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BFH-Beschluß vom 8.4.1986 (VII B 128/85) BStBl. 1986 II S. 511

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das FA, das einen Steuererstattungsbetrag aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungsberechtigten an einen Dritten ausgezahlt hat, einen etwaigen Rückforderungsanspruch gegen den Dritten durch Rückforderungsbescheid geltend machen kann.

FGO § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2; AO 1977 § 37 Abs. 2, § 46.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Ehemann der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) wurde für das Jahr 1980 mit seiner früheren Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Aufgrund des Einkommensteuerbescheids 1980 ergab sich zugunsten der früheren Eheleute ein Erstattungsbetrag an überzahlter Einkommensteuer und Kirchensteuer. Auf die Anfrage des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Finanzamt - FA -) beim Ehemann, auf welches Konto der Erstattungsbetrag überwiesen werden solle, gab dieser als Erstattungsanschrift den Namen und das Bankkonto der Antragstellerin, seiner jetzigen Ehefrau, an. Das FA verfügte daraufhin die Auszahlung auf das ihm bekanntgegebene Konto.

Nachdem ihm hinsichtlich des Erstattungsanspruchs ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß der früheren Ehefrau des Ehemannes der Antragstellerin zugestellt worden war, erließ das FA gegen die Antragstellerin einen Rückforderungsbescheid gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Antragstellerin hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Der beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Rückforderungsbescheids auszusetzen, hatte Erfolg. Auf den in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1986, 54 veröffentlichten Beschluß des FG wird Bezug genommen.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Beschwerde (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlG - i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) macht das FA geltend, im Streitfalle gehe es um das Verhältnis zwischen einer Empfangsbevollmächtigung an Dritte und der Abtretung. Der Zahlungsanweisung habe eine mangels der Formvoraussetzungen des § 46 AO 1977 nichtige Abtretung zugrunde gelegen. Eine unwirksame Abtretung könne aber nicht in eine einfache Empfangsbevollmächtigung kraft Zahlungsanweisung umgedeutet werden. Anders als bei der Abtretung ändere sich bei einer Zahlungsanweisung die Inhaberschaft der Forderung nicht. Die Eheleute hätten aber einen Wechsel der Verfügungsberechtigung über die Forderung und nicht einen bloßen Wechsel der Empfangszuständigkeit gewollt. Der von ihnen tatsächlich gewollte Rechtsvorgang unterliege deshalb den Anforderungen des § 46 Abs. 2 AO 1977, die eine Warn- und Schutzfunktion sowohl für den Abtretenden als auch für das FA hätten. Diese Vorschrift dürfe nicht durch Umdeutung des Gewollten in die formfreie Zahlungsanweisung umgangen werden.

Im übrigen müßten auch Zweifel an der Auffassung des FG angemeldet werden, daß im Fall der Zahlungsanweisung bei zu Unrecht geleisteten Zahlungen der Erstattungsberechtigte und nicht der Dritte, der das Geld erhalten habe, dem FA hafte. Nach § 37 Abs. 2 AO 1977 habe der Leistungsempfänger den Betrag zurückzuzahlen. Leistungsempfänger sei aber derjenige, der das Geld erhalten habe. Der Rückforderungsanspruch sei deshalb zu Recht gegen die Antragstellerin geltend gemacht worden.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Rückforderungsbescheids abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde des FA zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Vollziehung des gegen die Antragstellerin ergangenen Rückforderungsbescheids ausgesetzt. Der Senat gelangt bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung ebenso wie die Vorinstanz zu dem Ergebnis, daß gewichtige Umstände dafür sprechen, daß der von der Antragstellerin mit der Klage angefochtene Rückforderungsbescheid rechtswidrig ist (§ 69 Abs. 2 und 3 FGO).

1. § 37 Abs. 2 AO 1977 enthält eine allgemeine Umschreibung der öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche, die einem Steuerpflichtigen oder Steuergläubiger dadurch erwachsen, daß eine Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis ohne rechtlichen Grund erfolgt ist oder der Grund hierfür später wegfällt. Hierunter fällt auch der Anspruch des FA auf Rückforderung zu Unrecht zurückgezahlter Steuerbeträge (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits unter der Geltung der Reichsabgabenordnung (AO) in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß Rückforderungsansprüche von Steuern, die zu Unrecht erstattet worden sind, dem öffentlichen Recht angehören und durch Verwaltungsakt geltend zu machen sind, weil sie nichts anderes als umgekehrte Erstattungs- und Vergütungsansprüche sind (vgl. Urteile vom 29. Juni 1978 VI R 20/77, BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608, und vom 22. August 1980 VI R 102/77, BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44, 46). Der Rückforderungsanspruch richtet sich, wie sich aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ergibt, gegen den Leistungsempfänger.

a) Im Streitfall bestehen bereits Zweifel, ob das FA befugt war, den Anspruch gegen die Antragstellerin auf Rückzahlung der an sie ausgezahlten Steuerbeträge - falls er bestehen sollte - durch Rückforderungsbescheid geltend zu machen. Denn die Antragstellerin stand hinsichtlich dieser Steuern, die sich aus der Einkommensteuerveranlagung und Steuerabrechnung 1980 ihres Ehemannes und dessen früherer Ehefrau ergaben, nicht in einem Steuerschuldverhältnis zum FA. Der Rückforderungsanspruch des FA stellt sich somit nicht als die Umkehrung eines eigenen Steuererstattungsanspruchs der Antragstellerin dar. Zwar hat der VI. Senat des BFH in seiner Entscheidung in BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608 die Geltendmachung der Rückzahlung eines erschlichenen Erstattungsanspruchs, der an einen Dritten (Zessionar) abgetreten und ausgezahlt worden war, durch Rückforderungsbescheid bejaht. Er hat dies damit begründet, daß es im Falle eines durch Täuschung vom FA irrig angenommenen Steuerschuldverhältnisses gerechtfertigt sei, den Rückforderungsanspruch als öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber demjenigen zuzulassen, der den vorgetäuschten Erstattungsbetrag kraft Abtretung tatsächlich erhalten habe. Die Antragstellerin ist aber nicht als Zessionarin in die Rechtsposition und in das Steuerschuldverhältnis des bzw. der Erstattungsberechtigten eingetreten. Denn die Abtretung des Steuererstattungsanspruchs durch ihren Ehemann war - falls sie überhaupt erfolgt sein sollte -, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, wegen Formmangels (§ 46 Abs. 2 und 3 AO 1977) nichtig. Das FA hat den Erstattungsbetrag auch nicht aufgrund einer Abtretung, sondern allein auf die ihm erteilte Zahlungsanweisung des Erstattungsberechtigten hin auf das Bankkonto der Antragstellerin überwiesen.

b) Aus ähnlichen Gründen bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids auch deshalb, weil ein Rechtsanspruch des FA gegen die Antragstellerin auf Rückzahlung des an sie ausgezahlten Betrags nicht gegeben erscheint. Wie bereits ausgeführt, ist der Antragstellerin der Erstattungsanspruch ihres Ehemannes nicht wirksam abgetreten worden. Sie konnte daher keine vermeintlichen Ansprüche gegen das FA erwerben, die von diesem zu Unrecht befriedigt worden sind und nunmehr einen Rückforderungsanspruch gegen sie begründen könnten. Ursächlich für die Auszahlung des Erstattungsbetrags an die Antragstellerin war die Anweisung ihres Ehemannes als Erstattungsberechtigter an das FA, die Überweisung auf das Konto der Antragstellerin vorzunehmen. Diese Willenserklärung stellte sich nach ihrem objektiven Erklärungswert (vgl. §§ 133, 157 BGB) für das FA als eine Zahlungsanweisung dar, die die Rechtsinhaberschaft über die Erstattungsforderung nicht zu verändern vermochte. Ebenso wie im bürgerlichen Recht mit Einwilligung des Berechtigten an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet werden kann (§ 362 Abs. 2 BGB), so sind auch im Rahmen des Steuerschuldverhältnisses Erstattungen an andere Personen zulässig, wenn der Steuerpflichtige eine entsprechende Zahlungsanweisung allgemein oder für den Einzelfall erteilt (vgl. Einführungserlaß zu AO 1977 Nr. 2 Satz 3 zu § 80, BStBl I 1976, 576, 593). Der Schuldner - im Streitfall das FA - wird mit der Leistung an den in der Zahlungsanweisung benannten Empfangsbevollmächtigten frei. Da aber die Forderung (hier der Steuererstattungsanspruch) nicht auf diesen übergegangen ist, erbringt das FA mit seiner Zahlung an den Dritten eine Leistung an den Steuerpflichtigen bzw. Steuererstattungsberechtigten, seinen Gläubiger. Es fallen also Zahlungsempfänger und Leistungsempfänger auseinander (vgl. Tiedtke, Der Rückforderungsanspruch als erneuter Steueranspruch, Finanz-Rundschau 1980, 1 ff.). Das hat Auswirkungen auf die im Streitfall bedeutsame Frage, gegen wen sich der Rückforderungsanspruch des FA richtet, wenn sich herausstellt, daß die Steuererstattung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 richtet sich der Rückforderungsanspruch des FA auf zu Unrecht zurückgezahlte Steuerbeträge gegen den Leistungsempfänger. Das bleibt nach den vorstehenden Ausführungen auch im Falle der Erstattung aufgrund einer Zahlungsanweisung an einen Dritten der Steuererstattungsberechtigte als der vermeintliche frühere Gläubiger des FA. Der BFH hat schon in der Entscheidung in BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44 (insbesondere Seiten 46, 47) ausgesprochen, daß sich der öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch grundsätzlich nicht gegen den Zahlungsempfänger, sondern gegen den nach dem Steuerrecht Erstattungsberechtigten (dort der Antragsteller auf den Lohnsteuer-Jahresausgleich) richtet, wenn der Zahlungsempfänger für letzteren lediglich als Vertreter, Bote oder Zahlstelle aufgetreten ist. So liegen die Verhältnisse im Streitfalle. Die Antragstellerin und ihr Bankkonto sind dem FA vom Erstattungsberechtigten lediglich wie ein eigenes Konto als Zahlstelle für die zu bewirkende Überweisung benannt worden. In anderer Eigenschaft ist die Antragstellerin dem FA gegenüber im Rahmen des hier maßgeblichen Steuerschuldverhältnisses nicht aufgetreten. Das FA hat damit mit der Überweisung auf das angegebene Konto die Zahlung mit befreiender Wirkung zugunsten des Erstattungsberechtigten, des Ehemannes der Antragstellerin, bewirken wollen. Ein etwaiger Rückforderungsanspruch des FA kann deshalb nicht gegenüber der Antragstellerin, sondern allenfalls gegenüber deren Ehemann bestehen.

2. Die Einwendungen des FA gegen dieses auch der Vorentscheidung zugrunde liegende Ergebnis greifen nicht durch. Auf die Rechtsbeziehungen und rechtlichen Erwägungen der Ehegatten, die der Zahlungsanweisung zugrunde gelegen haben, kommt es nicht an, weil nur die letztere Ausdruck in einer Willenserklärung gegenüber dem FA gefunden hat. Wie oben ausgeführt, war diese Willenserklärung des Ehemannes der Antragstellerin nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Einer Umdeutung einer wegen Formmangels unwirksamen Abtretung in die Zahlungsanweisung bedurfte es hierbei nicht. Deshalb können auch die für die Abtretung vorgeschriebenen Formvorschriften in den Fällen der rechtlich weniger weitgehenden Empfangsbevollmächtigung oder Zahlungsanweisung keine Berücksichtigung finden. Nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin ist es hinsichtlich des Erstattungsanspruchs zu einer Rechtsübertragung nicht gekommen. Es ist daher gerechtfertigt, die Abwicklung eines etwaigen Rückforderungsanspruchs des FA als die Umkehrung des Steuererstattungsanspruchs auf die Beteiligten des Steuerschuldverhältnisses zu beschränken. Dem FA dürften demnach gegen die Antragstellerin als außerhalb dieses Steuerschuldverhältnisses stehende Dritte keine Rückforderungsansprüche zustehen.