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BFH-Urteil vom 29.10.1986 (II R 59/85) BStBl. 1987 II S. 133

Erwarb ein als gemeinnützig anerkannter Sportverein mehrere Grundstücke, um eine Schlittschuhbahn anzulegen, und gehörten diese Grundstücke zu einem Flurbereinigungsgebiet, so erstreckte sich die für diesen Erwerbsvorgang in Betracht kommende Befreiungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG RP nicht auf das später im Wege der Landabfindung erworbene, an anderer Stelle gelegene Abfindungsgrundstück.

GrEStG RP § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2; FlurbG § 44, § 68 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein als gemeinnützig anerkannter Sportverein. Um eine Schlittschuhbahn anzulegen, hatte er bereits 1975 vier in Rheinland-Pfalz liegende Grundstücke gekauft. Am 17. Dezember 1976 kaufte er zwei weitere Grundstücke hinzu und beantragte für diesen Erwerbsvorgang Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 des damals geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG RP). Das Finanzamt (FA) teilte dem Kläger durch Freistellungsbescheid vom 13. Januar 1977 mit, die Überprüfung des Erwerbsvorgangs habe ergeben, daß die vom Gesetz für die Steuerbefreiung geforderten Merkmale gegeben seien. Gleichzeitig wies es ihn darauf hin, daß die Steuer nacherhoben werde, wenn der Grundbesitz nicht bis zum 16. Dezember 1986 zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet worden sein sollte. Werde der steuerbegünstigte Zweck vorher aufgegeben, entstehe die Steuerpflicht im Zeitpunkt der Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks.

Im November 1981 prüfte das FA, ob der Kläger etwa den steuerbegünstigten Zweck inzwischen aufgegeben habe. Es sandte ihm einen entsprechenden Vordruck zu. Der Kläger teilte sinngemäß mit, der Grundbesitz habe noch nicht zu dem begünstigten Zweck verwendet werden können, da er in einem Flurbereinigungsgebiet liege und das Flurbereinigungsverfahren erst 1980 abgeschlossen worden sei; er beabsichtige aber weiterhin, vor Ablauf von zehn Jahren seit dem Erwerbsvorgang, den Grundbesitz dem begünstigten Zweck zuzuführen. Das FA nahm an, daß infolge des Flurbereinigungsverfahrens eine unmittelbare Verwendung zum steuerbegünstigten Zweck nicht mehr möglich sei und somit die Voraussetzungen der beantragten Steuerbefreiung nicht mehr gegeben seien. Es setzte durch Bescheid vom 23. März 1982 die Grunderwerbsteuer auf 691,60 DM fest, den Einspruch wies es zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Beide Verwaltungsakte seien rechtswidrig: Der Freistellungsbescheid vom 13. Januar 1977 habe nicht geändert werden dürfen, denn die Tatsache, daß die erworbenen Grundstücke in einem Flurbereinigungsgebiet lagen und infolgedessen die Voraussetzungen für die beantragte Steuerbefreiung nicht erfüllt werden konnten, sei den für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten des FA schon zur Zeit des Freistellungsbescheids bekannt gewesen oder hätte ihnen bekannt sein müssen.

Das Finanzgericht (FG) hat durch Urteil vom 9. November 1984 4 K 254/82 die Klage abgewiesen. Es hat festgestellt, daß die Flurbereinigung am 19. Juli 1973 angeordnet worden war, der Kläger für die in das Verfahren eingebrachten sechs Altgrundstücke ein neues Grundstück (Abfindungsgrundstück) erhalten hat, Alt- und Neuflächen nicht identisch sind und der neue Rechtszustand am 7. Juli 1980 eingetreten ist. Nach Ansicht des FG durfte das FA die Grunderwerbsteuer nacherheben, weil mit Eintritt des neuen Rechtszustandes die erworbenen Grundstücksflächen nicht mehr zu dem begünstigten Zweck verwendet werden konnten, der Kläger daher vorzeitig den begünstigten Zweck habe aufgeben müssen. Die Steuerbefreiung erstrecke sich nicht auf das Abfindungsgrundstück. Ob der Freistellungsbescheid vom 13. Januar 1977 zu Unrecht ergangen sei, sei für die Entscheidung ohne Belang, da nicht er, sondern der Nacherhebungsbescheid vom 23. März 1982 zu beurteilen sei. Das FG hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Vorschriften, die den gesetzlichen Richter betreffen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes - GG - und §§ 116, 118, 119 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG sei bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil die bei der Urteilsfindung mitwirkenden ehrenamtlichen Richter nicht ordnungsgemäß gewählt worden seien. Im übrigen wiederholt er seine bisherige Rechtsansicht. Er beantragt, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Die Besetzungsrügen sind teils unbegründet, teils unzulässig. ...

2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers auf.

Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Kläger zunächst der Freistellungsbescheid vom 13. Januar 1977 erteilt worden war. Denn dieser Freistellungsbescheid war ein materiell vorläufiger Bescheid: Er schob sowohl die Entstehung der Grunderwerbsteuer als auch die Überprüfung der Voraussetzungen für die materiell endgültige Steuerbefreiung hinaus bis nach Schaffung der steuerbegünstigten Einrichtung (Schlittschuhbahn) oder bis zum Aufgeben des begünstigten Zwecks, und zwar auch für den Fall, daß die materiell vorläufige Freistellung fehlerhaft gewesen sein sollte (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Februar 1985 II R 74/82, BFHE 143, 163, 165, BStBl II 1985, 374).

Das FG ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger den steuerbegünstigten Zweck "spätestens mit dem Eintritt des neuen Rechtszustandes am 7. Juli 1980" aufgegeben hat. Denn zu diesem Zeitpunkt stand fest, daß das dem Kläger zugeteilte Abfindungsgrundstück sich in einer anderen örtlichen Lage befand als die alten Grundstücke, diese somit vom Kläger nicht mehr unmittelbar zu dem begünstigten Zweck verwendet werden konnten.

Ohne Einfluß auf diese grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung ist die Vorschrift des § 68 Abs. 1 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG). Danach tritt hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken (und der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse, die nicht aufgehoben werden) die Landabfindung an die Stelle der alten Grundstücke. Dieser Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG "der Gedanke einer ungebrochenen Fortsetzung des Eigentums an einem 'verwandelten' Grundstück zugrunde. Eine Änderung des Eigentumsrechts tritt nicht in der Person des Eigentümers, sondern im Gegenstand des Eigentums ein. Das Abfindungsgrundstück stellt in diesem Sinne - unter dem Leitgedanken der Wertgleichheit der Abfindung - das eingebrachte Grundstück in verwandelter Gestalt dar" (BGH-Urteil vom 13. Januar 1983 III ZR 118/81, BGHZ 86, 226, 230; BVerwG-Urteil vom 30. Oktober 1979 5 C 27.78, BVerwGE 59, 69, 72, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Anknüpfend an diesen Gedanken hat der BFH für das Gebiet der Grundsteuer die Auffassung vertreten, auch das mit dem in die Flurbereinigung eingelegten Grundstück verbundene Grundsteuerprivileg des § 4 Nr. 5 Buchst. c des Grundsteuergesetzes (GrStG) 1951 (Grundsteuerfreiheit für Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener) gehe durch die Landabfindung nicht unter; denn die Landabfindung gelte als Surrogat des der Flurbereinigung unterworfenen Grundstücks und übernehme in rechtlicher Hinsicht dessen Eigenschaften (Urteil vom 9. Juli 1971 III R 30/70, BFHE 103, 92, 95, BStBl II 1971, 785, 786; vgl. auch Schoof in Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 4. Aufl., 1985, § 68 Rdnr. 2). Von dem gleichen Gedanken ausgehend hat der BFH einkommensteuerrechtlich die in ein Flurbereinigungsverfahren eingebrachten und die daraus im Zuteilungswege erlangten Grundstücke (soweit insgesamt wertgleich) als "wirtschaftlich identisch" gewertet. Er hat daraus gefolgert, "daß zum einen keine Gewinnrealisierung nach Tauschgrundsätzen eintritt und zum anderen sich die etwaige Betriebsvermögenseigenschaft des eingebrachten Grundbesitzes an den erlangten Grundstücken unverändert fortsetzt, bis diese nach den dafür allgemein maßgeblichen Grundsätzen entfällt" (BFH-Urteil vom 13. März 1986 IV R 1/84, BFHE 146, 538, 540, BStBl II 1986, 711). Schon früher hatte er erkannt, daß ein Spekulationsgeschäft i. S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht nur dann vorliegen kann, wenn ein und dasselbe Grundstück angeschafft und veräußert wird, sondern auch dann, "wenn Land im Zuge eines Umlegungsverfahrens ausgetauscht wird". Aus der wirtschaftlichen Identität von eingebrachtem und zugeteiltem Grundstück hat er gefolgert, "daß für die Anwendung des § 23 EStG als Zeitpunkt des Erwerbs des veräußerten Grundstücks nicht der Tag der Zuteilung dieses Grundstücks zugrunde gelegt werden kann, sondern der Zeitpunkt, in dem das in die Umlegung einbezogene Grundstück erworben wurde" (BFH-Urteil vom 15. Januar 1974 VIII R 63/68, BFHE 112, 31, 34, BStBl II 1974, 606).

Auf die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts kann sich der erwähnte Gedanke der "Surrogation" aus folgendem Grunde nicht auswirken: Gegenstand der Grunderwerbsteuer sind nicht "Grundstücke" - wie bei der Grundsteuer (§ 2 GrStG, § 70 des Bewertungsgesetzes - BewG -) -, sondern "Erwerbsvorgänge", die sich auf Grundstücke beziehen (§ 2 des damals geltenden GrEStG RP, jetzt § 1 GrEStG 1983). Jeder Erwerbsvorgang bildet einen in sich abgeschlossenen Steuerfall, dessen gesetzliche Tatbestandsmerkmale (auch hinsichtlich eines Befreiungstatbestandes) je für sich gesondert zu würdigen sind (BFH-Urteil vom 28. April 1970 II 119/65, BFHE 99, 402, 404, BStBl II 1970, 670). Demzufolge ist im vorliegenden Falle der Erwerb der Altgrundstücke (1976) zu unterscheiden von dem Erwerb des Abfindungsgrundstücks (1980). Beide Erwerbsvorgänge sind grunderwerbsteuerrechtlich je für sich zu beurteilen. Der Erwerbsvorgang 1976 unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP) und ist aus den vom FG dargelegten Gründen nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG RP von der Besteuerung ausgenommen. Für den hier nicht zu beurteilenden Erwerbsvorgang 1980 (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG RP) war von Bedeutung die Befreiungsvorschrift des § 6 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 18. Mai 1978, Sammlung des bereinigten Landesrechts von Rheinland-Pfalz, Gliederungsnummer 78151 (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1982 II R 141/78, BFHE 135, 558, BStBl II 1982, 517, betreffend den Übergang des Eigentums an einem in Hessen liegenden Waldgrundstück durch Abfindung in Land im Flurbereinigungsverfahren, ferner § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG 1983). Eine etwaige "wirtschaftliche Identität" zwischen den Altgrundstücken und dem Abfindungsgrundstück, auf die der BFH in den erwähnten, zur Einkommensteuer ergangenen Urteilen abstellt (BFHE 146, 538, 540, BStBl II 1986, 711, und BFHE 112, 31, 34, BStBl II 1974, 606), erlaubte es grunderwerbsteuerrechtlich nicht, die Befreiungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG RP über ihren Wortsinn und ihren Zweck hinaus auf den Erwerb des Abfindungsgrundstücks auszudehnen; denn im Grunderwerbsteuerrecht kann die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise nur in dem vom GrEStG vorgezeichneten Umfang wirksam werden (vgl. BFHE 99, 402, 404, BStBl II 1970, 670).

Ob den Kläger ein Verschulden daran trifft, daß er den steuerbegünstigten Zweck aufgeben mußte, ist - mangels entgegenstehender Vorschriften - unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1973 II R 131/72, BFHE 110, 140, BStBl II 1973, 802, betreffend die Nichteinhaltung der Fünfjahresfrist in Niedersachsen wegen Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde, und BFH-Beschluß vom 10. März 1970 II B 7/70, BFHE 98, 374, BStBl II 1970, 389, betreffend die Nichteinhaltung der Fünfjahresfrist in Niedersachsen wegen Zwangsversteigerung des Grundstücks).