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BFH-Urteil vom 1.10.1986 (I R 96/83) BStBl. 1987 II S. 113

1. Die Vermietung und Verpachtung eines bebauten Grundstücks erfüllt für sich genommen regelmäßig nicht die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs.

2. Die Vermietung und Verpachtung eines bisher betrieblich genutzten Grundstücks führt zu keiner Entnahme, solange der Steuerpflichtige das Grundstück weiterhin in seiner Bilanz ausweist und objektive Merkmale fehlen, die darauf schließen lassen, daß eine spätere Verwendung zu betrieblichen Zwecken ausgeschlossen erscheint.

3. Ist die Absicht, das vermietete Grundstück in Zukunft betrieblich zu nutzen, nicht mehr zu verwirklichen oder erweist sich diese Absicht nachträglich als nicht ernsthaft, so muß der Steuerpflichtige sich die Vermietung als eine Entnahme zu dem Zeitpunkt zurechnen lassen, in dem erstmals erkennbar wird, daß die Voraussetzungen für die Annahme von Betriebsvermögen fehlen.

EStG § 4 Abs. 1 Satz 2, § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 31. Mai 1975 ein Bauunternehmen auf dem ihm gehörenden und mit Wohn-, Büro-, Lager- und Werkstattgebäude sowie Garage bebauten Grundstück T Straße 7 in X. Zum 1. Juni 1976 verlegte er sein Baugeschäft nach Y, wo er entsprechende Grundstücke und Räumlichkeiten gemietet hatte (Vertragsdauer: 5 Jahre mit anschließender Option für weitere 15 Jahre). Das Grundstück T Straße 7 vermietete er mit Ausnahme seines Wohnhauses und der dazugehörigen Garage auf die Dauer von 10 Jahre an die Fa. B, die dort nach Errichtung einer Halle (bebaute Fläche: 722,7 qm) eine Niederlassung eröffnete. Der Kläger räumte der Mieterin ein Optionsrecht auf Verlängerung des Vertrages von zweimal 5 Jahren ein. Die Herstellungskosten für die Halle (ca. 258.000 DM) übernahm die Mieterin. Sie verzichtete auf Ausgleichsansprüche. Der Kläger, der in X weiterhin ein Büro unterhielt, wies das Grundstück T Straße 7 als Betriebsvermögen seines Bauunternehmens aus. Die Mieteinnahmen (zunächst jährlich: 66.000 DM; später: 75.785 DM) erfaßte er bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb.

Zum 15. Mai 1979 meldete der Kläger seinen Gewerbebetrieb ab, nachdem er zuvor das bewegliche Betriebsvermögen an seinen Schwiegersohn verkauft hatte. Der Schwiegersohn des Klägers trat in die Mietverträge über die Grundstücke in Y und in die bestehenden Versicherungsverträge ein. Außerdem übernahm er das Personal des Klägers. Dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) teilte der Kläger am 9. August 1979 mit, er habe sein Baugeschäft endgültig aufgegeben und erziele weiterhin Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks in X. Hinsichtlich dieses Grundstücks werde keine Betriebsaufgabe erklärt.

Das FA war demgegenüber der Auffassung, daß der Kläger sein Bauunternehmen veräußert und gleichzeitig das Grundstück T Straße 7 in das Privatvermögen überführt habe. Es ermittelte einen entsprechenden Veräußerungs- und Aufgabegewinn und setzte die Einkommensteuer-Vorauszahlung IV/1979 auf 139.322 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt der Kläger, daß das Finanzgericht (FG) "die Rechtsprechung zur Betriebsaufgabe bzw. des Wahlrechtes der Fortführung auch bei Einstellung der werbenden Tätigkeit zu eng ausgelegt und nicht berücksichtigt habe, daß es vor allen Dingen darauf ankomme, daß die stillen Reserven nicht untergehen könnten". Ebenfalls verkenne das FG die Bedeutung des Grundstücks in X als wesentliche Grundlage des Betriebes.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG, soweit es gegen ihn gerichtet ist, aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Vorauszahlungsbescheides und der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer-Vorauszahlung IV/1979 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung vom 21. Juni 1979 - EStG 1979 - (BGBl I 1979, 721, BStBl I 1979, 379) gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes oder eines Teilbetriebes erzielt werden. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebes. Als Teil einer Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe hat die Rechtsprechung es angesehen, wenn ein Steuerpflichtiger aus Anlaß der Veräußerung oder der Liquidation seines Betriebes einzelne Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen überführt (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Juli 1967 IV R 174/66, BFHE 89, 566, BStBl III 1967, 751; vom 16. November 1967 IV R 8/67, BFHE 90, 329, BStBl II 1968, 78; vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885; vom 9. Juli 1981 IV R 101/77, BFHE 134, 110, BStBl II 1982, 20; vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294). Zu diesen Rechtsfolgen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Kläger bis zum 31. Mai 1975 ein Bauunternehmen auf dem ihm gehörenden und mit Wohn-, Büro-, Lager- und Werkstattgebäude sowie Garage bebauten Grundstück T Straße 7 ein Bauunternehmen betrieb. Der Betrieb eines Bauunternehmens ist ein Gewerbebetrieb i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1979 und damit auch i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der Kläger verlegte den Sitz und die Geschäftsleitung seines Gewerbebetriebes zum 1. Juni 1975 nach Y. Zum 15. Mai 1979 veräußerte er das bewegliche Betriebsvermögen an seinen Schwiegersohn und trat seine Rechte aus laufenden Verträgen an diesen ab. Da diese tatsächlichen Feststellungen des FG nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten wurden, ist der Senat an sie gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1979, wenn das veräußerte Betriebsvermögen als "ganzer Gewerbebetrieb" oder als "Teilbetrieb" angesehen werden kann.

2. Bedenken gegen eine entsprechende Annahme ergeben sich nicht daraus, daß vor dem 15. Mai 1979 das ab dem 1. Juni 1975 an die Fa. B. verpachtete Grundstück T Straße 7 vom Kläger als Betriebsvermögen seines Bauunternehmens ausgewiesen und auf den Schwiegersohn nicht mit übertragen wurde. Die Verpachtung eines bebauten Grundstücks erfüllt für sich genommen regelmäßig nicht die Voraussetzungen, die an einen Gewerbebetrieb zu stellen sind (zur Definition: vgl. § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung vom 26. Januar 1979 - GewStDV 1978 -, BGBl I 1979, 114, BStBl I 1979, 87). Vielmehr handelt es sich nach der dem EStG 1979 zugrunde liegenden Unterteilung in sieben Einkunftsarten in der Regel um eine vermögensverwaltende Tätigkeit i. S. des § 21 EStG 1979 und des § 14 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977). Nur ausnahmsweise ist eine vermietende oder verpachtende Tätigkeit eine gewerbliche. Dies gilt vor allem dann, wenn ins Gewicht fallende Sonderleistungen des Vermieters hinzutreten (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1985 VIII R 263/81, BFHE 145, 129, BStBl II 1986, 359, m. w. N.). Derartige Sonderleistungen des Klägers gegenüber der Fa. B hat das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt. Auch insoweit ist der erkennende Senat an die Feststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Deshalb kann die Verpachtungstätigkeit des Klägers nicht für sich genommen als eine gewerbliche beurteilt werden.

3. Allerdings wurde das bebaute Grundstück T Straße 7 bis zu seiner Verpachtung zum 1. Juni 1975 vom Kläger betrieblich genutzt. Während der Dauer der betrieblichen Nutzung war es notwendiges Betriebsvermögen. Es konnte deshalb nur dann im Rahmen der Einkunftsart "Vermietung und Verpachtung" genutzt werden, wenn der Kläger es zuvor dem Betriebsvermögen entnommen haben sollte. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG 1979 wird ein Wirtschaftsgut dem Betriebsvermögen dadurch entnommen, daß der Steuerpflichtige es einem betriebsfremden Zweck zuführt. In diesem Sinne kann die Vermietung oder Verpachtung eines bisher betrieblich genutzten Grundstücks Entnahme sein, wenn sie mit der betrieblichen Tätigkeit im übrigen in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang steht und auf Dauer angelegt ist. Umgekehrt wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens nicht schon durch eine vorübergehende außerbetriebliche Nutzung zu Privatvermögen (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1970 IV R 192/67; BFHE 99, 523, BStBl II 1970, 754; vom 17. Januar 1974 IV R 93/70, BFHE 111, 322, BStBl II 1974, 240; vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40). Ob eine nur vorübergehende oder aber eine dauernde außerbetriebliche Nutzung gegeben ist, richtet sich nach den Absichten des Steuerpflichtigen. Da auch Absichten, soweit sie für die Besteuerung erheblich sind, nachgewiesen werden müssen und der Nachweis nur an Hand der objektiv nach außen hin in Erscheinung tretenden Umstände geführt werden kann, hat die Rechtsprechung (vgl. neben den o. g. Entscheidungen auch das Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456) keine Entnahme angenommen, solange der Steuerpflichtige das vermietete oder verpachtete Grundstück weiterhin in seiner Bilanz als Betriebsvermögen ausweist und objektive Merkmale fehlen, die darauf schließen lassen, daß eine spätere Verwendung zu betrieblichen Zwecken ausgeschlossen erscheint. Logische Folge dieser Rechtsprechung ist es jedoch, daß der Steuerpflichtige dann, wenn sich die Absicht der künftigen betrieblichen Nutzung zerschlägt oder als keine ernsthafte erweist, sich die Vermietung als Entnahmehandlung i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG 1979 zurechnen lassen muß. In diesem Falle wirkt die Vermietung als Entnahmehandlung auf den Zeitpunkt, zu dem erstmalig das Fehlen der Voraussetzungen für die Annahme von Betriebsvermögen objektiv erkennbar wird. Dies kann u.a. auch dadurch geschehen, daß der Steuerpflichtige seinen "übrigen Betrieb" veräußert oder endgültig einstellt. Ab diesem Zeitpunkt kann das vermietete oder verpachtete Wirtschaftsgut nicht mehr künftig der behaupteten Absicht entsprechend genutzt werden.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die genannten Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Der Kläger verpachtete das Grundstück T Straße 7 an die Fa. B, ohne daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und dem Betrieb des Baugeschäftes im übrigen zu erkennen wäre. Andererseits war aber auch die künftige betriebliche Nutzung des Grundstücks nicht auszuschließen. Aus diesem Grunde war das Grundstück der Erklärung des Klägers entsprechend zunächst weiterhin als Betriebsvermögen zu behandeln. Ab dem 15. Mai 1979 war jedoch die betriebliche Nutzung objektiv ausgeschlossen, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt alle zur Bauunternehmung im engeren Sinne gehörenden Wirtschaftsgüter an seinen Schwiegersohn verkaufte und gegenüber dem FA die "Aufgabe" des Baugeschäfts erklärte. Ab diesem Zeitpunkt wirkte sich die schon 1975 vorgenommene Verpachtung des Grundstücks als eine mit der Veräußerung der Bauunternehmung zusammenfallende Entnahme aus. Der Veräußerungs- und Entnahmegewinn sind einheitlich nach § 16 Abs. 1 EStG zu begünstigen. Dem entspricht die steuerrechtliche Behandlung in dem angefochtenen Vorauszahlungsbescheid.

4. Das verpachtete Grundstück T Straße 7 kann auch nicht für sich genommen als verpachteter Gewerbebetrieb behandelt werden. Im Streitfall kommt eine Fortführung des bis zum 15. Mai 1979 vom Kläger selbst betriebenen Baugeschäftes in der Form der Verpachtung schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht das Baugeschäft als solches, sondern "nur" ein Grundstück mit aufstehenden Gebäuden verpachtete. Der Pächter betrieb auf dem angepachteten Grundstück kein Bauunternehmen. Vielmehr führte der Kläger sein Baugeschäft an anderer Stelle selbst fort und veräußerte es zum 16. Mai 1979. Gleichgültig, wie weit man den Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage abstrakt gesehen fassen möchte (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 16 Anm. 10), so belegt die Tatsache, daß der Kläger sein Baugeschäft fast vier Jahre lang fortführte, ohne das Grundstück T Straße 7 betrieblich zu nutzen, daß dieses Wirtschaftsgut am 15. Mai 1979 keine wesentliche Grundlage des klägerischen Baugeschäfts war. Dies gilt unbeschadet der erheblichen stillen Reserven, die in dem bebauten Grundstück ruhten. Zwar soll nach dem BFH-Urteil vom 26. April 1979 IV R 119/76 (BFHE 128, 54, BStBl II 1979, 557) die Zurückbehaltung eines Wirtschaftsgutes einer steuerbegünstigten Teilbetriebsveräußerung schon dann entgegenstehen, wenn in ihm erhebliche stille Reserven enthalten sind. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur für den Regelfall. Er ist dann nicht anzuwenden, wenn sich die Unwesentlichkeit eines Wirtschaftsgutes als Grundlage des Betriebes aus dessen tatsächlicher Nutzung im Betrieb ergibt.

5. Schließlich kann das Grundstück T Straße 7 auch nicht als Betriebsvermögen ohne Betrieb fortgeführt werden. In der Rechtsprechung ist der Fortbestand von Betriebsvermögen nach Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebes bisher nur für betriebliche Schulden anerkannt worden (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; Schmidt, a.a.O., 5. Aufl., § 16 Anm. 13b und 55a). Der Streitfall macht keine abschließende Entscheidung über die Frage notwendig, ob Entsprechendes nicht auch für Wirtschaftsgüter des Aktivvermögens gelten muß. Jedenfalls würde die Annahme des Fortbestandes von Betriebsvermögen für Wirtschaftsgüter des Aktivvermögens voraussetzen, daß diese weiterhin den betrieblichen Zwecken zu dienen bestimmt sind. Daran fehlt es, wenn die Wirtschaftsgüter vermietet werden und in der Vermietung gleichzeitig eine Zuführung zu außerbetrieblichen Zwecken liegt.