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BFH-Urteil vom 6.5.1986 (VIII R 300/82) BStBl. 1986 II S. 891

1. Für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses i. S. des § 705 BGB ist es unschädlich, wenn ein Gesellschafter es übernimmt, den Betrieb der Gesellschaft im eigenen Namen für Rechnung der Gesellschaft zu führen.

2. Das Merkmal der Mitunternehmerinitiative ist bei Betriebsführung durch einen Gesellschafter hinsichtlich der anderen Gesellschafter erfüllt, wenn diese alle maßgebenden Entscheidungen des Unternehmens der Gesellschaft miterörtern und mittragen.

3. Ist bei einer Personengesellschaft kein Gesellschaftsvermögen vorhanden, so trägt ein Gesellschafter Mitunternehmerrisiko, wenn er am laufenden Gewinn und Verlust und am Geschäftswert der Gesellschaft beteiligt ist und ihm die stillen Reserven seines Sonderbetriebsvermögens zuzurechnen sind.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist die Rechtsnachfolgerin der K-GmbH. Sie ist aus der K-GmbH durch Umwandlung zum 31. Dezember 1969 hervorgegangen. Die Beigeladene, ebenfalls eine GmbH & Co. KG, ist die Rechtsnachfolgerin der S-KG.

Am 28. November 1969 schlossen die K-GmbH und die S-KG einen Vertrag, nach dem die S-KG ein Mischwerk für bituminöses Mischgut errichten und betreiben sollte. Die K-GmbH verpflichtete sich, der S-KG dafür Investitionsgegenstände mietweise zu überlassen. Der Mietzins sollte sich nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Mietzinsdauer der vermieteten Wirtschaftsgüter bemessen. Außerdem wurde die K-GmbH mit 30 v. H. am Ergebnis des Mischwerkes beteiligt.

Die S-KG führte die Geschäfte des Mischwerkes, das im Juni 1970 seinen Betrieb aufnahm. Sie erwirtschaftete 1970 einen Verlust von ca. 85.000 DM. Die Klägerin übernahm hiervon 30 v. H. Für die im Jahr 1969 angeschafften und an die S-KG vermieteten Wirtschaftsgüter beantragte die Klägerin, ihr eine Investitionsprämie nach § 32 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete - KoG - (Kohleprämie) zu gewähren und die Körperschaftsteuer der K-GmbH entsprechend zu ermäßigen. Das für die Körperschaftsbesteuerung der K-GmbH zuständige Finanzamt lehnte dies im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung 1969 der K-GmbH ab, weil die angeschafften Wirtschaftsgüter nicht drei Jahre in einer eigenen Betriebsstätte der Klägerin verblieben seien. Die Klägerin habe die Wirtschaftsgüter an die S-KG vermietet. Sie sei keine Mitunternehmerin des Mischwerkes gewesen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. Juli 1979 I R 199/75 (BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750) das Urteil des Finanzgerichts (FG) mit der Begründung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, es könne nur im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung entschieden werden, ob die Klägerin mit der S-KG eine Mitunternehmerschaft gebildet habe und ihr eine Kohleprämie zu gewähren sei; das FG werde für seine abschließende Entscheidung den Ausgang des nunmehr durchzuführenden Gewinnfeststellungsverfahrens hinsichtlich der behaupteten Mitunternehmerschaft der K-GmbH und der S-KG und der übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Investitionsprämie abzuwarten haben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte daraufhin für die Streitjahre (1969 und 1970) eine solche gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung ab, weil die Klägerin nicht Mitunternehmerin gewesen sei.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

I. Unter Berücksichtigung des Urteils des I. Senats in BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750 geht der erkennende Senat davon aus, daß das FA mit den angefochtenen negativen Gewinnfeststellungsbescheiden eine Mitunternehmerschaft zwischen der K-GmbH bzw. der Klägerin und der S-KG hinsichtlich des Betriebs des Mischwerkes verneinen wollte, zumal eine Beteiligung der K-GmbH bzw. der Klägerin an der S-KG niemals zur Erörterung stand.

Im Gegensatz zur Auffassung des FA und des FG bestand jedoch in den Streitjahren zwischen der K-GmbH bzw. der Klägerin und der S-KG hinsichtlich des Betriebs des Mischwerkes eine Mitunternehmerschaft. Der Vertrag vom 28. November 1969 ist nicht nur ein Mietvertrag, sondern auch ein Vertrag über die Errichtung einer Innengesellschaft und ein Betriebsführungsvertrag. Die Klägerin (im Streitjahr 1969 die K-GmbH) hat außerdem Mitunternehmerinitiative entwickelt und ein Mitunternehmerrisiko getragen.

1. Zwischen der Klägerin (der K-GmbH) und der S-KG lag in den Streitjahren ein Gesellschaftsverhältnis vor; denn beide haben sich durch den Vertrag vom 28. November 1969 gegenseitig verpflichtet, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, nämlich die Errichtung und den Betrieb eines Mischwerkes, in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern. Die Beitragsleistung der Klägerin bestand in der entgeltlichen Überlassung eines Teils der für den Betrieb benötigten Wirtschaftsgüter. Der Beitrag der S-KG bestand in der Überlassung der restlichen für den Betrieb des Mischwerkes erforderlichen Wirtschaftsgüter und der Übernahme der Betriebsführung im eigenen Namen.

Als Folge der Übernahme der Betriebsführung durch die S-KG handelte es sich nicht um eine Außengesellschaft, sondern um eine Innengesellschaft, was jedoch für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses i. S. von § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unschädlich ist.

Daß ein gemeinsamer Zweck vorhanden ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Mischwerkes (die Klägerin wollte zunächst ein kleineres Mischwerk für den eigenen Bedarf bauen) und aus der vereinbarten Ergebnisbeteiligung.

2. Die Klägerin konnte Mitunternehmerinitiative entwickeln.

a) Der vor dem FG in der mündlichen Verhandlung als Vertreter der Beigeladenen erschienene Dipl.-Ing. D, der seit Ende 1970 einer der beiden Geschäftsführer des Mischwerkes war, hat laut Sitzungsniederschrift erklärt, die Klägerin sei als Partner behandelt worden und habe alle maßgebenden Entscheidungen, die in den Jahren des Bestehens des Mischwerkes getroffen worden seien, miterörtert und mitgetragen. Das FG hat sich diese Aussage zu eigen gemacht, aus ihr jedoch eine unrichtige Folgerung gezogen, wenn es die sich hieraus ergebende Mitunternehmerinitiative der Klägerin mit dem Hinweis abtut, diese Tätigkeit der Klägerin sei lediglich Ausfluß ihres Anhörungsrechts gewesen; denn das Mittragen von maßgebenden Unternehmensentscheidungen geht über ein Anhörungsrecht hinaus.

b) Der Umstand, daß die S-KG nach dem Vertrag vom 28. November 1969 das Mischwerk allein und in eigener Verantwortung betrieb, steht der Annahme einer Mitunternehmerinitiative nicht entgegen. Nach Auffassung des Senats sind die betreffenden Vereinbarungen (§ 1 des Vertrages), die der revisionsrichterlichen Auslegung zugänglich sind, als Betriebsführungsvertrag zu werten. Bei einem solchen Vertrag wird entweder ein Dritter (möglicherweise auch ein Gesellschafter) in weitem Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betraut und mit einer umfassenden Vollmacht ausgestattet (Entscheidung des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22. Januar 1962 II ZR 11/61, BGHZ 36, 292), oder ein Dritter (möglicherweise ein Gesellschafter) wird beauftragt, im eigenen Namen für Rechnung der Gesellschaft den Betrieb zu führen (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 44. Aufl., Vorbemerkung vor §§ 709 bis 715 Anm. 1 e, und Löffler, Neue juristische Wochenschrift - NJW - 1983, 2920). Die letztere Form der Betriebsführung liegt im Streitfall vor. Die S-KG führte nach den Feststellungen des FG das Mischwerk im eigenen Namen. Der Betrieb wurde aber nicht auf eigene Rechnung der S-KG, sondern auf gemeinsame Rechnung der S-KG und der Klägerin geführt, weil sich aus der in § 5 Nr. 1 des Vertrages vom 28. November 1969 getroffenen Ergebnisverteilung ergibt, daß die Klägerin in Höhe von 30 v. H. am Betriebsergebnis (Gewinn und Verlust) des Mischwerkes beteiligt war.

c) Die vom FG getroffene Würdigung, die K-GmbH habe selbst bei der Errichtung des Mischwerkes nur einen begrenzten Einfluß gehabt, kann schon deshalb nicht gegen die Annahme einer Mitunternehmerinitiative der Klägerin sprechen, weil sich diese Würdigung allein darauf stützt, daß die Aufträge bei der Errichtung des Mischwerkes lediglich in "Abstimmung" mit der Klägerin vergeben werden sollten. Das FG hätte nicht zu dieser Ansicht kommen können, wenn es den sich aus § 1 des Vertrages ergebenden Umstand mitberücksichtigt hätte, daß die Art der Wirtschaftsgüter, die vermietet werden sollten, von der K-GmbH bestimmt wurden. Anders jedenfalls kann man die in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages enthaltene Vereinbarung: "K ... verpflichtet sich, der ... (S-KG) Maschinen, Anlagen und sonstige Investitionsgegenstände nach Wahl von K ... gemäß Anlage zum Vertrag mietweise zu überlassen", nicht auslegen.

3. Die Klägerin hat auch Mitunternehmerrisiko getragen.

a) Das FG hat bei seiner Würdigung, ob die Klägerin Mitunternehmerrisiko getragen habe, lediglich darauf abgestellt, daß sie die der S-KG zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter nicht verlieren könnte, an den stillen Reserven eines Gesellschaftsvermögens nicht beteiligt und auch im übrigen ihr Risiko begrenzt gewesen sei.

Nicht berücksichtigt hingegen hat das FG die entscheidende Tatsache, daß die Klägerin mit 30 v. H. am Betriebsergebnis des Mischwerkes beteiligt war. Bei anhaltenden Verlusten des Mischwerkes konnte diese Ergebnisbeteiligung zu einem größeren Verlust für die Klägerin führen, als der Wert der vermieteten Wirtschaftsgüter betrug.

Daß es sich bei der Ergebnisbeteiligung von 30 v. H. nicht um ein zusätzliches Mietentgelt, sondern um eine echte Beteiligung am Betriebsergebnis des Mischwerkes handelte, folgt aus § 3 des Vertrages, wonach die Ergebnisbeteiligung der Klägerin sich vermindern sollte, falls sie sich bei einer eventuellen notwendig werdenden Erweiterung des Mischwerkes nicht in dem "Wertverhältnis der von den Vertragsteilen beigestellten Geräte und Anlagen" beteiligen würde.

b) Darüber hinaus kann der Senat auch den Ausführungen des FG über die Nichtbeteiligung der Klägerin an den stillen Reserven nicht folgen.

Aus den vertraglichen Vereinbarungen über die Ermittlung des Betriebsergebnisses des Mischwerkes (§ 5 des Vertrages) und den Vereinbarungen in § 3 des Vertrages vom 28. November 1969 ergibt sich, daß - ein Gesellschaftsverhältnis unterstellt - kein Gesellschaftsvermögen vorhanden war. Jeder Gesellschafter, sowohl die Klägerin als auch die S-KG, hatten dem Mischwerk lediglich Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, wobei das Entgelt für die von der S-KG zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter durch Verrechnung zu Lasten der Kostenstellen bezahlt wurden.

Hat aber eine Personengesellschaft kein Gesellschaftsvermögen, sondern benutzt sie bei ihrer Tätigkeit lediglich Wirtschaftsgüter, die zum Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter gehören, dann muß sich zwangsläufig die Beteiligung der Gesellschafter an den stillen Reserven auf die stillen Reserven beschränken, die im Sonderbetriebsvermögen der betreffenden Gesellschafter entstehen.

c) Der Senat kann auch der Auffassung des FG nicht folgen, die Klägerin sei an einem möglichen Geschäftswert nicht beteiligt. Ein im Zusammenhang mit dem Betrieb des Mischwerkes eventuell entstehender Geschäftswert fällt nicht nur bei der S-KG an; denn hinsichtlich der Entstehung eines Geschäftswerts ist nicht - wie das FG meint - maßgebend, in wessen Namen ein Betrieb geführt wird. Entscheidend ist, auf wessen Rechnung dies geschieht. Im Streitfall wurde das Mischwerk für Rechnung der S-KG und der Klägerin geführt, wie sich aus der getroffenen Ergebnisverteilung ergibt. Es kann daher auch kein Zweifel bestehen, daß ein sich bildender Geschäftswert den beiden Beteiligten, nämlich der S-KG und der Klägerin, im Verhältnis 70 zu 30 zustehen würde.

II. Obgleich das FA und das FG rechtsfehlerhaft eine Mitunternehmerschaft zwischen der K-GmbH bzw. der Klägerin und der S-KG verneint haben, konnte der Senat die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide nicht aufheben, weil im Tenor dieser Bescheide als Beteiligte auch die Firma T-GmbH & Co. KG bezeichnet ist und das FG hierzu nicht Stellung genommen hat.

Das FG wird prüfen müssen, ob diese GmbH & Co. KG notwendig beizuladen ist. Das FG wird bei seiner erneuten Verhandlung auch zu prüfen haben, ob die angefochtenen negativen Gewinnfeststellungsbescheide allen Beteiligten (ggf. auch der T-GmbH & Co. KG) ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sind.