| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 4.11.1986 (VIII R 1/84) BStBl. 1987 II S. 259

1. Die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Fahrtaufwendungen zwischen Betriebsstätte und Wohnung gilt auch im Verhältnis einer Personengesellschaft zu ihrem geschäftsführenden Gesellschafter.

2. Hat der Gesellschafter am Ort seiner Wohnung ein weiteres (Einzel-)Unternehmen und sucht er dieses jeweils vor Beginn der Fahrten auf, sind die Aufwendungen voll abzugsfähig.

EStG 1975 § 4 Abs. 4, § 4 Abs. 5 Nr. 6.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin zu 1) ist eine OHG. Sie betreibt eine Autobahnraststätte in F. Geschäftsführender Gesellschafter der Klägerin zu 1 ist der Kläger und Revisionskläger (Kläger zu 2). Er betrieb weiterhin als Einzelunternehmen ein Hotel in Z. In diesem Hotel befindet sich auch seine Familienwohnung.

Der Kläger zu 2 fuhr in den Jahren 1974 bis 1976 jährlich an 280 Tagen mit dem PKW oder mit dem Motorrad von Z nach F. Die Klägerin zu 1 setzte die Fahrtkosten als Betriebsausgaben ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging nach einer Betriebsprüfung davon aus, daß es sich teilweise um nichtabzugsfähige Betriebsausgaben handele (§ 4 Abs. 5 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Er kürzte in den endgültigen Gewinnfeststellungsbescheiden den Betriebsausgabenabzug um 13.440 DM (1974), 14.080 DM (1975) und 11.640 DM (1976). Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt: Die Fahrtkosten seien nur nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die Betriebsstätte der Autobahnraststätte habe sich in F befunden, die Wohnung des Klägers zu 2 in dem Hotel. Unerheblich sei, daß der Kläger zu 2 vor jedem Aufbruch zu der Autobahnraststätte zunächst in dem Hotel nach dem Rechten gesehen habe. Die Fahrten nach F bezweckten, die Autobahnraststätte zu erreichen, nachdem der Kläger zu 2 sich zuvor in seiner Wohnung aufgehalten habe. Die Besteuerung dürfe nicht von den Zufälligkeiten abhängig sein, ob der Kläger zu 2 nach dem Aufenthalt im Hotel vor der Fahrt zur Autobahnraststätte noch einmal die Wohnung aufgesucht habe oder nicht, ob er das Hotel abends betreue oder ob ihn die Fahrt notwendigerweise an der Wohnung vorbeiführe. Der Sachverhalt des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 1978 I R 69/76 (BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564) sei nicht mit dem Streitfall vergleichbar. Es gehe hier nicht um Fahrten zwischen mehreren Betriebsstätten eines Unternehmers. Die Fahrten des Klägers zu 2 hätten ausschließlich dem Betrieb der Autobahnraststätte gedient. Der Kläger zu 2 habe nicht im Hotel eine Betriebsstätte der OHG begründet.

Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG: Das FG habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Die Geschäftsleitung (Verwaltung) auch der Autobahnraststätte habe sich im Hotel befunden. Wäre das FG seiner Aufklärungspflicht nachgekommen, hätte es nicht die Anwendbarkeit des Urteils in BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564 verneinen dürfen. Abgesehen davon, sei es im Hinblick auf die Person des Betriebsinhabers, die Gleichartigkeit der Betriebsgegenstände und den identischen Sitz der Geschäftsleitung angemessen, Hotel und Autobahnraststätte für Zwecke des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG als ein einheitliches Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten anzusehen.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung die Feststellungsbescheide dahin zu ändern, daß als abzugsfähige Betriebsausgaben für 1974 weitere 13.440 DM, für 1975 weitere 14.080 DM und für 1976 weitere 11.640 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Neufestsetzung der Gewinne (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rüge mangelnder Sachaufklärung begründet ist. Selbst unter der Annahme, daß sich keine Betriebsstätte der Klägerin zu 1 in Z befand, sind die Fahrtaufwendungen in vollem Umfang als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzugsfähig.

Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG 1975 dürfen allerdings Aufwendungen für Fahrten des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit sie die sich in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ergebenden Beträge übersteigen, also bei einem Kraftfahrzeug mehr als 0,36 DM und bei einem Motorrad mehr als 0, 16 DM je Entfernungskilometer übersteigen (Streitjahre 1975 und 1976). Gleiches gilt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1974 bereits für das Streitjahr 1974.

Der Anwendung dieser Vorschriften steht nicht schon entgegen, daß Aufwendungen der Klägerin zu 1 zu beurteilen sind und diese als OHG keine Fahrten unternehmen kann und auch keine Wohnung hat. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß auf die Betriebsstätte der Klägerin zu 1, aber auf die Fahrten und die Wohnung ihres Gesellschafters, des Klägers zu 2, abzustellen ist. Die Fahrtaufwendungen sind Betriebsausgaben der Klägerin zu 1. Die Fahrten des Klägers zu 2 waren durch ihren Geschäftsbetrieb veranlaßt, weil die Anwesenheit des geschäftsführenden Gesellschafters im Betrieb der Klägerin zu 1 erforderlich war, damit sie ihren gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachkommen konnte. Sind aber die durch das Verhalten ihres Gesellschafters entstandenen Fahrtaufwendungen als Betriebsausgaben anzusehen, muß die Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs ebenfalls nach diesem Verhalten des Gesellschafters beurteilt werden. Aus seiner Person bestimmen sich die Begriffe "Fahrten des Steuerpflichtigen" und "Wohnung". Ein Rückgriff auf die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter ist zwar regelmäßig nicht statthaft, dann aber ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn zum gesetzlichen Tatbestand Merkmale gehören, die weniger im Bereich des Steuerrechtssubjekts (Gesellschaft) liegen als in persönlichen Eigenschaften, die nur eine natürliche Person haben kann (BFH-Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, 64, BStBl II 1985, 584, betreffend freiberufliche Tätigkeit einer Personengesellschaft).

Dem FG kann indessen nicht darin gefolgt werden, daß der so zu verstehende § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG 1975 (§ 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1974) im Streitfall eingreift. Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist. Der Kläger zu 2 fuhr nicht von seiner Wohnung, sondern von seinem in Z befindlichen weiteren Betrieb zu der Autobahnraststätte in F. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist, begab sich der Kläger zu 2 vor jedem Aufbruch nach F in sein Hotel in Z und sah dort nach dem Rechten. Er fuhr danach von seinem Hotelbetrieb - nicht von seiner Wohnung - zu dem Betrieb der Klägerin zu 1 in F. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger zu 2 auf der Rückfahrt unmittelbar zu seiner Wohnung zurückkehrte. Eine Fahrt zwischen Wohnung und Betriebsstätte i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG 1975 (§ 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1974) ist nur dann anzunehmen, wenn die Wohnung Ausgangs- und Endpunkt der Fahrt ist. Der Hinweis des FG darauf, daß die Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs vielfach von Zufälligkeiten abhängig ist, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Es kann dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt werden, sein Verhalten steuergünstig einzurichten. Im übrigen handelt es sich um eine Frage der Tatsachenwürdigung, die allein dem FG obliegt. Das FG hat im Streitfall die Behauptung des Klägers zu 2, er habe sich stets zuvor im Hotel aufgehalten, ungeprüft übernommen. Ein Fall der neueren Rechtsprechung des Senats, daß die Betriebsstätte (der Betrieb) am Ort der Wohnung in die Wohnung integriert ist (Urteil vom 15. Juli 1986 VIII R 134/83, BFHE 147, 169, BStBl II 1986, 744), liegt nicht vor.

Hingegen sind die von der Betriebsprüfung für die Versagung des Betriebsausgabenabzugs gebildeten Gewerbesteuerrückstellungen wieder aufzulösen.

Es ergibt sich folgende Neuberechnung der Gewinne und der Gewinnanteile: ...