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BFH-Urteil vom 11.7.1986 (VI R 39/83) BStBl. 1986 II S. 866

Erleidet ein Arbeitnehmer auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Kraftfahrzeug einen Unfall und erhöhen sich deshalb im Folgejahr die Beiträge zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung, so können die Erhöhungsbeträge nicht neben den Pauschsätzen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als Werbungskosten geltend gemacht werden.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahre 1977 erlitt er auf der Fahrt zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte mit dem eigenen PKW einen Verkehrsunfall. Daraufhin erhöhte seine Versicherungsgesellschaft im Folgejahr die Versicherungsbeiträge für die Haftpflicht- und die Kaskoversicherung um insgesamt 411,60 DM. Diesen Betrag machten der Kläger und seine Ehefrau in ihrem gemeinsamen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 als Werbungskosten des Klägers geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den geltend gemachten Differenzbetrag zwischen dem alten und dem neuen Versicherungsbeitrag jedoch nicht als Werbungskosten an.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 408 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus, nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien sämtliche Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten. Diese Aufwendungen würden jedoch bei Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug nur in Höhe eines Pauschbetrages von 0,36 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag berücksichtigt. Nach ständiger Rechtsprechung seien mit diesem Pauschbetrag sämtliche mit der laufenden Nutzung eines Kraftfahrzeugs typischerweise zusammenhängende Kosten abgegolten. Eine Ausnahme gelte nur für außergewöhnliche und nicht vorhersehbare Aufwendungen, die - wie Unfallkosten - nicht pauschaliert werden könnten. Zu den laufenden Kosten gehörten insbesondere die Kraftfahrzeugsteuer, Versicherungsprämien und übliche Reparaturaufwendungen.

Auch die nach den Versicherungsbedingungen infolge eines Schadens mit Beginn des nächsten Versicherungsjahres zu zahlenden erhöhten Versicherungsbeiträge zählten zu den laufenden Kosten der Fahrzeughaltung und seien daher ebenfalls mit dem Pauschbetrag abgegolten. Diese Kosten würden nicht dadurch, daß sie durch einen Unfall ausgelöst seien, ihrer Natur nach außergewöhnliche und nicht vorhersehbare Aufwendungen. Denn es handele sich nicht um unmittelbar durch den Unfall verursachte Kosten. Vielmehr entstünden die erhöhten Versicherungsbeiträge erst, wenn der Steuerpflichtige sich nach Ablauf des Versicherungsjahres entschließe, das Kraftfahrzeug weiter zu behalten und zu versichern. Sie könnten daher nicht mehr als durch ein außergewöhnliches Ereignis verursacht angesehen werden.

Hiergegen richtet sich die Revision. Die Kläger rügen Verletzung des § 9 EStG. Sie machen im wesentlichen geltend, Kraftfahrzeugversicherungen würden ausschließlich zur Kostendeckung auf Grund eines Schadensereignisses abgeschlossen. Schon aus diesem Grunde müsse ein direkter Zusammenhang der Versicherungsprämien mit einem künftigen Unfall angenommen werden. Von einem nur mittelbaren Zusammenhang könne zumindest dann nicht ausgegangen werden, wenn - wie hier - private Motive nicht ersichtlich seien, sondern es ausschließlich darum gehe, als Geschädigter so gestellt zu werden, wie es ohne das schädigende Ereignis der Fall gewesen wäre. Unzulässigerweise setze sich das FG über die Vorhersehbarkeit des Unfalls mit der Begründung hinweg, die Prämienmehrbelastung sei deshalb vorhersehbar gewesen, weil sie durch die Inanspruchnahme der Versicherung, nicht aber durch den Unfall veranlaßt sei. Hiermit unterstelle es, daß sich der Geschädigte - anders als bei anderen Unfallkosten, z.B. Reparaturaufwendungen oder Anwaltskosten - dem Aufwand hätte entziehen können.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Kläger kann die infolge des Unfalls erhöhten Beiträge zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung nicht mit Erfolg als Werbungskosten geltend machen.

Allerdings sind die streitigen Erhöhungsbeträge Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle durch den Beruf veranlaßten Aufwendungen (Urteil vom 1. Oktober 1982 VI R 192/79, BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17). Dabei ist eine berufliche Veranlassung anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs gemacht werden. Nicht erforderlich ist, daß zwischen der Berufstätigkeit und den Aufwendungen ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ein nur mittelbarer Zusammenhang darf aber nicht allzu lose und entfernt sein (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442, und in BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17).

Danach ist zunächst davon auszugehen, daß Beiträge zur Haftpflichtversicherung und zur Kaskoversicherung des Fahrzeugs eines Arbeitnehmers, soweit das Fahrzeug beruflich genutzt wird, dem Grunde nach Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit sind (vgl. auch FG Münster, Urteil vom 31. Januar 1968 I 2084/66 E, EFG 1968, 353 für die Vollkaskoversicherung). Insoweit gilt bei Arbeitnehmern nichts anderes als bei Freiberuflern und Gewerbetreibenden, bei denen es keinem Zweifel unterliegt, daß die Versicherungsbeiträge zusammen mit den übrigen laufenden Unterhaltskosten eines (auch) beruflich/betrieblich genutzten PKW im Umfang der beruflichen/betrieblichen Nutzung als Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen sind (so schon BFH-Urteil vom 9. Oktober 1953 IV 536/52 U, BFHE 58, 120, BStBl III 1953, 337). Nichts anderes gilt aber dann, wenn die Versicherungsbeiträge sich aufgrund eines Unfalls, der auf einer Privat- oder einer Berufsfahrt eingetreten ist, erhöhen. Wenn deshalb ein Arbeitnehmer z.B. bei Dienstreisen oder - im Falle eines Körperbehinderten unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 EStG - für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächlichen Aufwendungen für das benutzte eigene Kraftfahrzeug geltend machen kann, so sind die Beiträge zur Haftpflichtversicherung und ggf. auch zur Kaskoversicherung ohne Rücksicht darauf als Werbungskosten abziehbar, ob sie sich dadurch erhöht haben, daß der Arbeitnehmer im Vorjahr einen - sei es beruflich oder privat veranlaßten - Unfall erlitten hat.

Im Streitfall scheitert die Abziehbarkeit der Erhöhungsbeiträge für die Haftpflicht- und Kaskoversicherung aber daran, daß dem Kläger gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nur der Pauschbetrag von 0,36 DM pro Entfernungskilometer zusteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats werden mit dieser bei Benutzung des eigenen PKW für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu gewährenden Pauschale sämtliche mit der laufenden Nutzung des Kraftfahrzeugs typischerweise zusammenhängenden Kosten abgegolten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. November 1979 VI R 83/77, BFHE 129, 346, BStBl II 1980, 138 m.w.N.). Zu den laufenden Kosten in diesem Sinne gehören auch die Beiträge zur Haftpflicht- und ggf. auch diejenigen zur Kaskoversicherung. Dabei macht es nach Auffassung des Senats keinen Unterschied, nach welchem Beitragssatz (welcher Schadensfreiheitsklasse) sich der Versicherungsbeitrag im Einzelfall berechnet. Vielmehr sind Versicherungsbeiträge, gleichgültig, ob es sich um ein erstmals versichertes, ein in der höchsten Schadensfreiheitsklasse befindliches oder ein - nach privat oder beruflich veranlaßten Unfällen - zurückgestuftes Fahrzeug handelt, stets durch die Pauschale des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mitabgegolten. Dem Zweck der Vorschrift, der u.a. auf Verwaltungsvereinfachung gerichtet ist (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 9 Anm. 8), würde es widersprechen, in den vorerwähnten Fällen zu differenzieren. Die Berücksichtigung einer Rückstufung nach einem beruflich veranlaßten Unfall hätte zudem zur Folge, daß jährlich eine komplizierte vergleichende Berechnung der anfallenden Versicherungsprämien mit und ohne Berücksichtigung des Unfalls erforderlich werden würde, die entgegen Seitrich (Finanz-Rundschau 1984, 141) - jedenfalls bei der Haftpflichtversicherung - nicht einmal immer mit der Anschaffung eines neuen Fahrzeugs enden müßte.

Die Rechtsauffassung des Senats wird, zumindest im Ergebnis, geteilt vom FG Berlin, Urteil vom 26. November 1984 VIII 346/83 (Leitsatz veröffentlicht in EFG 1985, 392); Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 Rz. 20 c Abs. 3; Boeker/Offerhaus in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 Anm. 68; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 9 Rdnr. 532; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Anm. 8 b; a.A. insbesondere Seitrich, a.a.O. Sie widerspricht nicht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß Unfallkosten neben den Pauschsätzen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geltend gemacht werden können (vgl. z.B. Beschluß vom 13. November 1970 VI B 112/70, BFHE 100, 461, BStBl II 1971, 101; Urteile vom 24. Februar 1978 VI R 177/73, BFHE 124, 524, BStBl II 1978, 380, und vom 6. April 1984 VI R 103/79, BFHE 141, 35, BStBl II 1984, 434). Denn diese Rechtsprechung bezog sich nicht auf die unfallbedingte Erhöhung laufender Aufwendungen für den PKW.