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BFH-Urteil vom 6.3.1986 (I R 310/82) BStBl. 1986 II S. 755

1. Eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung i. S. des § 2 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1959 bzw. i. S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1972 setzt deren Eignung voraus, der Kapitalgesellschaft Kapital zuzuführen und damit den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Von einer entsprechenden Kapitalzufuhr kann nur gesprochen werden, wenn entweder ein Vermögensgegenstand als solcher auf die Kapitalgesellschaft übertragen oder wenn ihr an demselben ein geldwertes Nutzungsrecht eingeräumt wird.

2. Wird die Beteiligung an einer inländischen Tochtergesellschaft dem Betriebsvermögen der inländischen Niederlassung einer ausländischen Muttergesellschaft zugeführt, so ist die Zuführung i. S. des § 2 Nr. 6 KVStG 1959 bzw. i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVStG 1972 nur dann gesellschaftsteuerpflichtig, wenn die Niederlassung die Beteiligung entweder zur freien Verfügung oder aber zur Erzielung von Einkünften durch Nutzung erhält.

KVStG 1959 § 2 Nrn. 2-4 u. 6; KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nrn. 2-4 u. 6.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Gesamtrechtsnachfolgerin der M-AG in Wien. Die M-AG war bis zum 31. Dezember 1974 Hauptgesellschafterin der T-AG in Düsseldorf. Zwischen der M-AG und der T-AG wurde im Jahre 1960 ein Beherrschungsvertrag i. S. des § 291 des Aktiengesetzes (AktG) vom 6. September 1965 (BGBl I 1965, 1089) abgeschlossen. Nach dem Inhalt des Beherrschungsvertrags wurde der rechtlich unselbständigen Zweigniederlassung der M-AG im Inland die Aufgabe übertragen, den beherrschenden Einfluß der M-AG auf die T-AG sicherzustellen. Der Zweigniederlassung oblag daneben die Einfuhr von in Österreich hergestellten Werkzeugen. Bilanziell wurden sämtliche Aktien, die die M-AG an der T-AG hielt, dem Betriebsvermögen der inländischen Zweigniederlassung zugeordnet.

Die T-AG beschloß am 13. Juli 1971 die Erhöhung ihres Grundkapitals um 5 Mio. DM und am 28. November 1973 um weitere 2 Mio. DM. Die M-AG erwarb die neuen Gesellschafterrechte gegen Zahlung von 7 Mio. DM an die T-AG. Aktienurkunden wurden nicht ausgestellt. Der M-AG wurden nur sog. Zwischenscheine übersandt. Bilanziell wurden die neuen Gesellschaftsrechte wiederum im Betriebsvermögen der Zweigniederlassung ausgewiesen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte für den Ersterwerb der neuen Gesellschaftsrechte durch die M-AG an der T-AG mit Steuerbescheiden vom 30. Dezember 1971 und 3. Januar 1974 Gesellschaftsteuer fest. Die Steuern sind entrichtet. Die Bescheide sind bestandskräftig. Das FA sah und sieht jedoch in der bilanziellen Zuordnung der neuen Aktienrechte zum Betriebsvermögen der inländischen Zweigniederlassung einen weiteren gesellschaftsteuerpflichtigen Vorgang i. S. des § 2 Nr. 6 des Kapitalverkehrsteuergesetzes i. d. F. vom 24. Juli 1959 - KVStG 1959 - (BGBl I 1959, 530, BStBl I 1959, 596) mit den sich aus dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften und des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 9. August 1960 (BGBl I 1969, 682, BStBl I 1969, 614) ergebenden Änderungen bzw. i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Kapitalverkehrsteuergesetzes i. d. F. vom 17. November 1972 - KVStG 1972 - (BGBl I 1972, 2129, BStBl I 1972, 532) und setzte gegenüber der Klägerin durch Steuerbescheid vom 17. Februar 1976 erneut eine Gesellschaftsteuer fest.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 250 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 2 Nr. 6 KVStG 1959 bzw. von § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVStG 1972.

Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Nr. 6 KVStG 1959 und § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVStG 1972 unterliegt die Zuführung von Anlage- oder Betriebskapital durch eine ausländische Kapitalgesellschaft an ihre inländische Niederlassung der Gesellschaftsteuer. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die inländischen Niederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften deren inländischen Tochterkapitalgesellschaften gleichstellen. Deshalb sind die Voraussetzungen des § 2 Nr. 6 KVStG 1959 bzw. des § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVStG 1972 erfüllt, wenn einer Zweigniederlassung Anlage- oder Betriebskapital in einer Weise zugeführt wird, die wirtschaftlich mit der Errichtung oder mit der Kapitalerhöhung bei einer Tochterkapitalgesellschaft vergleichbar ist. Diese Zielsetzung steckt zugleich die Grenzen des § 2 Nr. 6 KVStG 1959 und des § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVStG 1972 ab. Die Vorschriften wollen nur das Fehlen mehrerer selbständiger Rechtsträger kompensieren. Im übrigen wollen sie nur solche Sachverhalte erfassen, die - wenn sie sich unter Beteiligung mehrerer Rechtssubjekte vollziehen würden - nach den allgemeinen Regeln des KVStG 1959 und 1972 als Leistung im Sinne dieser Gesetze anzusehen wären (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. April 1978 II R 67/75, BFHE 125, 201, BStBl II 1978, 469).

2. a) Nach § 2 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1959 bzw. nach § 2 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1972 unterliegen Leistungen der Gesellschaftsteuer, die der Gesellschafter als solcher gegenüber der Kapitalgesellschaft erbringt. Eine für die Gesellschaftsteuer relevante Leistung muß in einem Tun oder Unterlassen bestehen, das auf eine echte (einseitige) Kapitalzufuhr durch den Gesellschafter gerichtet ist. Im einzelnen kann es sich um Geldleistungen, um Sachleistungen (vgl. §§ 27, 55 AktG, § 3 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) oder um sonstige Leistungen handeln, sofern ihnen Geldwert zukommt. § 2 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1959 und § 2 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1972 nennen als Beispiele weitere Einzahlungen, Nachschüsse, Zuschüsse, Zuzahlungen, Verzicht auf Forderungen sowie die Überlassung bzw. die Übernahme von Gegenständen über bzw. unter Wert. Kann demnach eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung auch in der Überlassung von Gegenständen aller Art zur bloßen Nutzung liegen, so kann die Auffassung der Vorinstanz nicht zutreffen, daß im Streitfall eine Einlage die Möglichkeit des Anteilsverkaufs, der Anteilsverpfändung oder der Anteilsbeleihung voraussetze. Nur der Gesellschafter kann Anteile verkaufen, verpfänden oder beleihen. Die rechtlichen Möglichkeiten eines Nutzungsberechtigten sind dagegen beschränkt.

b) Dennoch ist der gedankliche Ansatz in der Begründung der Vorentscheidung letztlich zutreffend. Eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung i. S. des § 2 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1959 bzw. i. S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 KVStG 1972 setzt deren Eignung voraus, der Kapitalgesellschaft Kapital zuzuführen und damit den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Von einer entsprechenden Kapitalzufuhr kann nur gesprochen werden, wenn entweder ein Vermögensgegenstand als solcher auf die Kapitalgesellschaft übertragen oder wenn ihr an demselben ein geldwertes Nutzungsrecht eingeräumt wird. Es gilt, diesen Rechtsgedanken auf § 2 Nr. 6 KVStG 1959 und auf § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVStG 1972 zu übertragen. Danach ist eine gesellschaftsteuerpflichtige Zuführung von Anlage- oder Betriebskapital durch die M-AG an ihre inländische Niederlassung anzunehmen, wenn die inländische Niederlassung die neu erworbenen Aktien an der T-AG entweder zur freien Verfügung oder aber zur Erzielung von Einkünften durch Nutzung erhielt. Die erste Voraussetzung wäre erfüllt, wenn der Leiter der inländischen Niederlassung im Innenverhältnis ermächtigt gewesen sein sollte, über die neu erworbenen Aktien zur Erfüllung der Aufgaben der Zweigniederlassung wie ein Gesellschafter frei zu verfügen. Eine solche Ermächtigung setzt die Vollmacht voraus, ggf. die Anteile zu veräußern, zu beleihen oder zu verpfänden. Die zweite Voraussetzung wäre dagegen schon dann erfüllt, wenn dem Leiter der inländischen Zweigniederlassung das Recht eingeräumt worden sein sollte, die Erträge aus den Aktien für Zwecke der inländischen Niederlassung frei zu verwenden. Sollte dagegen der inländischen Niederlassung nur die Beherrschung der T-AG ohne die Möglichkeit obgelegen haben, Erträge aus den Aktien zu erzielen, so fehlt es begrifflich an einer Kapitalzuführung der M-AG an ihre inländische Niederlassung mit der Folge, daß kein gesellschaftsteuerpflichtiger Tatbestand erfüllt worden wäre.

3. a) Das FG hat seine Beurteilung, wonach es an einer Kapitalzufuhr im Streitfall fehlt, einmal auf die zugunsten der Klägerin ausgestellten Zwischenscheine gestützt. Da die inländische Zweigniederlassung der M-AG jedoch gegenüber der Klägerin keine andere Rechtsperson ist, besagen die Eintragungen auf den Zwischenscheinen letztlich nichts über die hier interessierenden Kriterien einer Kapitalzufuhr. Die Zwischenscheine hätten in gleicher Weise ausgestellt werden können, wenn die inländische Zweigniederlassung die Kapitalerhöhung bei der T-AG unmittelbar gezeichnet und wirtschaftlich getragen hätte. Immer wäre die Klägerin als einheitliche Rechtsperson aus den Zwischenscheinen legitimiert gewesen. Abzustellen ist deshalb insoweit auf die dem Leiter der inländischen Zweigniederlassung im Innenverhältnis eingeräumten Befugnisse.

b) Das FG hat jedoch zusätzlich in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die aus der Beteiligung resultierenden Pflichten ausschließlich von der Klägerin unmittelbar wahrgenommen worden sind. Auch lag die alleinige Verwertungsbefugnis bei der Klägerin im Ausland. Der Senat versteht diese Feststellungen des FG dahin, daß der inländischen Zweigniederlassung auch keine Nutzungsrechte an den neu erworbenen Aktien der T-AG zustanden. Besaß aber die inländische Zweigniederlassung der M-AG keine Nutzungsrechte an den Aktien der T-AG, so scheidet die Annahme einer Kapitalzufuhr mit der Folge aus, daß die Voraussetzungen eines gemäß § 2 Nr. 6 KVStG 1959 bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVStG 1972 gesellschaftsteuerpflichtigen Tatbestands nicht erfüllt sind. Die Entscheidung des FG, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.