| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 24.9.1985 (IX R 8/81) BStBl. 1986 II S. 726

Eine Spende nach § 10b Abs. 1 EStG fließt einem Empfänger i. S. von § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV schon dann unmittelbar zu, wenn der Spender nach außen erkennbar im Auftrage des Empfängers für dessen satzungsmäßigen Zweck Aufwendungen in Form von Wertabgaben aus dem geldwerten Vermögen erbringt und ihm damit Ausgaben erspart. Es ist nicht erforderlich, daß der Spender gegen den Empfänger einen Erstattungsanspruch hat, auf den er verzichtet (Abweichung von BFH-Urteil vom 28. April 1978 VI R 147/75, BFHE 125, 170, BStBl II 1979, 297)

EStG 1978 § 10b Abs. 1; EStDV § 48 Abs. 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist aktives Mitglied einer Initiativgruppe für Heimkinder. Zweck dieses vom zuständigen Finanzamt (FA) als besonders förderungswürdig und gemeinnützig anerkannten Vereins ist die Förderung und Unterstützung von Heimkindern. Um dieses Ziel zu erreichen, suchen seine Mitglieder Heimkindern insbesondere regelmäßige Außenkontakte durch zeitweilige Betreuung außerhalb des Heimes zu bieten. Die Mitglieder leisten ihre Arbeit nach Beschlußfassung und unter Aufsicht von Arbeitsgruppen des Vereins. Eine Erstattung der dabei entstehenden Auslagen seiner Mitglieder durch den Verein ist in seiner Satzung nicht vorgesehen. Dem Verein fehlen die hierfür erforderlichen Mittel.

Die Klägerin betreute im Streitjahr nach Anweisung der Arbeitsgruppe des Vereins ein verhaltensgestörtes Kind. Dabei holte sie es teils an Werk- und teils an Sonntagen mit ihrem eigenen Pkw vom Heim zu sich in ihre Wohnung und brachte es auch wieder zurück. Der Klägerin war bekannt, daß sie vom Verein keinen Ersatz ihrer Fahrtkosten werde erhalten können. Der Verein bescheinigte ihr zur Vorlage beim Beklagten und Revisionskläger (FA), dem Verein Fahrtkosten zwischen Wohnung und Kinderheim von 1.639,68 DM zugewendet zu haben.

Das FA lehnte es bei seiner Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer für das Jahr 1978 ab, ihre Fahrtaufwendungen als Spende nach § 10 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen, weil sie nach der Satzung des Vereins keinen Erstattungsanspruch gehabt habe, auf den sie hätte verzichten können.

Mit ihrer Klage schränkte die Klägerin den begehrten Abzug als Spende nach § 10 b Abs. 1 EStG auf einen Betrag von 5 v. H. des Gesamtbetrages ihrer Einkünfte von 29.612 DM, also auf 1.481 DM ein. Das Finanzgericht (FG) gab ihrer Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 19 veröffentlichten Urteil statt. Die Klägerin habe die strittigen Fahrtkosten unmittelbar dem besonders förderungswürdigen und gemeinnützigen Verein zugewendet. Sie habe ihre dem Vereinszweck dienende Aufgabe sinnvoll nur mit Hilfe ihres eigenen Pkw erfüllen können. Es widerspräche dem Zweck des § 10 b EStG, wollte man eine unmittelbare Zuwendung an den begünstigten Verein nur dann bejahen, wenn dessen Satzung eine Erstattung von Aufwendungen seiner Mitglieder vorsehe und diese hierauf verzichteten, nicht aber wenn eine Erstattung mangels Mitteln des Vereins von vornherein ausscheide.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 10 b Abs. 1 EStG. Die Klägerin habe der Initiativgruppe für Heimkinder nichts unmittelbar zugewendet, indem sie das von ihr betreute Heimkind mit ihrem eigenen Pkw abgeholt und wieder zurückgebracht habe. Sie habe dem Verein keinen Anspruch auf Erstattung von Kfz-Kosten im Wege des Verzichts hierauf zuwenden können, da ihr ein solcher Anspruch von vornherein nicht zugestanden habe.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat § 10 b Abs. 1 EStG zutreffend angewendet, indem es die Kfz-Kosten der Klägerin trotz fehlenden Erstattungsanspruchs gegen die Initiativgruppe für Heimkinder als vom Verein empfangene Spende beurteilt hat.

Nach § 10 b Abs. 1 Satz 1 EStG sind Ausgaben u. a. zur Förderung der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 5 v. H. des Gesamtbetrages der Einkünfte des Steuerpflichtigen als Sonderausgaben abzugsfähig. Als Ausgabe i. S. dieser Vorschrift gilt auch die Zuwendung von Wirtschaftsgütern mit Ausnahme von Nutzungen und Leistungen (§ 10b Abs. 1 Satz 3 EStG).

Als Spenden kommen danach nicht nur Zuwendungen von Geld in Betracht. Die Rechtsprechung hat auch sonstige geldwerte Vorteile als Spenden angesehen, sofern der Spender "Ausgaben" entsprechend § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG gehabt hat und der Vorteil unmittelbar für den begünstigten Empfänger i. S. von § 48 Abs. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) bestimmt gewesen ist. Im Falle eines persönlichen Tätigwerdens des Spenders ist der Aufwand an Zeit und Arbeitskraft infolge des Ausschlusses von "Nutzungen und Leistungen" nicht abziehbar, wohl aber der hierbei angefallene Vermögensaufwand wie z. B. Beförderungskosten.

Einen unmittelbaren Zufluß einer Spende beim Empfänger i. S. von § 48 Abs. 3 EStDV hat die Rechtsprechung überwiegend schon dann bejaht, wenn der Spender - nach außen erkennbar - im Namen und im Auftrag der begünstigten Institution für deren satzungsmäßigen Zweck Vermögen aufwendet und ihr damit Ausgaben erspart (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juli 1969 VI R 269/67, BFHE 96, 471, BStBl II 1969, 681, und 24. Februar 1972 IV R 2/68, BFHE 105, 465, BStBl II 1972, 613). Der erkennende Senat als der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Senat für Streitigkeiten bezüglich Sonderausgaben nach § 10b EStG folgt dieser Rechtsprechung. Er schließt sich jedoch insoweit nicht der Entscheidung des VI. Senats vom 28. April 1978 VI R 147/75 (BFHE 125, 170, BStBl II 1979, 297) an, als in dieser für einen unmittelbaren Zufluß von Kfz-Kosten beim begünstigten Empfänger noch zusätzlich verlangt wird, daß die Satzung des Vereins eine Erstattung von Fahrtkosten vorsieht und der Spender hierauf verzichtet. Eines Forderungsverzichts bedarf es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht, um einen unmittelbaren Zufluß beim begünstigten Empfänger bejahen zu können. Denn wie schon oben ausgeführt, bereichert das Vermögensopfer des Spenders auch ohne einen Forderungsverzicht den begünstigten Verein als Leistungsempfänger und nicht einen Dritten. Damit ist eine Zuwendung für satzungsmäßige Zwecke des begünstigten Empfängers sichergestellt.

Die Klägerin erfüllte mit den von ihr geltend gemachten Kfz-Aufwendungen sämtliche vorstehenden Voraussetzungen für eine nach § 10b Abs. 1 EStG abziehbare Spende. Sie handelte bei ihren Pkw-Fahrten zwischen ihrer Wohnung und dem Heim nach außen erkennbar im Auftrage der Initiativgruppe für Heimkinder. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wurde sie dabei auf Grund der voraufgegangenen, sie auch gegenüber dem Heim legitimierenden Beschlußfassung der Arbeitsgruppe des Vereins tätig und erfüllte die ihr durch die Arbeitsgruppe zugewiesene Aufgabe der Betreuung eines Heimkindes entsprechend dem satzungsmäßigen Zweck des Vereins. Die Initiativgruppe für Heimkinder wurde durch Vermögensopfer, wie sie die Klägerin durch Einsatz ihres Pkw erbrachte, mangels anderweitiger geldlicher oder sachlicher Mittel überhaupt erst in den Stand versetzt, Heimkindern regelmäßige Außenkontakte zu bieten. Schließlich ist die Initiativgruppe für Heimkinder als die durch die Aufwendungen der Klägerin begünstigte Empfängerin nach den tatsächlichen Feststellungen des FG als besonders förderungswürdige und gemeinnützige Einrichtung i. S. des § 48 Abs. 3 EStDV anerkannt.

Die Höhe der Aufwendungen der Klägerin ist unter den Beteiligten nicht im Streit.