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BFH-Urteil vom 2.10.1986 (V R 68/78) BStBl. 1987 II S. 42

1. Die Privatnutzung eines unternehmerischen Telefonanschlusses ist Eigenverbrauch (wie BFH-Urteil vom 28. Januar 1971 V R 101/70, BFHE 101, 178, BStBl II 1971, 218).

2. Die Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats einer AG gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung unterliegt der Umsatzsteuer (wie BFH-Urteil vom 27. Juli 1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810).

3. Ein Rechtsanwalt übt als Mitglied des Aufsichtsrats einer AG keine berufstypische und damit keine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Tätigkeit i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 aus.

UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 12 Abs. 2 Nr. 5.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Der Kläger übt eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt aus. Daneben war er Mitglied des Aufsichtsrates der ... AG. In der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1973 erklärte er lediglich die Umsätze aus seiner Anwaltstätigkeit; die Vergütungen für seine Aufsichtsratstätigkeit beurteilte er als Entgelte für nichtsteuerbare Leistungen. Durch Umsatzsteuerbescheid vom 3. März 1975 rechnete das Finanzamt die Vergütungen des Klägers aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der ... AG der Bemessungsgrundlage für die Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit zu; den Eigenverbrauch (Privatanteil an Telefonkosten) in Höhe von 200 DM unterwarf es dem allgemeinen Steuersatz. Darüber hinaus rechnete das Finanzamt einen Betrag von 550 DM als in Rechnungen unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge zu. Dabei handelte es sich um die Differenz zwischen der sich aus der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Aufsichtsratsvergütung der ... AG ergebenden Steuer und dem in einer dem Verrechnungsscheck der ... AG an den Kläger beigefügten Aufstellung nach dem allgemeinen Steuersatz ausgewiesenen Steuerbetrag; die von der ... AG bezahlte Weihnachtsgratifikation von 400 DM war hierin nicht enthalten und wurde brutto ausgewiesen.

Auf den Einspruch des Klägers hin erhöhte das Finanzamt, nach vorherigem Hinweis, die Steuer durch Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 1975 von 2.343,79 auf 2.361,39 DM. Dabei unterwarf es die Umsätze aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied (einschließlich der Weihnachtsgratifikation), sowie den Eigenverbrauch dem allgemeinen Steuersatz von 11 v. H., die übrigen Umsätze dem ermäßigten Steuersatz von 5,5 v. H.

Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamtes, daß der Eigenverbrauch dem allgemeinen Steuersatz unterliege. Weiter vertrat es die Auffassung, daß die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied gegen Erhalt der Aufsichtsratsvergütung (einschließlich der Weihnachtsgratifikation) steuerbar und steuerpflichtig sei; allerdings wandte das Finanzgericht den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 an. Dies führte jedoch im Ergebnis nur zu einer geringfügigen Minderung der Umsatzsteuer. Soweit in der Aufstellung der ... AG Umsatzsteuer in Höhe von 11 v. H. gesondert ausgewiesen war, nahm das Finanzgericht an, daß der Kläger die Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 UStG 1967 schulde.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassenen Revision beantragt der Kläger

1. von der Umsatzversteuerung des Eigenverbrauchs wegen Geringfügigkeit abzusehen, hilfsweise als Auslagenersatz den Steuersatz von 5,5 % zuzubilligen,

2. die Aufsichtsratsvergütung von der Umsatzsteuer freizustellen, hilfsweise einen Steuersatz von 5,5 % anzuwenden, und zwar auch insoweit, als über die Aufsichtsratsvergütung mittels Gutschrift abgerechnet worden ist.

Das Finanzamt beantragt mit seiner Anschlußrevision, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung ist die Aufsichtsratsvergütung dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

a) Telefonkosten

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 liegt Eigenverbrauch vor, soweit ein Unternehmer im Inland dem Unternehmen dienende Gegenstände für Zwecke verwendet, die außerhalb des Unternehmens liegen. Diese Voraussetzungen sind bei der privaten Telefonnutzung erfüllt. Dies hat der BFH im Urteil vom 28. Januar 1971 V R 101/70 (BFHE 101, 178, BStBl II 1971, 218) entschieden und ausführlich begründet. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Desgleichen schließt sich der Senat der in ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 12. August 1971 V R 49/71, BFHE 103, 276, BStBl II 1971, 789; vom 28. Oktober 1971 V R 101/71, BFHE 103, 451, BStBl II 1972, 102, und vom 9. April 1981 V R 104/79, BFHE 133, 234, BStBl II 1981, 545) vertretenen Auffassung an, daß der Eigenverbrauch eines Angehörigen der freien Berufe in Form der unternehmensfremden Telefonnutzung nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 unterliegt, weil es sich insoweit nicht um Eigenverbrauch aus der dort begünstigten (berufstypischen) Tätigkeit handelt. Ein Absehen von der Besteuerung wegen Geringfügigkeit sieht das Umsatzsteuergesetz nicht vor.

b) Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied

Der Senat folgt der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch darin, daß die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrates gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung der Umsatzsteuer unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967). Insbesondere schließt sich der Senat der Auffassung an, daß das Mitglied eines Aufsichtsrates gegenüber der Gesellschaft selbständig und nicht in deren Unternehmen i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 eingegliedert ist (BFH-Urteil vom 27. Juli 1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810). Zivilrechtlich wird mit der Bestellung (oder zu dem dort vorgesehenen Zeitpunkt) neben der durch das Aktiengesetz geregelten körperschaftlichen Rechtsstellung ein Dienstverhältnis zur Gesellschaft begründet, auf das die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Geschäftsbesorgung vom Typ Dienstvertrag anwendbar sind (Mertens in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 1985, § 101 Anm. 5 und 7 m. w. Nachweisen).

Das BFH-Urteil vom 4. November 1982 V R 4/77 (BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156) zur Tätigkeit eines Kassenarztes als Vorstandsmitglied einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten kassenärztlichen Vereinigung gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlaß. Maßgebend für die Nichtsteuerbarkeit dieser Tätigkeit war nach der dort vertretenen Auffassung, daß das Vorstandsmitglied als Organwalter der Körperschaft öffentlichen Rechts unvermittelt als kassenärztliche Vereinigung selbst handle. Von der Betätigung als Organwalter öffentlicher Verwaltung und damit als kassenärztliche Vereinigung (Körperschaft des öffentlichen Rechts) selbst könne eine Betätigung gegenüber dieser nicht abgespalten werden. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob diesen Erwägungen zu folgen ist, die darauf abstellen, daß die Körperschaft des öffentlichen Rechts nach außen allein durch den Organwalter tätig wird, denn sie treffen auf das Mitglied des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft nicht zu. Nicht dieses, sondern der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit ist Träger der organschaftlichen Befugnisse (Mertens, a. a. O., § 111 Anm. 10 m. w. Nachweisen; Mayer-Landruth in Großkommentar zum Aktiengesetz, 1973, § 108 Anm. 1, § 111 Anm. 4). Auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat keine organschaftliche Vertretungsmacht (Mertens, a. a. O., § 107 Anm. 35).

Die somit als eine selbständige berufliche Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1967 zu qualifizierende Tätigkeit des Klägers als Aufsichtsratsmitglied wurde gegen Entgelt ausgeführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967). Hierzu genügt (was der Kläger verkennt), daß eine Leistung erbracht wird, die üblicherweise vergütet wird, wie dies nach § 113 AktG vorgesehen ist; entgegen der Auffassung des Klägers ist es ohne Bedeutung, daß er auf seine Vergütung keinen Einfluß hatte, weil sie in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden kann (§ 113 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Kläger hat auch ein Entgelt erhalten; hierzu gehören Tantiemen und der dem Kläger gezahlte Auslagenersatz (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967).

2. Die unselbständige Anschlußrevision des Finanzamts ist zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534) und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Zu Unrecht hat das Finanzgericht auf die Umsätze des Klägers aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied den ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 angewendet. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 5,5 v. H. für sonstige Leistungen aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Da die Tatbestandsverweisung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 nur § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht auch § 18 Abs. 1 Nr. 3 (sonstige selbständige Arbeiten, z. B. Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied) umfaßt, kommt der ermäßigte Steuersatz für die Aufsichtsratstätigkeit als solche nicht in Betracht.

Sie ist - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - auch nicht der freien Berufstätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des Senats werden durch § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 nur berufstypische Tätigkeiten erfaßt, d. h. Tätigkeiten, die zum Berufsbild eines freien Berufs gehören (BFH-Beschluß vom 19. Februar 1981 V B 50/79, BFHE 132, 351, BStBl II 1981, 412 m. w. N.; Urteil vom 3. Oktober 1985 V R 106/78, BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213). Nach dem durch die Bundesrechtsanwaltsordnung umschriebenen Berufsbild des Rechtsanwalts ist die Übernahme der Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes keine dem Rechtsanwaltsberuf vorbehaltene oder ihn in besonderer Weise charakterisierende Tätigkeit. Der Rechtsanwalt ist Organ der Rechtspflege und der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 1 - 3 BRAO). Sein Berufsbild wird geprägt von der Aufgabe, in allen Rechtsangelegenheiten eigenverantwortlich Rechtsrat zu erteilen und für Rechtssuchende deren Rechtsangelegenheiten zu besorgen.

Demgegenüber ist die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied keine (berufstypische) Besorgung von Rechtsangelegenheiten (vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Oktober 1985 V R 106/78, BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213). Die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ist vielmehr geprägt durch die Aufgaben des Aufsichtsrates als Kontrollorgan der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung der Gesellschaft zu überwachen (§ 111 AktG) und sich dabei insbesondere mit Fragen der Rentabilität, mit dem Gang der Geschäfte und mit der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu befassen (vgl. § 90 Abs. 1 AktG). Die Befugnisse des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes leiten sich von diesen Befugnissen des Aufsichtsrats ab (Mertens, a. a. O., § 111 Anm. 10). Auch wenn die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgaben die Beurteilung von Rechtsfragen einschließt, so wird die Tätigkeit dadurch nicht geprägt; nach dem Aktiengesetz ist auch eine besondere Sachqualifikation nicht Voraussetzung für die Bestellung als Aufsichtsratsmitglied (Mertens, a. a. O., Anm. 24).

An dieser Beurteilung der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nach den von diesem zu erfüllenden und vom Aktiengesetz vorgeschriebenen Aufgaben ändert auch nichts, daß der Kläger auf Wunsch des Hauptaktionärs der ... AG, für den er als Berater und Anwalt tätig war, in den Aufsichtsrat berufen worden ist. Denn er hatte nicht die Rechtsangelegenheiten des Aktionärs, sondern die Kontrolltätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates zu besorgen.

Da somit die Anwendung des allgemeinen Steuersatzes nach § 12 Abs. 1 UStG 1967 geboten ist, kommt es auf die von den Beteiligten und dem Finanzgericht weiter erörterte Frage, ob der Kläger bereits aufgrund einer ihm erteilten Gutschrift gemäß § 14 Abs. 2 UStG die Steuer schulde, nicht mehr an.