanspruch aufrechnen können, wenn diese Gegenforderung gestundet oder aus anderen Gründen noch nicht fällig gewesen wäre (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 226 AO 1977 Tz. 14, mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Klägerin hatte zwar am 18. April 1974 einen Stundungsantrag gestellt. Nach den Feststellungen des FG hat aber das FA keine Stundungsverfügung erlassen. Es hat vielmehr mit seiner fälligen Forderung auf die Abschlußzahlung 1969 und 1970 die Aufrechnung erklärt. Es kann dahinstehen, ob die Aufrechnung der Klägerin, wie diese behauptet, im Jahre 1974 nicht wirksam bekanntgegeben worden ist. Das Gesetz schreibt eine besondere Form für die Ausübung des in der Aufrechnung liegenden Gestaltungsrechts nicht vor. Sie kann sogar durch schlüssige Handlungen erklärt werden. Danach hat das FA spätestens im angefochtenen Verwaltungsakt die Aufrechnung gegenüber der Klägerin wirksam erklärt (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 4. Oktober 1983 VII R 143/82, BFHE 139, 487, BStBl II 1984, 178, und vom 3. November 1983 VII R 153/82, BFHE 140, 10, BStBl II 1984, 184, m. w. N.).