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BFH-Urteil vom 28.1.1986 (VIII R 335/82) BStBl. 1986 II S. 599

Werden die Geschäfte einer GmbH & Co. KG kraft Anstellungsvertrags von beiden Alleingesellschaftern und Geschäftsführern der GmbH geführt, die nicht zugleich Gesellschafter der KG sind, so sind die Geschäftsführer schon mangels eines Unternehmerrisikos nicht Mitunternehmer der KG.

EStG 1977 § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 3. (H. R.) und der Kläger und Revisionsbeklagte zu 4. (H. J. S.) hatten im Jahre 1967 ein Unternehmen gegründet, das sich seit 1973 überwiegend mit der Errichtung von Einfamilienhäusern und anderen schlüsselfertigen Bauvorhaben befaßt. Durch Vertrag vom 8. November 1974 gründeten sie eine KG, die Vorläuferin der Klägerin und Revisionsbeklagten zu 1. An dieser waren sie als persönlich haftende Gesellschafter und die Beigeladenen - die Ehefrauen der Kläger zu 3. und 4. - als Kommanditistinnen mit einer Einlage von je 5.000 DM beteiligt. Nachfolgend errichteten sie durch Vertrag vom 18. November 1974 mit Stammeinlagen von je 10.000 DM die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2., die R-GmbH (GmbH).

Am 18. Januar 1977 schlossen H. R., H. J. S. und deren Ehefrauen weitere Verträge mit "Wirkung zum 1. Januar 1977". Aufgrund eines neugefaßten KG-Vertrages schieden H. R. und H. J. S. ohne Entgelt aus der KG aus, trat die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG ein und erhöhten die Ehefrauen des H. R. und des H. J. S. ihre Kommanditeinlage um je 15.000 DM. Die GmbH brachte ihre Dienstleistungen ein. Sie gewährleistet, daß ihre "mit der Leitung der Geschäftsführung der Gesellschaft betrauten Geschäftsführer ihre gesamte Arbeitskraft als Geschäftsführer oder Angestellte der Gesellschaft widmen und sich nicht ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung an einem anderen Unternehmen beteiligen". Der GmbH stehen 50 v.H., den Kommanditistinnen je 25 v.H. der Stimmrechte zu. Bei Stimmengleichheit oder Streitigkeiten entscheidet ein Schiedsgericht gemäß Schiedsvertrag. Vom Gewinn entfallen 2 v.H. auf die GmbH und nach Verzinsung der Festeinlagen je 49 v.H. auf die Kommanditistinnen. Die GmbH nimmt am Verlust nicht teil. Durch jeweils gesonderten Anstellungsvertrag mit GmbH und KG übernahmen H. R. und H. J. S. die Geschäftsführung der Gesellschaften, wobei die KG Einzelprokura erteilte. Als "festes Jahresgehalt" zahlt die GmbH an jeden Geschäftsführer 12.000 DM, die KG 36.000 DM. Darüber hinaus gewährt die KG als Tätigkeitsvergütung einen "Anteil am Jahresgewinn der Gesellschaft (Tantieme) in Höhe von 1/3" der bei geringer Gewinnhöhe verringert wird oder ganz entfällt. Die Änderung der Rechtsverhältnisse der KG wurden am 30. August 1977 in das Handelsregister eingetragen.

Die KG erklärte für das Streitjahr 1977 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 143.741 DM. Die Erlöse betrugen rd. 0,7 Mio. DM, die Löhne und Gehälter rd. 294.000 DM, darunter je 128.000 DM für H. R. und für H. J. S.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah H. R. und H. J. S. auch nach ihrem zivilrechtlichen Ausscheiden als persönlich haftende Gesellschafter aus der KG steuerrechtlich als deren Mitunternehmer an. Durch Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 29. Februar 1980 stellte er gewerbliche Einkünfte der KG in Höhe von 469.678 DM fest, wobei dem H. R. ein Gewinnanteil von 131.197 DM und dem H. J. S. ein Gewinnanteil von 130.831 DM zugerechnet wurden.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klagen führten zur Aufhebung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids. Das Finanzgericht (FG) wies das FA an, "nach Maßgabe der Entscheidungsgründe die Einkünfte für das Kalenderjahr 1977 auf die Beträge festzustellen, die sich ergeben, wenn die Kläger H. R. und H. J. S. ab 18. Januar 1977 nicht als Mitunternehmer behandelt werden".

Zur Begründung führte das FG aus, der angefochtene Bescheid verletze die Kläger insoweit in ihren Rechten, als er die GmbH bereits für die Zeit vom 1. Januar bis 18. Januar 1977 und H. R. sowie H. J. S. für die Zeit vom 18. Januar bis zum 31. Dezember 1977 als Mitunternehmer behandle. Die GmbH sei nicht - wie die Beteiligten offenbar angenommen hätten - zum Jahreswechsel 1976/1977 (1. Januar 1977), sondern erst zum 18. Januar 1977 als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG eingetreten. Erst zu diesem Zeitpunkt seien H. R. und H. J. S. als Gesellschafter ausgeschieden. In der zeitlichen Zuordnung von Beteiligungen an Personengesellschaften folge das Steuerrecht grundsätzlich dem Gesellschaftsrecht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Mai 1974 IV R 47/73, BFHE 113, 195, BStBl II 1974, 707). Danach sei der für das Streitjahr festzustellende Gewinn der KG auf die Zeiträume 1. bis 18. Januar und 18. Januar bis 31. Dezember 1977 aufzuteilen. Dies könne mangels einer Zwischenbilanz zum 18. Januar 1977 durch Schätzung geschehen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 1975 IV R 10/72, BFHE 116, 341, BStBl II 1975, 853). Nach ihrem Ausscheiden als Gesellschafter zum 18. Januar 1977 seien H. R. und H. J. S. nicht mehr als Mitunternehmer der KG anzusehen. In dieser Zeit sei von ihnen weder eine Mitunternehmerinitiative entfaltet noch ein Mitunternehmerrisiko getragen worden.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es ist der Auffassung, daß H. R. und H. J. S. als Mitunternehmer der KG anzusehen seien. Trotz der zivilrechtlichen Verselbständigung der GmbH und deren steuerrechtlicher Anerkennung könnten auch Gesellschafter einer GmbH als Mitunternehmer der GmbH & Co. KG angesehen werden, wenn ihre Stellung wirtschaftlich gesehen der eines Mitgesellschafters an der Personengesellschaft gleichkomme. Da H. R. und H. J. S. ihr gesamtes Wissen sowie ihre Arbeitskraft ausschließlich der KG zur Verfügung gestellt und das Unternehmen beherrscht hätten, seien sie als Mitunternehmer anzusehen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als für den Zeitraum vom 18. Januar 1977 bis zum 31. Dezember 1977 die Mitunternehmerschaft verneint wurde.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat ohne Rechtsverstoß H. R. und H. J. S. nur für die Zeit bis zum 17. Januar 1977, nicht dagegen für die Zeit vom 18. Januar 1977 bis zum 31. Dezember 1977 als Mitunternehmer der KG angesehen. Zutreffend ist das FG auch zu dem Ergebnis gelangt, daß die GmbH in der Zeit vom 1. Januar bis zum 17. Januar 1977 nicht Mitunternehmerin der KG war.

Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) ist Mitunternehmer, wer zusammen mit anderen Personen eine Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfalten kann und zusammen mit anderen Personen ein Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt. Beide Merkmale müssen vorliegen, mögen sie auch im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Das Zusammenwirken mit anderen Personen muß, wie der Große Senat aus Wortlaut, Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG schließt, in einem zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnis oder - in Ausnahmefällen - in einem wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnis erfolgen. Allgemein ist es gerechtfertigt, von einem wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnis und von einer einem Gesellschafter einer Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbaren Stellung dann zu sprechen, wenn Personen wirtschaftlich so gestellt sind, als wären sie Gesellschafter (Urteile des erkennenden Senats vom 22. Januar 1985 VIII R 303/81, BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 363, sowie vom 6. August 1985 VIII R 246/81, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1985, 79).

Die Rechtsstellung des H. R. und des H. J. S. in der KG erfüllt ab 18. Januar 1977 diese Voraussetzungen nicht mehr.

Keine der beiden Personen war ab dem 18. Januar 1977 noch Gesellschafter der KG. Daß jeder von ihnen zu 50 v.H. Gesellschafter der Komplementär-GmbH war, verschafft ihnen nicht die Stellung von Gesellschaftern der KG selbst. Denn ein Durchgriff durch die GmbH ist grundsätzlich nicht zulässig (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1983 I R 13/81, NV, sowie Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1973 VI ZR 53/72, BGHZ 61, 380, 383).

H. R. und H. J. S. hatten auch keine einem Gesellschafter der KG wirtschaftlich vergleichbare Stellung. Ihnen oblag allerdings die Führung der Geschäfte der GmbH und damit auch die Führung der Geschäfte der KG. Der Senat bezweifelt, ob sie damit eine Mitunternehmerinitiative entfalteten (vgl. BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 363). Jedenfalls fehlt es an dem weiteren, eine Mitunternehmerschaft kennzeichnenden Merkmal des Mitunternehmerrisikos.

Das Mitunternehmerrisiko kommt gewöhnlich dadurch zum Ausdruck, daß die in Frage stehende Person als Gesellschafter oder wie ein Gesellschafter am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswertes des Unternehmens beteiligt ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 24. Juli 1984 VIII R 65/84, BFHE 142, 221, 225, BStBl II 1985, 85). H. R. und H. J. S. waren lediglich unter bestimmten Voraussetzungen am Jahresgewinn der KG als Bestandteil einer Tätigkeitsvergütung beteiligt. Sie trugen dagegen kein Verlustrisiko und waren auch nicht an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts beteiligt. Damit sind wesentliche Voraussetzungen eines Mitunternehmerrisikos nicht gegeben. Das Vergütungsrisiko, das H. R. und H. J. S. in ihrer Eigenschaft als leitende Angestellte trugen, entsprach dem bei Dienstverträgen allgemein üblichen Risiko (vgl. BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 363). Das H. R. und H. J. S. auf die KG, also den Rechtsträger, der die Vergütungen schuldete, mittelbar über ihre Beteiligung an der Komplementär-GmbH Einfluß nehmen konnten, rechtfertigt für sich betrachtet noch nicht, das Vergütungsrisiko der beiden Personen, das sie als Anspruchsberechtigte trugen, als "Mitunternehmerrisiko" zu werten. Wäre es anders, bestünde z.B. zwischen jeder Ein-Mann-GmbH und ihrem alleinigen Gesellschafter, der aufgrund eines Dienstvertrags die Geschäfte der GmbH führt, notwendig Mitunternehmerschaft (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1985 IV R 104/82, BFH/NV 1986, 17).

H. R. und H. J. S. trugen allerdings insofern mittelbar ein unternehmerisches Risiko, als sie Gesellschafter der Komplementär-GmbH waren und diese am Gewinn und Verlust der KG teilhatte. Dieses Risiko war jedoch ein solches, das für den Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft kennzeichnend und dem eines Mitunternehmers einkommensteuerrechtlich nicht gleichwertig ist (vgl. BFH/NV 1986, 17).