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BFH-Urteil vom 12.11.1986 (I R 222/82) BStBl. 1987 II S. 256

Bei der Bildung der Summe der Einkünfte nach § 2 AGGrenzg NL sind Verluste aus einem im Ausland belegenen selbstgenutzten Einfamilienhaus abzuziehen. § 50 Abs. 2 EStG steht dem nicht entgegen.

EStG 1979 §§ 2, 50; AGGrenzg NL §§ 2, 5.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewohnte im Streitjahr 1979 mit seiner Ehefrau das ihm gehörende im Königreich der Niederlande belegene Einfamilienhaus. Er erzielte in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und kehrte täglich vom Arbeitsort an seinen Wohnort zurück. Die Ehefrau erzielte im Königreich der Niederlande Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Kläger stellte nach § 5 des Ausführungsgesetzes zum Zusatzprotokoll vom 13. März 1980 zum Abkommen vom 16. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (Ausführungsgesetz Grenzgänger Niederlande - AGGrenzg NL -) vom 21. Oktober 1980 (BGBl I 1980, 1999, BStBl I 1980, 725) bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) den Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich 1979. Aus dem Antrag ergibt sich u. a. folgendes:

Bruttoarbeitslohn des Klägers

34.029 DM

 

Arbeitslohn der Ehefrau

 

6.738,81 Holländische Gulden (hfl)

6.148 DM

 

Verlust aus Vermietung und

 

Verpachtung in Höhe von 4.223 hfl

./. 3.801 DM

Das FA lehnte die Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs ab.

Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage abgewiesen.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das AGGrenzg NL gehe den §§ 50, 39d des Einkommensteuergesetzes (EStG) als lex specialis vor. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Grenzgänger-Regelung. Der Verlust aus Vermietung und Verpachtung sei also abzuziehen.

Bei der Ermittlung der Einkünfte der Ehefrau seien der Arbeitnehmerfreibetrag und der Weihnachtsfreibetrag und die Werbungskostenpauschale abzuziehen. Dies folge aus der Anwendung deutschen Rechts bei der Ermittlung der Einkünfte.

Der Kläger beantragt, das FA zu verurteilen, für den Kläger und seine Ehefrau einen gemeinsamen Lohnsteuerjahresausgleich nach dem AGGrenzg NL durchzuführen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Verluste aus dem in den Niederlanden belegenen Einfamilienhaus des Klägers sind bei der Ermittlung der Einkünftegrenze des § 2 Abs. 2 AGGrenzg NL zu berücksichtigen.

1. a) Nach § 5 Satz 1 i. V. m. § 2 AGGrenzg NL können Arbeitnehmer mit Wohnsitz in den Niederlanden, "deren Summe der Einkünfte" im Kalenderjahr mindestens zu 90 v. H. in der Bundesrepublik der Einkommensteuer unterliegt, die Durchführung eines Lohnsteuerjahresausgleichs beantragen. Bei Ehegatten, die im Kalenderjahr wenigstens zeitweise nicht dauernd getrennt gelebt haben und von denen wenigstens einer Arbeitnehmer ist, hängt das Antragsrecht davon ab, daß die Summe der Einkünfte beider Ehegatten mindestens zu 90 v. H. in der Bundesrepublik der Einkommensteuer unterliegt (§ 2 Abs. 2 AGGrenzg NL).

Die Einkünftegrenze des § 2 AGGrenzg NL beruht auf Art. 1 Abs. 1 Satz 2 des Zusatzprotokolls vom 13. März 1980 zum Abkommen vom 16. Juni 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (BGBl II 1980, 1151, BStBl I 1980, 647). Der Einkünftebegriff des AGGrenzg NL bestimmt sich daher nach dem des Zusatzprotokolls vom 13. März 1980. Da das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete - DBA-Niederlande - vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) und das Zusatzprotokoll den Begriff der Einkünfte nicht definieren, ist er gemäß Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande dem deutschen Steuerrecht zu entnehmen; diese Vorschrift greift ein, weil das Zusatzprotokoll nach seinem Art. 5 Bestandteil des DBA-Niederlande ist.

b) Aus der Maßgeblichkeit des deutschen Einkünftebegriffs folgt, daß die Einkünfte auch nach deutschem Recht zu ermitteln sind. § 2 AGGrenzg NL enthält keine Bestimmung darüber, wie dies zu geschehen hat und wie die Summe der Einkünfte zu bilden ist. Es ist auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen; die für die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger maßgeblichen Vorschriften (§§ 49, 50 EStG) können nicht angewendet werden. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 2 AGGrenzg NL.

§ 5 i. V. m. § 2 AGGrenzg NL machen ein bestimmtes Verhältnis der Summe der Einkünfte des Steuerpflichtigen und gegebenenfalls seiner Ehefrau zu den im Inland der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften zur Voraussetzung für die Durchführung eines Lohnsteuerjahresausgleichs. Nach dem Wortlaut des § 2 AGGrenzg NL sind in die Summe der Einkünfte alle weltweit erzielten Einkünfte einzubeziehen, ohne daß es darauf ankommt, ob der Antragsteller unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist und ob gegebenenfalls sein Ehegatte überhaupt in der Bundesrepublik subjektiv steuerpflichtig ist und ob der Bundesrepublik für die Einkünfte das Besteuerungsrecht zusteht. Eine Differenzierung der Einkünfteermittlung nach der Art der subjektiven Steuerpflicht wäre deshalb nicht sachgerecht. Sonach können nur die allgemeinen Einkünfteermittlungsvorschriften (§ 2 Abs. 2 EStG) unter Außerachtlassung der für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Besonderheiten bei der Ermittlung der Einkünfte herangezogen werden.

Die Einkünfte aus einem im Ausland belegenen selbstgenutzten Einfamilienhaus sind nicht nach § 21 a EStG, sondern nach § 21 Abs. 2 EStG zu berechnen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Januar 1980 VIII R 134/78, BFHE 130, 261, BStBl II 1980, 447, und vom 24. September 1985 IX R 143/83, BFHE 145, 331, BStBl II 1986, 287).

2. a) Das FG durfte die Verpflichtung des FA (§ 101 FGO) zur Durchführung des beantragten Lohnsteuerjahresausgleichs nicht mit der Begründung ablehnen, die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau lägen unter der Einkünftegrenze des § 2 AGGrenzg NL, weil dem Abzug der Verluste aus dem Einfamilienhaus § 50 Abs. 2 EStG entgegenstehe. Nach dem Wortlaut des § 2 AGGrenzg NL betreffen die in der Vorschrift angeordneten Abweichungen von § 50 EStG die Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs, also die sich unter den Voraussetzungen des § 2 AGGrenzg NL ergebenden Rechtsfolgen. Aus der Rechtsfolgenanordnung kann nicht geschlossen werden, § 50 EStG sei auch bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 AGGrenzg NL zu beachten. Nach § 2 AGGrenzg NL ist von der Summe der Einkünfte auszugehen. Da keine abweichende Bestimmung getroffen ist, ist die Summe der Einkünfte durch Zusammenrechnen der positiven und Abziehen der negativen Einkünfte zu bilden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Kläger mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in der Bundesrepublik beschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1979).

Das Verlustausgleichsverbot des § 50 Abs. 2 EStG dient dazu, die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nach § 50 Abs. 5 EStG zu gewährleisten. Die Bildung der Summe der Einkünfte nach § 2 AGGrenzg NL hingegen wird für die Entscheidung benötigt, ob es für einen beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer bei dem Steuerabzugsverfahren und der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs bewendet. Die Unterschiedlichkeit der Zwecke beider Vorschriften schließt es aus, auf § 50 Abs. 2 EStG bei der Bildung der Summe der Einkünfte nach § 2 AGGrenzg NL zurückzugreifen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 14. November 1984 I B 22/84, BFHE 142, 459).

b) Die angefochtene Entscheidung war sonach aufzuheben. Der Senat kann die beantragte Verpflichtung des FA zur Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs gemäß § 5 AGGrenzg NL nicht aussprechen, da das FG die Höhe der Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau nicht festgestellt hat. Eigene Feststellungen zu treffen, ist dem Senat verwehrt; das folgt aus § 118 Abs. 2 FGO und der Funktion des BFH als Revisionsinstanz (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, 216, BStBl II 1968, 285; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 9B). Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).