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BFH-Urteil vom 18.3.1986 (II R 214/83) BStBl. 1986 II S. 778

Für den Fall, daß im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren betreffend einen Art- und Wertfortschreibungsbescheid ein notwendig Beteiligter hinzugezogen wurde und in der ihm zugestellten Einspruchsentscheidung der Inhalt des angefochtenen Bescheids wiederholt wird, schließt sich der II. Senat dem Urteil des IV. Senats vom 8. Juli 1982 IV R 20/78 (BFHE 136, 252, 257, BStBl II 1982, 700) an, daß der Feststellungsbescheid nicht mehr wegen fehlender Bekanntgabe an diesen Beteiligten aufzuheben ist.

AO 1977 § 122 Abs. 1, §§ 179, 180, 183 Abs. 1, § 360; FGO § 44 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger sind zu je 1/2 Eigentümer des Grundstücks F-Straße 16 in H. Auf diesem Grundstück errichteten sie im Jahre 1980 ein - in der Bauanzeige als Einfamilienhaus bezeichnetes - Wohngebäude. Es besteht aus Erd- und Dachgeschoß. Vom Hauseingang im Erdgeschoß wird eine Diele betreten, von der aus ein WC, die Garderobe und das Wohn-Eßzimmer erreicht werden. Nach links knickt ein Flur ab, der zu einem Schlaf- und einem Kinderzimmer sowie zu einem Bad führt. In der Diele beginnt die Treppe zum Dachgeschoß, die durch einen dicken, undurchsichtigen Vorhang abgeschlossen sein soll. Im Dachgeschoß führt die Treppe auf eine Empore, auf die die Türen zu den einzelnen Räumen des Dachgeschosses münden.

Mit Art- und Wertfortschreibungsbescheid vom 27. November 1981 stellte das Finanzamt (FA) zum 1. Januar 1981 die Art Einfamilienhaus fest. Den Bescheid hat das FA an den Kläger zu 1 gerichtet. In ihm werden beide Kläger als Miteigentümer je zu 1/2 bezeichnet. Weiter heißt es in dem Bescheid: "Der Bescheid ergeht an Sie mit Wirkung für und gegen alle Miteigentümer."

Gegen den Bescheid hat der Kläger zu 1 Einspruch eingelegt. Während des Einspruchsverfahrens hat das FA der Klägerin zu 2 mitgeteilt, sie sei gemäß § 360 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Verfahren hinzuzuziehen. Die Klägerin hat daraufhin erklärt, der Bevollmächtigte ihres Ehemannes vertrete in diesem Einspruchsverfahren auch ihre Interessen. Das FA hat mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 30. Juni 1982 - je eine gegenüber jedem der Kläger - den Einspruch, mit dem Artfeststellung als Zweifamilienhaus begehrt wurde, als unbegründet zurückgewiesen. In den Einspruchsentscheidungen hat es seine anläßlich einer Ortsbesichtigung getroffenen tatsächlichen Feststellungen sowie die getroffene Art- und Wertfeststellung wiederholt.

Mit der Klage begehren die Kläger, unter Änderung des Artfortschreibungsbescheids vom 27. November 1981 und Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 30. Juni 1982 das Haus als Zweifamilienhaus zu bewerten.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) den Art- und Wertfortschreibungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidungen aufgehoben. Zwar sei das Grundstück zutreffend als Einfamilienhaus bewertet worden, doch sei der angegriffene Bescheid nicht wirksam geworden, weil er nur dem Kläger bekanntgegeben worden sei. Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 AO 1977 hätten nicht vorgelegen, denn der Kläger sei weder zum Empfangsbevollmächtigten bestellt worden, noch habe er die Befugnis zur Vertretung bzw. Verwaltung. Auch hätten zwei Ausfertigungen erteilt werden müssen, weil die Klägerin die Feststellungserklärung nicht mitunterschrieben habe. Die Unwirksamkeit des angefochtenen Bescheids ziehe die Unwirksamkeit der Einspruchsentscheidungen nach sich.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 119 Abs. 1, § 122 Abs. 1 und § 183 Abs. 1 AO 1977. Entgegen der Auffassung des FG seien die Voraussetzungen für eine vereinfachte Bekanntgabe sowohl nach § 183 Abs. 1 Satz 1 als auch Satz 2 AO 1977 erfüllt. Der Kläger habe sich bereits in der - allerdings nicht von der Klägerin mitunterzeichneten - Feststellungserklärung als Bevollmächtigter ausgegeben. Zumindest sei er zur Vertretung berufen. Schließlich werde ein etwaiger Bekanntgabemangel durch die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen geheilt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Abweisung der Klage.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG unzutreffend davon ausgegangen ist, die von ihm angenommene Unwirksamkeit des Art- und Wertfortschreibungsbescheids ziehe auch die Unwirksamkeit der Einspruchsentscheidungen nach sich. Dabei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob der Verwaltungsakt vom 27. November 1981 wirksam bekanntgegeben worden ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist der Verwaltungsakt in der Gestalt, den er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat (§ 44 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); die Einspruchsentscheidungen sind aber unstreitig jeweils beiden Klägern persönlich zu Händen ihres Bevollmächtigten bekanntgegeben worden. Demgemäß ist der Bescheid, dessen formelle und materielle Rechtmäßigkeit im Klageverfahren zu prüfen ist, insoweit nicht mehr mit einem Bekanntgabemangel behaftet (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, 257, BStBl II 1982, 700).

2. Die Sache ist spruchreif. Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung enthalten (§ 75 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Für die Beurteilung der Frage, ob Räumlichkeiten den - im BewG selbst nicht definierten - bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff erfüllen, ist für nach dem 1. Januar 1973 bezugsfertig errichtete Gebäude u. a. wesentlich, daß die Räume eine von anderen Wohnungen und Wohnräumen eindeutig baulich getrennte, in sich abgeschlossene Einheit darstellen, die einen eigenen Zugang aufweist (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151). Wie das FG insoweit zutreffend ausgeführt hat, bilden Erd- und Dachgeschoß des von den Klägern errichteten Hauses keine in dieser Weise baulich getrennten Einheiten, weil es an einem jeweiligen deutlichen Wohnungsabschluß mangelt.