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BFH-Beschluß vom 30.9.1986 (IX B 47/86) BStBl. 1987 II S. 10

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei einer sog. Erwerbergemeinschaft eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 2 AO 1977 durchgeführt werden darf.

AO 1977 § 180 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2; EStG § 21 Abs. 1 Satz 1.

Sachverhalt

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Beschwerdegegner) hat 1979 im Rahmen eines sog. Erwerbermodells eine Eigentumswohnung in D erworben. Einen in Zusammenhang damit ermittelten Werbungskostenüberschuß 1979 erkannte das Wohnsitz-Finanzamt des Beschwerdegegners im Einkommensteuerbescheid 1979 zunächst an. Unter dem 18. Juni 1985 erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) einen "Bescheid gem. § 180 Abs. 2 AO über die eingeschränkte, einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Kalenderjahr 1979" für die "Erwerbergemeinschaft D, deren Beteiligte eine oder mehrere Eigentumswohnungen oder Anteile an einer oder mehreren Eigentumswohnungen in den Gebäuden P-Straße 19-48 in D erworben haben". In diese Feststellung bezog das FA auch den Beschwerdegegner und seine mit ihm zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehefrau ein. Die Einkünfte der Erwerbergemeinschaft und der Anteil der Beschwerdegegner wurden mit 0 DM festgestellt.

Auf Antrag der Beschwerdegegner setzte das Finanzgericht (FG) durch den angefochtenen Beschluß die Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 18. Juni 1985 bis zum Ablauf eines Monats nach Entscheidung über den von den Beschwerdegegnern eingelegten Einspruch, über den im Zeitpunkt des Ergehens des Beschlusses des FG noch nicht entschieden war, mit der Begründung aus, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Diese ergeben sich nach Auffassung des FG daraus, daß die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung der streitigen Einkünfte gemäß § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht gegeben seien. Die gesonderte Feststellung gemäß § 180 Abs. 2 AO 1977 setze voraus, daß an dem Gegenstand der Einkünfteerzielung mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen seien. Dementsprechend müsse ein gemeinschaftlicher Gegenstand der Einkünfteerzielung vorliegen. Im Streitfall hätten die einzelnen Erwerber bereits bestehendes Wohnungseigentum erworben. Wohnungseigentum sei das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehöre (§ 1 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes - WEG -). Gemeinschaftlicher Gegenstand der Einkunftserzielung sei demnach lediglich das Miteigentum, an dem die einzelnen Erwerber ihrem Anteil entsprechend beteiligt seien. Das FA habe jedoch nicht nur das Miteigentum als Gegenstand der Einkunftserzielung erfaßt, sondern auch das Sondereigentum. Insoweit bestehe aber kein gemeinschaftlicher Gegenstand der Einkunftserzielung. Das Sondereigentum sei vielmehr Alleineigentum der einzelnen Erwerber. Dementsprechend hätte sich die vom FA getroffene einheitliche und gesonderte Feststellung allenfalls auf die aus dem Miteigentum resultierenden Einkünfte erstrecken können.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, rügt das FA Verletzung des rechtlichen Gehörs, die es darin sieht, daß das FG ihm eine zu kurz bemessene Frist zur Stellungnahme auf einen Schriftsatz der Beschwerdegegner bis zum 15. Februar 1986 eingeräumt und seinen Beschluß schon am 14. Februar 1986 gefaßt habe. Es sei nicht auszuschließen, daß die Entscheidung des FG bezüglich der Beschwerdegegnerin anders ausgefallen wäre, wenn das FG die Stellungnahme des FA vom 18. Februar 1986 zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte. Das FA habe sich in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 1986 bereit erklärt, die Vollziehung des Feststellungsbescheids 1979 dergestalt auszusetzen, daß für die Beschwerdegegnerin statt der mit 0 DM angesetzten Einkünfte aus der Erwerbergemeinschaft D keine Einkünfte anzusetzen seien. Den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. April 1982 VIII R 131/80 (BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636) und vom 16. April 1985 IX R 178/83 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1986, 10) sei zu entnehmen, daß das Feststellungsverfahren die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sämtlicher Gemeinschafter, zwischen denen in bezug auf den Gegenstand der Einkunftserzielung ein gemeinschaftsrechtliches Band besteht, sichern solle. Angesichts der Vielzahl der Beteiligten im Streitfall sei es sinnvoll und geboten, die Einkünfte gesondert festzustellen. Das ergebe sich insbesondere auch daraus, daß der Erwerb der Wohnungen in dem Objekt D durch dieselben Unternehmen nach einer einheitlichen Vertragskonzeption abgewickelt worden sei. Die an der Abwicklung beteiligten Unternehmen hätten den Erwerbern nach gleichen Grundsätzen Entgelte für verschiedene Leistungen in Rechnung gestellt, die das Betriebs-FA nach einheitlichen Kriterien zu prüfen und zu beurteilen habe. Die vom FG vorgenommene Beschränkung des vom Gesetz verwandten Begriffs "Gegenstand der Einkunftserzielung" auf das Miteigentum der Erwerber werde dem Regelungsinhalt des § 180 Abs. 2 AO 1977 nicht gerecht. Der Gesetzgeber habe erkennbar darüber hinaus auch diejenigen Fälle erfassen wollen, in denen zwischen den Mitgliedern der Erwerbergemeinschaft im übrigen rechtliche Beziehungen bestehen, die sich als gemeinsame Beteiligung an einem Gegenstand der Einkunftserzielung darstellen. Im übrigen sei bei mindestens einem in 1977 vertriebenen C-Objekt ein Erwerbergemeinschaftsvertrag abgeschlossen worden. Im Streitfall liege dem FA ein solcher Vertrag bisher nicht vor, doch zweifle das FA nicht daran, daß ein solcher oder ähnlicher Vertrag auch im Streitfall dem Vertragswerk angehöre. Den Beschwerdegegnern möge aufgegeben werden, sämtliche Verträge, die mit dem Erwerb der Eigentumswohnung im Zusammenhang stehen, vorzulegen.

Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben, soweit er die Vollziehung des gesonderten Feststellungsbescheids 1979 für die Erwerbergemeinschaft D aussetze, und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des gesonderten Feststellungsbescheids abzuweisen. Hilfsweise wird beantragt, den Beschluß dahingehend zu ändern, daß die Aussetzung der Vollziehung erst mit Rechtskraft des Beschlusses wirksam wird.

Die Beschwerdegegner beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie machen geltend, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor, da die Entscheidung auch bei Kenntnis des FG vom Schriftsatz des FA vom 18. Februar 1986 nicht anders ausgefallen wäre. Die Beschwerdegegnerin sei schon aus Gründen der Klarstellung und zur Vermeidung von Mißverständnissen antragsbefugt.

Eine Erwerbergemeinschaft liege nicht vor. Der Beschwerdegegner habe die Wohnung unabhängig von anderen Erwerbern und allein für sich erworben. Ein irgendwie gearteter Erwerbergemeinschaftsvertrag sei nie abgeschlossen worden.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob das FG den Anspruch des FA auf rechtliches Gehör verletzt hat. Denn die etwaige Verletzung wird dadurch geheilt, daß das FA die Möglichkeit hatte, sich im Beschwerdeverfahren in ausreichendem Umfange zu äußern (BFH-Beschluß vom 29. September 1976 I B 113/75, BFHE 120, 134, BStBl II 1977, 83).

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der angefochtene Bescheid ergehen durfte. Das FG hat mit Recht die Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheids gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt.

a) Nach § 180 Abs. 2 AO 1977 in der bis zur Neufassung durch Art. 1 Nr. 31 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) geltenden Fassung konnten die einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte ganz oder teilweise gesondert festgestellt werden, "wenn an dem Gegenstand der Einkunftserzielung mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind". Es ist ernstlich zweifelhaft, ob diese Voraussetzungen bei einer sog. Erwerbergemeinschaft, bei der mehrere Personen jeweils eine oder mehrere Eigentumswohnungen erwerben, erfüllt sind. Wohnungseigentum ist nach § 1 Abs. 2 WEG das Sondereigentum an einer Wohnung verbunden mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum. Gemeinschaftliches Eigentum sind das Grundstück sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen (§ 1 Abs. 5 WEG). Wird eine Eigentumswohnung vermietet, ist Gegenstand der Erzielung von Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) somit, wie das FG zutreffend erkannt hat, der Miteigentumsanteil in Verbindung mit dem Sondereigentum. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus einer Eigentumswohnung werden zwar auch die durch den Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum verursachten Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt. Daneben müssen aber auch die durch das Sondereigentum verursachten Aufwendungen und die durch die Vermietung der Wohnung (Sondereigentum) erzielten Einnahmen berücksichtigt werden. Nach § 13 Abs. 1 WEG kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, jeder Wohnungseigentümer mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteil nach Belieben verfahren, insbesondere diesen bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen. An dem Gegenstand der Einkünfteerzielung sind danach jedenfalls in bezug auf das Sondereigentum nicht mehrere, nämlich alle Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums, beteiligt, sondern es ist dies nur der jeweilige Wohnungseigentümer. Der Senat verkennt nicht, daß das Wohnungseigentum eine unauflösliche Verbindung von Bruchteilsmiteigentum an Gemeinschaftseigentum mit Sondereigentum an Räumen ist, das rechtlich durch das Bruchteilseigentum charakterisiert wird und ein besonders ausgestaltetes Miteigentum nach Bruchteilen i.S. von §§ 1008 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. Januar 1968 V ZB 9/67, BGHZ 49, 250). Anders als bei gemeinschaftlichem Eigentum i.S. der §§ 1008 ff. BGB, bei dem dem einzelnen Miteigentümer ein ideeller Anteil an der ganzen Sache zusteht, jeder Miteigentümer somit an der ganzen Sache beteiligt ist, hat beim Wohnungseigentum der einzelne Wohnungseigentümer Sondereigentum an einem räumlich abgegrenzten Gebäudeteil. An diesem Sondereigentum sind die anderen Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums nicht beteiligt. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage muß danach als ernstlich zweifelhaft angesehen werden, ob im Sinne des Gesetzes am Gegenstand der Einkünfteerzielung mehrere beteiligt sind, und zwar unabhängig davon, ob - wie das FA vermutet - die Erwerber während der Erwerbsphase eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gebildet haben oder ob - wie die Beschwerdegegner vortragen - dies nicht der Fall war.

Diese Zweifel können durch den Hinweis auf das Urteil in BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636 nicht ausgeräumt werden. Diese Entscheidung ist zum Fall einer Bauherrengemeinschaft ergangen, bei der der einzelne Bauherr Alleineigentümer eines Einfamilienhauses wurde. Die Ausführungen zur möglichen Anwendung des § 180 Abs. 2 AO 1977 bezogen sich auf Fälle der Errichtung eines Wohnhauses durch zu einer Bauherrengemeinschaft zusammengeschlossene Bauherren, die jeweils Eigentümer einer Eigentumswohnung wurden. Für die Entscheidung in dem damaligen Rechtsstreit waren diese Ausführungen unerheblich. Auch aus dem Urteil des Senats in BFH/NV 1986, 10 ergibt sich nichts, was die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ausräumen könnte. Der Senat brauchte in diesem Urteil die Rechtsfrage, ob bei einer sog. Erwerbergemeinschaft mehrere i.S. des § 180 Abs. 2 AO 1977 am Gegenstand der Einkünfteerzielung beteiligt sind, nicht abschließend zu entscheiden. Die Entscheidung der damals streitigen Frage, ob das FA die Befugnis hatte, eine Außenprüfung anzuordnen, war, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, nicht davon abhängig, daß bei Erwerbergemeinschaften gesonderte Feststellungen nach § 180 Abs. 2 AO 1977 durchgeführt werden dürfen. Dazu wird im Urteil lediglich ausgeführt, bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft seien am Gemeinschaftseigentum mehrere Personen beteiligt, eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 2 AO 1977 könne "demzufolge teilweise möglich sein". Dem FA kann auch bei seiner Schlußfolgerung, den Urteilen in BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636 und in BFH/NV 1986, 10 sei zu entnehmen, eine gesonderte Feststellung könne - wohl unabhängig vom Wortlaut des Gesetzes - stets durchgeführt werden, wenn dies "angesichts der Vielzahl der Beteiligten ... sinnvoll und geboten" sei, nicht gefolgt werden. Eine so weitgehende Sachkompetenz, Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festzustellen, die insbesondere alle Wohnungseigentümergemeinschaften unabhängig von der Art ihres Zustandekommens erfassen würde, kann nicht aus allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen hergeleitet werden, sondern bedarf der gesetzlichen Grundlage.

b) Aus den dargelegten Gründen kann offenbleiben, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids auch deshalb bestehen, weil nach der Neufassung des § 180 Abs. 2 AO 1977 durch Art. 1 Nr. 31 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 nicht mehr § 180 Abs. 2 AO 1977 selbst, sondern die aufgrund der nunmehr in der Vorschrift enthaltenen Ermächtigung zu erlassende, derzeit aber noch nicht ergangene Rechtsverordnung des Bundesministers der Finanzen für die Verwaltungsbehörde Rechtsgrundlage für den Erlaß eines Feststellungsbescheids ist. Die Neufassung des § 180 Abs. 2 AO 1977 ist nach Art. 25 Abs. 2 Satz 1 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 am 25. Dezember 1985 in Kraft getreten und somit gemäß Art. 97 § 1 Abs. 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. von Art. 3 Nr. 1 Buchst. b des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 auf alle am 20. Dezember 1985 anhängigen Verfahren anzuwenden, somit auch auf das Streitverfahren. Daraus könnte im Streitverfahren zu folgern sein, daß dem Feststellungsbescheid jedenfalls ab dem 25. Dezember 1985 die Rechtsgrundlage fehlt und daß dies, jedenfalls solange die Rechtsverordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 noch nicht ergangen ist, vom Gericht in einem aufgrund Erlasses des Feststellungsbescheids anhängig gewordenen Rechtsmittelverfahrens berücksichtigt werden muß.

3. Auch der Hilfsantrag des FA ist unbegründet. Aussetzung der Vollziehung bedeutet, daß die Verwirklichung der im Verwaltungsakt ausgesprochenen Rechtsfolge künftig ausgeschlossen ist (BFH-Beschluß vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645). Diese Rechtsfolge tritt mit Ergehen des Aussetzungsbeschlusses, nicht erst mit dessen Rechtskraft, ein.