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BFH-Beschluß vom 20.3.1986 (IV R 182/83) BStBl. 1986 II S. 563

Bei Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes im Telebriefverfahren der Deutschen Bundespost gehört es zu den Sorgfaltspflichten des Absenders, sich bei der Telebriefstelle über die Laufzeiten und Zustellformen eines Telebriefes zu informieren und bei drohendem Fristablauf die besondere Zustellform des Eilbriefes zu wählen.

FGO §§ 56, 120.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute; der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hat die wegen Einkommensteuer 1975 bis 1977 erhobene Klage als unzulässig abgewiesen. Das Urteil wurde den Klägern am 4. Juli 1983 unter Aufnahme einer Postzustellungsurkunde zugestellt. Gegen dieses Urteil legten sie mit dem beim FG am 4. August 1983 eingegangenen Schreiben Revision ein. Die Revisionsbegründungsfrist wurde antragsgemäß bis zum 5. Oktober 1983 verlängert. Die Revisionsbegründungsschrift, die an die Adresse des Bundesfinanzhofs (BFH) "München 80, Ismaninger Straße 109" adressiert war, übermittelten die Kläger im Wege des Telebriefdienstes der Deutschen Bundespost. Der Telebriefumschlag trägt den Eingangsstempel der Münchener Telebriefstelle beim Postamt München 2 vom 5. Oktober 1983 20.00 Uhr. Der Telebrief wurde dem BFH über das beim Postamt München 80 unterhaltene Postfach ausgeliefert und im Postfach bei der zweiten Leerung um 14.00 Uhr am 6. Oktober 1983 vorgefunden.

Auf den Eingang der Revisionsbegründungsschrift erst am 6. Oktober 1983 hingewiesen, beantragten die Kläger vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie tragen vor, der Kläger habe am 5. Oktober 1983 gegen 15.00 Uhr aus seiner Kanzlei die Telebriefstelle beim Postamt Neustadt/Weinstraße angerufen und nachgefragt, bis wann er einen mit genauer Anschrift des BFH adressierten Brief noch an diesem Tage absenden könne mit der Gewißheit, daß dieser Telebrief noch am selben Tage beim BFH eingeworfen werde. Der Postbeamte habe die Auskunft erteilt, bei Aufgabe des Telebriefes bis 18.00 Uhr sei die Zustellung beim BFH bis 19.00 Uhr gewährleistet. Die Zustellung des Telebriefes erst am 6. Oktober 1983 durch Ablage im Postfach des BFH entspreche nicht der Reklame der Bundespost, ein Telebrief werde vom Empfängerpostamt wie ein Eilbrief zugestellt. Die Kläger legen dazu einen Prospekt der Bundespost (Stand: 1. Juni 1980) vor.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die angefochtenen Einkommensteuerbescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidung sowie das Urteil des FG aufzuheben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Die Kläger haben die ihnen eingeräumte Revisionsbegründungsfrist, die am 5. Oktober 1983 endete, überschritten. Mit dem Eingang der Revisionsbegründungsschrift erst am 6. Oktober 1983 war die Frist des § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gewahrt.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann nicht gewährt werden, da die Versäumung der Frist auf mangelnder Sorgfalt des Klägers bei der Aufgabe der Revisionsbegründungsschrift als Telebrief beruht.

1. Der Telebrief ist eine besondere Form der Briefübermittlung im Wege der Fernkopie zwischen den als Telebriefstellen eingerichteten Postämtern. Der Absender reicht die zu übermittelnden Schriftstücke beim Einlieferungspostamt innerhalb der üblichen Schalterstunden ein und erhält sie nach Abschluß des Kopiervorganges zurück. Das Empfängerpostamt liefert die ihm übermittelte Fernkopie in einem verschlossenen Umschlag an den Empfänger aus. Diese neue technische Übermittlungsform von Schriftstücken genügt den Formerfordernissen des § 120 Abs. 1 FGO (Anschluß an BFH-Entscheidung vom 10. März 1982 I R 91/81, BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573). Die Deutsche Bundespost hat auf Anforderung des Gerichts zu den Einzelheiten des Telebriefverfahrens ausgeführt, daß dieses am 12. Juni 1980 aufgenommen wurde und sich bis Ende Februar 1983 in einem Versuchsstadium befunden habe. In dieser Versuchszeit seien Telebriefe generell im Wege der Eilzustellung ausgeliefert worden. Es habe sich jedoch herausgestellt, daß auch ein Kundenbedürfnis für einfache Briefzustellung oder Abholung bestand.

Ab dem 1. März 1983 sei der Telebriefdienst neu geordnet worden. Für Postkunden werde am Telebriefschalter ein Merkblatt (Stand: März 1983) zur Einsichtnahme bzw. Aushändigung bereitgehalten. Außerdem habe die Post mit dem Stande vom 1. August 1983 eine Informationsbroschüre "Telebrief" herausgebracht. Beiden, dem Gericht überreichten Informationsquellen ist zu entnehmen, daß der Telebriefkunde zu wählen hat zwischen der normalen Briefzustellung, der Eilzustellung noch am Einlieferungstag (allerdings mit den Einschränkungen gemäß Nr. 18 des Merkblatts für den Fall, daß sich am Ort keine Telebriefstelle befindet) und der Abholung. Für die Eilzustellung zwischen 6.00 und 22.00 Uhr wird eine besondere Gebühr von 3,50 DM erhoben.

2. Der Postbeamte des Einlieferungspostamtes hat die vom Kläger telefonisch gestellte Frage, ob die Bundespost die Auslieferung eines Telebriefes noch am selben Tage (dem 5. Oktober 1983) an den BFH gewährleisten könne, zutreffend bejaht. Aus dem der Revisionsbegründungsschrift (Telekopie) vorgehefteten postdienstlichen Datenträger ist zu entnehmen, daß der Telebrief am 5. Oktober 1983 gegen 18.00 Uhr eingeliefert und um 18.20 Uhr dem Postamt München 2 übermittelt wurde. Dort lag der Brief It. Poststempel des Postamts München 2 (auf der Rückseite des Telebriefes) und It. postamtlicher Auskunft vom 2. November 1983 um 20.00 Uhr in auslieferungsbereitem Zustand vor.

Die Auslieferung an den BFH erst am nächsten Tage beruht darauf, daß der Kläger keine Eilzustellung, sondern die normale Briefzustellung gewählt hatte.

3. Die Wahl der Telebriefauslieferung in Gestalt der normalen Briefzustellung, welche die Fristüberschreitung zur Folge hatte, geht zu Lasten der Kläger. Mit dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht glaubhaft dargetan, daß die Kläger kein Verschulden an der Wahl der falschen Auslieferungsform trifft. Das Wiedereinsetzungsgesuch beschränkt sich nämlich auf eine Wiedergabe des mit der Telebriefstelle geführten Telefongespräches vom Nachmittag des 5. Oktober 1983. Ihm konnte der Kläger gemäß der von ihm gestellten Frage entnehmen, daß die Auslieferung beim BFH am selben Tage per Telebrief möglich sei, wenn er dazu bis 18.00 Uhr die örtliche Telebriefstelle zwecks Aufgabe des Briefes aufsuchen würde.

Bei dieser Sachlage kommt den Einzelheiten des Einlieferungsvorgangs bei der Telebriefstelle entscheidende Bedeutung zu. Das Wiedereinsetzungsgesuch enthält jedoch hierzu keinerlei Angaben. Zum einen hätten die Kläger glaubhaft darlegen müssen, daß der Kläger bei Einlieferung des Briefes sein Anliegen deutlich vorgetragen hat, daß der Telebrief am selben Tage in den Nachtbriefkasten des BFH eingeworfen werden müsse. Auch wenn der Kläger mit demjenigen Beamten zusammengetroffen sein sollte, mit dem er am Nachmittag gesprochen hatte, wäre er im Hinblick auf den in sechs Stunden drohenden Fristablauf gehalten gewesen, sein Anliegen nochmals unmißverständlich vorzutragen. Die dem Kläger wegen des drohenden Fristablaufs obliegende erhöhte Sorgfaltspflicht mußte ihn ergänzend veranlassen, in die beim Postamt aufliegenden Unterlagen zum Telebriefverfahren einzusehen und die Angaben des Postbeamten zu kontrollieren. Der Kläger hat nichts vorgetragen, aus dem sich entnehmen ließe, daß er an der Ausübung seiner Informationspflicht gehindert war. Letztlich ist dem Kläger anzulasten, daß er als Rechtsanwalt - und als solcher in besonderem Maße mit der Bedeutung von Fristen vertraut - sich nicht darauf verlassen konnte, daß die (seit einem halben Jahr geänderten) Vorschriften der Post über die Telebriefauslieferung unverändert fortgelten würden.