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BFH-Urteil vom 24.4.1986 (IV R 82/84) BStBl. 1986 II S. 545

1. Ein nach dem Tode des Ehemannes an "Herrn und Frau ... (Name der Ehefrau) ..." gerichteter Einkommensteuerbescheid für den letzten Zusammenveranlagungszeitraum der Eheleute ist jedenfalls dann hinreichend bestimmt und der überlebenden Ehefrau wirksam bekanntgegeben, wenn in der Einspruchsentscheidung nachträglich klargestellt wird, daß nur diese von dem Bescheid betroffen sein sollte.

2. Daß das FA die Ehefrau irrtümlich auch als Erbin des verstorbenen Ehemanns ansah und sie in der Einspruchsentscheidung als solche bezeichnet hat, berührt die Wirksamkeit des Einkommensteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht.

AO 1977 §§ 44, 45, 118, 119, 122, 155; FGO § 44 Abs. 2; EStG §§ 26, 26b.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der am 14. Juni 1974 verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bewirtschaftete bis zu seinem Tode als Nießbraucher den landwirtschaftlichen Betrieb in X. Außerdem befaßte er sich mit Saatzucht.

Im Rahmen der Gewinnermittlung für das Streitjahr 1973 wurde erstmals für das Wirtschaftsjahr 1973/74 eine Rückstellung in Höhe von 2 v.H. der Saatumsätze (Gesamtbetrag 97.600 DM; Auswirkung auf das Streitjahr 48.800 DM) gebildet.

Das auf diese Weise ermittelte Ergebnis fand Eingang in die Einkommensteuererklärung 1973, die am 15. Oktober 1975, also nach dem Tode des Ehemanns der Klägerin, beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) einging. Die Erklärung war von der Klägerin und dem Alleinerben ihres Mannes, dem gemeinsamen Sohn A, mit dem Zusatz "für meinen verstorbenen Vater" unterzeichnet. Dabei war die Frage nach der Art der Veranlagung (Zusammenveranlagung oder getrennte Veranlagung) offengeblieben.

Auf der Grundlage dieser Erklärung führte das FA in einem nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen an "Herrn und Frau Luise P" gerichteten Bescheid vom 11. März 1976 eine Zusammenveranlagung durch.

Im Rahmen einer in den Jahren 1977 und 1978 durchgeführten Betriebsprüfung stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, daß die in § 33 des Gesetzes über den Verkehr mit Saatgut (SVG) vom 20. Mai 1968 (BGBl I, 444) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juni 1975 (BGBl I, 1.453) geregelten Gewährleistungsansprüche die Rückstellung nicht rechtfertigten. Dem folgte das FA und setzte (unter Berücksichtigung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 161.309 DM nach einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 153.921 DM) in dem wiederum an "Herrn und Frau Luise P" gerichteten Einkommensteuerbescheid 1973 vom 20. Februar 1979 die Einkommensteuer 1973 unter Anwendung der Splittingtabelle auf 60.172 DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

In der Einspruchsentscheidung wurde als Einspruchsführerin "Luise P als Erbin des verstorbenen M." bezeichnet. Die Entscheidung wurde der steuerlichen Vertreterin der Klägerin zugestellt.

Die Klage, mit der die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids und hilfsweise dessen Änderung unter Berücksichtigung einer Rückstellung von 48.800 DM begehrt wurde, hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) den Einkommensteuerbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufhob, "soweit sie den Rechtsschein erwecken, die Klägerin (auch) als Rechtsnachfolgerin zu betreffen". Der an die zusammenveranlagten Eheleute adressierte Einkommensteuerbescheid sei wirksam ergangen und der überlebenden Ehegattin wirksam bekanntgegeben worden. Ferner habe das FA zu Recht die Rückstellung für Gewährleistungsansprüche nach dem SVG nicht anerkannt. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 325 und 336 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß der Einkommensteuerbescheid nicht wirksam bekanntgegeben worden sei. Werde ein Bescheid nur in einer Ausfertigung bekanntgegeben, leide er an einem besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehler, der zu seiner Nichtigkeit führe (Hinweis auf das Urteil des FG Hamburg vom 22. Februar 1983 VI 102/79, EFG 1983, 531).

Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Einkommensteuerbescheid 1973 vom 20. Februar 1979 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1973 hinreichend genau adressiert war und der Klägerin gegenüber wirksam bekanntgegeben worden ist.

a) Nach § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) muß ein Steuerbescheid denjenigen erkennen lassen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Betroffener eines Steuerbescheids ist, wer die Steuer schuldet. Der Steuerschuldner ist gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 im Steuerbescheid anzugeben. Dabei genügt es, wenn der Steuerschuldner durch Auslegung des Steuerbescheids ermittelt werden kann.

aa) Steuerschuldner waren im Streitfall die Klägerin und der Alleinerbe des mit ihr zusammenveranlagten Ehemanns. Die Klägerin und ihr Ehemann waren zu Beginn des Veranlagungszeitraums beide unbeschränkt steuerpflichtig und lebten nicht dauernd getrennt. Bei dieser Sachlage bestand für sie die Möglichkeit, zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) zu wählen (§ 26 Abs. 1 EStG). Die Ausübung dieses Wahlrechts war auch nach dem Tode des Ehemanns noch möglich, wobei an die Stelle des verstorbenen Ehemanns sein Alleinerbe (sein Sohn) getreten ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. November 1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188). Der Umstand, daß die Wahl der Veranlagungsart von der Klägerin und dem Alleinerben ihres verstorbenen Ehemanns nicht in der von ihnen gemeinsam unterschriebenen Einkommensteuererklärung getroffen worden ist, stand einer Zusammenveranlagung nicht im Wege. Falls die zur Wahl erforderlichen Erklärungen (§ 26 Abs. 2 EStG) nicht abgegeben werden, wird gemäß § 26 Abs. 3 EStG unterstellt, daß eine Zusammenveranlagung gewählt wird. Das gilt auch dann, wenn die Wahl von dem überlebenden Ehegatten und dem Erben des verstorbenen Ehegatten auszuüben ist (BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188).

Die Folge der Zusammenveranlagung ist u.a., daß die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet werden (§ 26b EStG). Da die Ehegatten in einem solchen Fall gemäß § 44 Abs. 1 AO 1977 Gesamtschuldner der Steuerschuld sind, kann die Steuerschuld ihnen gegenüber in einem zusammengefaßten Bescheid (§ 155 Abs. 3 Satz 1 AO 1977) geltend gemacht werden. Ein zusammengefaßter Bescheid kann auch nach dem Tode eines der Ehegatten gegenüber dem überlebenden Ehegatten und dem Erben des verstorbenen Ehegatten erlassen werden.

bb) Zur Adressierung eines derartigen Bescheids genügt es, daß nur einer der Steuerschuldner (mit vollem Namen und der Anschrift) im Adreßfeld des Bescheids aufgeführt wird. Denn ein in Form des § 155 Abs. 3 AO 1977 ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefaßte Verwaltungsakte, die ein unterschiedliches (verfahrens-)rechtliches Schicksal haben können (siehe BFH-Urteile vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, 150, BStBl II 1969, 343, 344; vom 5. Februar 1971 VI R 301/66, BFHE 101, 358, 359/360, BStBl II 1971, 331, 332; vom 16. August 1978 I R 125/75, BFHE 126, 4, 5, BStBl II 1979, 26, und vom 31. Oktober 1978 VIII R 196/77, BFHE 127, 168, 170, BStBl II 1979, 401, 402; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 155 AO 1977 Tz. 10). War wie hier bei Erlaß eines Zusammenveranlagungsbescheides der eine Ehegatte bereits verstorben, so genügt die Adressierung an den überlebenden Ehegatten den Bestimmtheitsanforderungen der §§ 119 Abs. 1, 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, ohne daß es der Angabe des oder der anderen Gesamtschuldner im Bescheid bedarf (vgl. für die Fälle der Gesamtschuldnerschaft bei Grunderwerbsteuer und bei Miterbengemeinschaften BFH-Urteile vom 5. November 1980 II R 25/78, BFHE 132, 114, BStBl II 1981, 176, und vom 28. Juni 1984 IV R 204-205/82, BFHE 141, 461, BStBl II 1984, 784; Tipke/Kruse, a.a.O., § 157 AO 1977 Tz. 5 a. E.).

Im Streitfall ging zwar aus der vom FA gewählten Adressierung "Herrn und Frau ..." im Steuerbescheid nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, ob nur die Klägerin als Betroffene gemeint war oder möglicherweise auch ihr Sohn als Alleinerbe ihres verstorbenen Ehemannes. Das FA hat jedoch durch die ausschließliche Benennung der Klägerin in der Einspruchsentscheidung nachträglich klargestellt, daß von vornherein nur die Klägerin als Betroffene angesprochen werden sollte. Diese nachträgliche Klarstellung konnte auch noch in der Einspruchsentscheidung erfolgen; gemäß § 44 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt (Steuerbescheid) in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

Daß die Klägerin in der Einspruchsentscheidung unrichtigerweise als Erbin ihres verstorbenen Ehegatten bezeichnet ist, berührt die Wirksamkeit des Einkommensteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht. Denn diese Bezeichnung betrifft, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, lediglich die rechtliche Begründung des Steuerbescheids, also die Frage, weshalb der Betroffene als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird. Das FG hat der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu Recht insoweit stattgegeben, als durch sie der Rechtsschein erweckt wird, die Klägerin könne (auch) als Erbin nach ihrem Ehegatten gemäß § 45 Abs. 1 AO 1977, und nicht nur als Gesamtschuldnerin nach § 44 Abs. 1 AO 1977 in Anspruch genommen werden.

b) Der Einkommensteuerbescheid 1973 wurde der Klägerin auch wirksam bekanntgegeben.

Aus der namentlichen Bezeichnung der Klägerin im Adreßfeld und aus der dem FA vor Erlaß des Steuerbescheids bekanntgewordenen Tatsache des Todes des Ehemannes geht hervor, daß das FA trotz der mißverständlichen Formulierung "Herrn und Frau ..." den Bescheid nur der Klägerin und nicht auch ihrem Ehemann oder gar dem überhaupt nicht erwähnten Gesamtrechtsnachfolger zugehen lassen wollte. Nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des FG ist der Bescheid der Klägerin auch tatsächlich zugegangen. Damit ist dem Erfordernis des § 155 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, daß der Bescheid demjenigen bekanntzugeben ist, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, Genüge getan.

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob sie und ihr Sohn sich durch die Unterschrift unter der Steuererklärung stillschweigend gegenseitig zur Empfangnahme des Steuerbescheids bevollmächtigen konnten, wie dies vom BFH für Eheleute in ständiger Rechtsprechung angenommen wird (Urteil vom 13. August 1970 IV 48/65, BFHE 100, 171, BStBl II 1970, 839; vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208, und vom 28. Juli 1983 IV R 235/80, BFHE 139, 224, BStBl II 1984, 48), ist für den Streitfall ohne Bedeutung, denn der vom BFH (Urteil vom 26. März 1985 VIII R 225/83, BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603) aufgestellte Grundsatz, daß ein zusammengefaßter Einkommensteuerbescheid an Ehegatten nur dann wirksam bekanntgegeben ist, wenn jedem Ehegatten eine Urschrift des Steuerbescheids übermittelt wurde, kann nur dort gelten, wo beide Ehegatten noch leben. Selbst wenn man ihn auf den Fall des Erlasses eines zusammengefaßten Einkommensteuerbescheides gegen den überlebenden Ehegatten und den oder die Erben übertragen wollte, käme er hier nicht zur Anwendung, weil der angefochtene Einkommensteuerbescheid von vornherein nicht für den Sohn der Klägerin bestimmt war.

2. Das FG hat ferner zutreffend entschieden, daß die Rückstellung für Gewährleistungspflichten nach dem SVG nicht zulässig war, weil keine konkreten Anhaltspunkte für eine Inanspruchnahme durch beistimmte Vertragspartner dargelegt wurden. Die Revision hat die Vorentscheidung insoweit auch nicht mehr gerügt.