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BFH-Urteil vom 20.8.1986 (I R 87/83) BStBl. 1987 II S. 75

Die Rechtmäßigkeit der vom FA angesetzten Ausschüttungsbelastung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 kann nur dann revisionsrechtlich geprüft werden, wenn das FG die für die Ausschüttung verwendeten Teilbeträge des Eigenkapitals in seinem Urteil in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO).

KStG 1977 § 27 Abs. 1 und 3.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

I.

Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland. An ihr war im Streitjahr 1977 die B-SA, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Frankreich, zu 60 v.H. beteiligt. Einen weiteren Geschäftsanteil in Höhe von 19,5 v.H. des Stammkapitals hielt der Gesellschafter-Geschäftsführer B.

Zwischen der Klägerin und der B-SA bestanden seit Jahren enge Geschäftsbeziehungen. Bis einschließlich 1976 zahlte die B-SA die Geschäftsführervergütungen an B, die diesem aufgrund seiner Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin zustanden, ohne die Klägerin mit den aufgewendeten Beträgen zu belasten. Nachdem diese Behandlung durch die französische Steuerverwaltung beanstandet worden war, wurde zwischen der Klägerin und der B-SA am 15. Januar 1976 vereinbart, daß die Kosten in Rechnung zu stellen und jährlich der Teuerungsrate anzupassen seien. Am 28. Juni 1977 beschloß die Generalversammlung der Firmengruppe B, die Klägerin solle rückwirkend ab dem Jahre 1972 mit den ihrem Bereich zuzuordnenden Geschäftsführervergütungen des B belastet werden. Außerdem sollte die Klägerin der B-SA wegen verzögerter Zahlungen von regelmäßig sechs Monaten Verzugszinsen rückwirkend in Rechnung stellen können. Schließlich übernahm die B-SA eine Bankbürgschaft zugunsten der Klägerin. In Ausführung des Beschlusses stellte die B-SA der Klägerin sog. Gruppenkosten für die Jahre 1972 bis 1976 in Höhe von 94.770 DM in Rechnung. Die Klägerin berechnete der B-SA für den gleichen Zeitraum Zinsen in Höhe von 107.405 DM. Die B-SA löste außerdem das Bürgschaftsversprechen ein und gewährte der Klägerin am 31. Dezember 1977 ein Darlehen in Höhe von 125.000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in den der Klägerin nachbelasteten Beträgen insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung, als sie die Jahre 1972 bis 1975 betrafen. Er erhöhte den Gewinn 1977 um 72.270 DM.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977.

Sie beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Körperschaftsteuerbescheid 1977 dahingehend zu ändern, daß die Veranlagung ohne Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung erfolgt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A.

Die Besonderheit des Streitfalles besteht darin, daß das zu versteuernde Einkommen 1977 der Klägerin infolge von Verlustvorträgen aus den Jahren 1974 und 1976 unabhängig von dem Ansatz der streitigen verdeckten Gewinnausschüttung 0 DM beträgt. Auch wenn das FG diesen Umstand in dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich festgestellt hat, gilt er als i.S. des § 118 Abs. 2 FGO festgestellt, weil das FG in den Entscheidungsgründen auf den Körperschaftsteuerbescheid 1977 vom 21. April 1980 Bezug nimmt. Damit gilt der gesamte Inhalt des Bescheides vom 21. April 1980 als festgestellt (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285). Aus dem Inhalt des Bescheids folgt aber, daß die Festsetzung der Körperschaftsteuer 1977 ausschließlich auf dem Unterschiedsbetrag zwischen der sog. Tarifbelastung und der Ausschüttungsbelastung (Erhöhung der Körperschaftsteuer) gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 beruht. Um die Rechtmäßigkeit dieser Erhöhung prüfen zu können, hätte das FG die für die Ausschüttung verwendeten Teilbeträge des Eigenkapitals (§ 27 Abs. 1, § 28 KStG 1977) feststellen müssen. Das FG hätte weiter feststellen müssen, ob der angenommene Gewinn in der Form des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 im Jahre 1977 ausgeschüttet wurde. Das FG-Urteil enthält jedoch tatsächliche Feststellungen weder zu der einen noch zu der anderen Frage. Es beruht damit auf einem Mangel in der Urteilsfindung (vgl. BFH-Urteil vom 5. September 1980 VI R 75/80 , BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31). Der Mangel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

B.

Das FG wird im zweiten Rechtszug folgendes beachten müssen:

1. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid 1977 wäre rechtswidrig, wenn das FA den Unterschiedsbetrag zwischen der bei der Klägerin eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 KStG 1977 als für die Ausschüttung verwendet gilt, und der Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 36 v.H. des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt, unzutreffend angesetzt hätte. Ein entsprechend unzutreffender Ansatz kommt auch dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Ermittlung des Unterschiedsbetrages nicht gegeben waren. Nach § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist die tarifliche Körperschaftsteuer nur dann zu erhöhen oder zu mindern, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft Gewinn ausschüttet. Dazu folgt aus § 27 Abs. 3 KStG 1977, daß eine Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 einen entsprechenden Vermögensabfluß auf seiten der Kapitalgesellschaft voraussetzt. Während nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 schon in dem Augenblick beginnt, in dem sie das Vermögen der ausschüttenden Kapitalgesellschaft mindert, ist die Ausschüttungsbelastung für die verdeckte Gewinnausschüttung wegen § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 erst in dem Veranlagungszeitraum zu bilden, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft vermögensmäßig abfließt. Die nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 wegen einer verdeckten Gewinnausschüttung gebotene Gewinnkorrektur führt also nicht automatisch zu einer Minderung oder Erhöhung der Körperschaftsteuer für denselben Veranlagungszeitraum. Vielmehr können sich die Gewinnkorrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 und die Erhöhung bzw. Minderung der Körperschaftsteuer gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 in verschiedenen Veranlagungszeiträumen auswirken. Nicht jede Gewinnkorrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 muß die Herstellung einer Ausschüttungsbelastung nach sich ziehen (Beispiel: Zusage einer unangemessen hohen Pension gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer, die nicht zur Auszahlung gelangt, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer vorzeitig verstirbt).

2. Sollten die Voraussetzungen für den Ansatz eines Unterschiedsbetrags zwischen der Tarifbelastung und der Ausschüttungsbelastung vorliegen, so ist § 54 Abs. 7 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 25. Juli 1984 (BGBl I 1984, 1006, BStBl I 1984, 401) zu beachten.

3. Das FG hat unter Hinweis auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung im Grundsatz zutreffend angenommen, daß bei Vorteilszuwendungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses für den gewährten Vermögensvorteil zu vermuten ist, wenn es für die Leistung der Kapitalgesellschaft an einer im voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 20. September 1967 I 97/64, BFHE 90, 212, BStBl II 1968, 49; vom 23. September 1970 I R 116/66, BFHE 100, 364, BStBl II 1971, 64; vom 23. Oktober 1985 I R 247/81 , BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195). Die Anwendung dieses Grundsatzes führt im Streitfall dazu, daß nicht schon wegen der Vereinbarung vom 28. Juni 1977 steuerrechtlich eine Vorteilszuwendung in den Jahren 1972 bis 1975 angenommen werden kann.

4. Aus dem zu 3. Gesagten folgt allerdings noch nicht, daß die der Klägerin in Rechnung gestellten 72.270 DM als verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 KStG 1977 zu beurteilen seien. Vielmehr geht es im Streitfall einmal um verdeckte Einlagen, die die B-SA in den Jahren 1972 bis 1975 dadurch an die Klägerin leistete, daß sie für das Gehalt des Geschäftsführers der Klägerin aufkam, ohne Ersatz ihrer Aufwendungen zu verlangen; die Klägerin mußte sich am 28. Juni 1977 verpflichten, diese verdeckten Einlagen zurückzugewähren. Zum anderen hatte die Klägerin der B- SA in den Jahren 1972 bis 1975 Gewinne dadurch verdeckt ausgeschüttet, daß sie auf eine Verzinsung ihrer Forderungen aus Leistungsverkehr verzichtet hatte; durch die Vereinbarung vom 28. Juni 1977 verpflichtete sich die B-SA zur Rückgewähr dieser verdeckten Gewinnausschüttungen. Die Forderungen und Verbindlichkeiten aus der Vereinbarung vom 28. Juni 1977 konnten frühestens in der Bilanz zum 31. Dezember 1977 ausgewiesen werden. Ihre steuerrechtliche Beurteilung hängt wesentlich davon ab, ob sie jeweils für sich gesehen werden müssen oder ob sie in einem derartigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, daß zwischen ihnen ein Vorteilsausgleich vorzunehmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juni 1977 I R 95/75, BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704). Ein entsprechender Vorteilsausgleich ist vorzunehmen, wenn das FG in freier Beweiswürdigung zu der Feststellung gelangen sollte, daß der Geschäftsführer der Klägerin den Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 28. Juni 1977 (Rückgewähr verdeckter Einlagen) nur deshalb zustimmte, weil der Klägerin gleichzeitig die Rückgewähr verdeckter Gewinnausschüttungen versprochen wurde. Sollte das FG zu einer derartigen Feststellung gelangen, würde sich aus der Vereinbarung vom 28. Juni 1977 nur eine saldierte Vorteilszuwendung ergeben, und zwar entweder eine solche der Klägerin an die B-SA (= verdeckte Gewinnausschüttung) oder eine solche der B-SA an die Klägerin (= verdeckte Einlage).