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BFH-Beschluß vom 24.4.1986 (III B 72/84) BStBl. 1986 II S. 561

Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn § 33a Abs. 2 Satz 5 EStG 1981 für eine andere als hälftige Aufteilung des Ausbildungsfreibetrages eine einvernehmliche Erklärung beider unterhaltsleistenden Elternteile verlangt.

Ist eine Einigung zwischen den Elternteilen schwierig und muß deswegen u. U. sogar das Familiengericht angerufen werden, kann es im Einzelfall geboten sein, ein bereits anhängiges FG-Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen.

EStG 1981 § 33a Abs. 2 Sätze 4 bis 6; GG Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1; FGO § 74.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog im Streitjahr 1982 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie ist seit 1975 geschieden. Aus der Ehe sind zwei in den Jahren 1964 und 1970 geborene Söhne hervorgegangen. Die elterliche Gewalt über sie ist der Klägerin übertragen worden. Die Söhne sind bei ihr auch polizeilich gemeldet; sie waren im Streitjahr außerhalb der Ferienzeit jedoch in einem Internat in A untergebracht. Die Klägerin erhielt für beide Söhne Kindergeld; der leibliche Vater (und geschiedene Ehemann der Klägerin) zahlte monatlich 900 DM Unterhalt. In ihrem Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1982 begehrte die Klägerin, ihr für beide Söhne jeweils den vollen Ausbildungsfreibetrag zu gewähren.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) prüfte, ob die Klägerin zur Einkommensteuer zu veranlagen sei. Die Klägerin brachte in der Folgezeit aber keine Erklärung ihres geschiedenen Ehemannes bei, wonach dieser mit einer anderen als hälftigen Aufteilung der Ausbildungsfreibeträge einverstanden gewesen wäre (§ 33a Abs. 2 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung - EStG 1981 -). Das FA lehnte es daher ab, eine Veranlagung (nach § 46 Abs. 2 Nr. 4a EStG) durchzuführen.

Die Klägerin erhob nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, mit der sie sich vor allem darauf berief, daß ihr geschiedener Ehemann mit seinen Unterhaltszahlungen nur zum lebensnotwendigen Unterhalt und nicht auch zur Berufsausbildung der Söhne beigetragen habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Ein Abzug der vollen Ausbildungsfreibeträge nach § 33a Abs. 2 Satz 5 EStG 1981 scheide deswegen aus, weil eine entsprechende Erklärung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin fehle. Die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 Satz 6 EStG 1981 lägen nicht vor, weil die Klägerin die Aufwendungen für die Berufsausbildung der Söhne nicht allein getragen habe.

Die Revision ließ das FG in seinem Urteil nicht zu.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.

Sie stützt ihr Rechtsmittel auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und führt hierzu insbesondere aus: Die Vorschriften des § 33a Abs. 2 Sätze 4 bis 6 EStG 1981 seien vom FG nicht verfassungskonform ausgelegt worden. Die pauschale Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes ohne Rücksicht auf die Höhe des jeweiligen Unterhaltsbeitrags des einzelnen Elternteiles benachteilige in sachwidriger Weise den Mehr-Leistenden. Diesem müsse daher wenigstens die Gelegenheit gegeben werden, die im Verhandlungswege nicht zu erreichende Zustimmung des anderen Elternteils zu einer sachgerechten Aufteilung des Ausbildungsfreibetrages vor dem Familiengericht zu erzwingen. Im Streitfall habe das FG jedoch einen entsprechenden Antrag von ihr, der Klägerin, auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Einholung einer Entscheidung des Familiengerichts abgelehnt.

Ebensowenig führe der vom FG herangezogene § 1610 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu einem sachgerechten Ergebnis. Decke der Unterhaltsbeitrag eines Elternteils unter Berücksichtigung der Pflege- und Erziehungsleistungen des anderen i. S. von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gerade oder noch nicht einmal den Grundbedarf des Unterhaltsberechtigten und werde der Mehrbedarf für die Berufsausbildung allein von dem anderen getragen, so müsse diesem nach § 33a Abs. 2 Satz 6 EStG 1981 auch der volle Freibetrag zuerkannt werden.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, daß das FG einen von ihr gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt habe, könnte zwar auch an die Rüge eines Verfahrensmangels i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gedacht werden. Doch wäre diese Rüge schon nicht in der gehörigen Form erhoben worden. Die Klägerin hat den möglichen Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Sie hat nicht einmal dargetan, wann oder bei welcher Gelegenheit sie einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt hatte (vgl. hierzu Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 33 i. V. m. § 120 Anm. 20, mit weiteren Hinweisen). Hinzu kommt, daß die Klägerin ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung in der mündlichen Verhandlung nur Anträge zur Sache gestellt hatte.

2. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde (ausdrücklich) auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, kann sie keinen Erfolg haben, weil der Senat den aufgeworfenen Fragen keine derartige Bedeutung beimißt.

a) Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich insbesondere nicht schon daraus, daß zur Auslegung des § 33a Abs. 2 Sätze 4 bis 6 EStG 1981, soweit hier einschlägig, bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628).

b) Eine Rechtsfrage ist aber auch dann nicht von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die anzufechtende Entscheidung der eindeutigen Rechtslage und der allgemeinen Auffassung im Schrifttum entspricht und die Ansicht des Beschwerdeführenden abwegig erscheint (Gräber, a. a. O., § 115 Anm. 13, mit weiteren Hinweisen) oder wenn Zweifel an der Beantwortung der Rechtsfrage nicht bestehen können (BFH-Beschluß vom 25. Mai 1973 VI B 95/72, BFHE 109, 303, BStBl II 1973, 665).

Im Streitfall sind jedenfalls Zweifel zur hier maßgebenden gesetzlichen Regelung nicht möglich.

aa) Die Sätze 4 bis 6 sind in den § 33a Abs. 2 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1979 (BGBl I 1978, 1849, BStBl I 1978, 479) eingefügt worden. Die Gesetzesänderung geht zurück auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75 (BStBl II 1977, 526), wonach die damals geltende Zuweisung des vollen Ausbildungsfreibetrages an den kindergeldberechtigten Elternteil wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig war.

Die sodann vom Gesetzgeber gefundene und in den § 33a Abs. 2 Sätze 4 bis 6 EStG 1979 aufgenommene (und im EStG 1981 beibehaltene) Regelung wird dem Auftrag des BVerfG nach Auffassung des Senats voll gerecht. § 33a Abs. 2 Satz 4 EStG 1981 enthält als Grundsatz die sog. Halbteilung; sie entspricht der Idealvorstellung, daß beide Elternteile - unabhängig vom Bestehen einer ehelichen Verbindung - in gleichem Umfang zur Berufsausbildung eines gemeinsamen Kindes beitragen. Satz 6 derselben Vorschrift berücksichtigt bereits von Gesetzes wegen, ohne daß es einer Erklärung des anderen Elternteils bedürfte, den Fall, daß ein Elternteil die Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes nachweislich allein getragen hat. In den übrigen Fällen, in denen zwar beide Elternteile Aufwendungen für die Berufsausbildung des Kindes getragen haben, diese jedoch unterschiedlich hoch waren, macht § 33a Abs. 2 Satz 5 EStG 1981 die entsprechende steuerliche Berücksichtigung der vom jeweiligen Elternteil getragenen Aufwendungen von einer einvernehmlichen Erklärung beider Elternteile abhängig.

Damit ist die Gewährung des Ausbildungsfreibetrages entsprechend den von jedem Elternteil im Einzelfall tatsächlich getragenen Aufwendungen grundsätzlich möglich. Daß dabei für einen Teilbereich (zwischen der Beanspruchung des halben und der des ganzen Freibetrages) die Mitwirkung beider Elternteile verlangt wird, begegnet keinen Bedenken. Denn die Unterhaltsleistenden wissen am besten, in welcher Höhe sie jeweils zum Unterhalt des gemeinsamen Kindes beigetragen haben. Für die Finanzbehörden wäre die Ermittlung der jeweils tatsächlich getragenen Kosten regelmäßig mit einem unangemessen hohen Aufwand verbunden. Auch widerspräche eine Ermittlung von Amts wegen nach Auffassung des Senats wohl in vielen Fällen dem Grundsatz, bei der Feststellung der maßgebenden Besteuerungsgrundlagen möglichst wenig in die Intimsphäre der Steuerpflichtigen einzudringen (vgl. hierzu auch das BFH-Urteil vom 5. Oktober 1966 VI 42/65, BFHE 87, 208, BStBl III 1967, 84).

Ist eine Einigung zwischen den Elternteilen schwierig und muß deswegen unter Umständen sogar das Zivilgericht angerufen werden, kann es im Einzelfall geboten sein, ein bereits anhängiges FG-Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen. Im Streitfall wurde ein entsprechender Antrag jedoch wieder fallengelassen. Die Klägerin hat jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nur noch Anträge zur Sache gestellt.

Nach alledem ergeben sich keine Anhaltspunkte, inwieweit § 33a Abs. 2 Sätze 4 bis 6 EStG 1981 gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen könnte. Dies gilt um so mehr, als seinerzeit auch das BVerfG (in BStBl II 1977, 526, Abschn. VI der Entscheidungsgründe) davon ausging, daß es für die Aufteilung des Ausbildungsfreibetrages zwischen Elternteilen, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, "keine durch Art. 3 Abs. 1 GG eindeutig gebotene Lösung" gebe.

Die von der Klägerin erhobenen Bedenken sind auch - soweit ersichtlich - im Schrifttum bisher nicht vertreten worden.

bb) Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, ihr geschiedener Ehemann habe allenfalls den "Grundbedarf" der beiden Söhne abgedeckt und mithin für deren Berufsausbildung keine Leistungen mehr erbracht, wird ebenfalls keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Das FG hat zutreffend - unter Hinweis auf § 1610 Abs. 2 BGB - entschieden, daß Unterhaltszahlungen für ein in Berufsausbildung befindliches Kind grundsätzlich auch für die Berufsausbildung geleistet werden (s. hierzu auch Abschn. 191 Abs. 2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984). An der Richtigkeit dieser Aussage für Sachverhaltsgestaltungen wie im Streitfall zweifelt auch der erkennende Senat nicht. Die Klägerin übersieht, daß es keine Vorschrift gibt, wonach Geldleistungen des einen Elternteils primär etwa dazu bestimmt wären, die leiblichen Bedürfnisse des Kindes zu befriedigen, während die Leistungen des anderen Teils allein als für die Berufsausbildung verwendet zu gelten hätten. Eine derartige allgemeine, nicht auf besondere Ausnahmefälle beschränkte, Zuordnung wäre willkürlich und durch nichts gerechtfertigt.