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BFH-Urteil vom 26.11.1986 (II R 18/84) BStBl. 1987 II S. 271

Die bei Bestellung eines Erbbaurechtes vereinbarten Erbbauzinsen gehörten in Bayern auch vor dem 1. Januar 1983 zur Gegenleistung (Anschluß an BFHE 126, 71, BStBl II 1978, 678).

Der Kapitalwert der Erbbauzinsen ist auch dann nach § 13 Abs. 1 BewG zu berechnen, wenn die Vertragspartner bei der Vereinbarung des Erbbauzinses von einer höheren Verzinsung des Grundstückswertes ausgegangen sind.

GrEStG Bayern § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2; BewG § 17 Abs. 3 i.V.m. § 13.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin zu 1 und die in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) verbundenen Kläger zu 2 schlossen jeweils getrennt Erbbaurechtsverträge auf die Dauer von 99 Jahren ab (jeweils ab 25. September 1979). Der jährliche Erbbauzins wurde jeweils auf 7,5 v. H. der angenommenen Grundstückswerte festgelegt.

Mit Steuerbescheiden vom 21. September 1982 setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen die Klägerin zu 1 und gegen die in GbR verbundenen Kläger zu 2 Grunderwerbsteuer fest, wobei es jeweils von einer Gegenleistung in Höhe des 18fachen des jährlichen Erbbauzinses ausging.

Nach erfolglosem Einspruch haben die Kläger zu 1 und 2 jeweils Klage erhoben und beantragt, die jeweils festgesetzte Grunderwerbsteuer auf den Betrag zu ermäßigen, der sich beim Ansatz der für die Erbbaurechtsflächen geltenden Einheitswerte ergebe. Beide Klageverfahren sind vom Finanzgericht (FG) miteinander verbunden worden.

Das FG hat die Klagen als unbegründet abgewiesen. Im einzelnen hat es ausgeführt:

Die Grunderwerbsteuer sei entgegen der Auffassung der Kläger nach der Gegenleistung zu berechnen. Dies folge aus § 10 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 2 des früheren Grunderwerbsteuergesetzes in der in Bayern geltenden Fassung (GrEStG). Der als Gegenleistung anzusetzende Erbbauzins sei jeweils gemäß § 13 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit 18 zu vervielfachen. Der Kapitalwert des Erbbauzinses werde nicht durch den gemeinen Wert der Erbbauflächen begrenzt.

Die Kläger haben Revision eingelegt und ihren Klageantrag weiterverfolgt. Im einzelnen haben sie vorgetragen:

Bei der erstmaligen Bestellung eines Erbbaurechtes gehörten die vereinbarten Erbbauzinsen nicht zur Gegenleistung. Sie fielen weder unter § 11 Abs. 1 noch unter § 11 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Die letztere Vorschrift gelte nur für die Fälle der Übertragung eines bereits mit Erbbauzinsen belasteten Erbbaurechtes.

Im übrigen sei die zwingende Kapitalisierung des Erbbauzinses mit den Vervielfachern, wie sie sich aufgrund des § 13 BewG ergeben, mit der Verfassung nicht zu vereinbaren.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind unbegründet.

Das FA hat die Grunderwerbsteuer zu Recht nach dem Wert der Gegenleistung berechnet (vgl. das Urteil des Senats vom 9. August 1978 II R 164/73, BFHE 126, 71, BStBl II 1978, 678). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Kläger gehen fehl.

Aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG folgt, daß Gegenstand der Besteuerung bei der Einräumung bzw. Übertragung von Erbbaurechten in Bayern das Erbbaurecht ohne Berücksichtigung der Belastung mit dem Erbbauzins war (so jetzt allgemein § 2 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983). Hieraus folgt zwingend, daß bei der Veräußerung eines eingetragenen Erbbaurechtes der eingetragene Erbbauzins zur Gegenleistung gehört. Ebenso zwingend aber ist es, daß bei der Bestellung eines Erbbaurechtes der vereinbarte Erbbauzins zur Gegenleistung gehört (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 GrEStG).

Aus dem Urteil des Senats vom 19. November 1968 II R 16/68 (BFHE 94, 160, 163f., BStBl II 1969, 90) folgt nichts anderes. Die dortigen Ausführungen sind auf die damalige Erkenntnis zurückzuführen, daß die eingetragenen Erbbauzinsen dauernde Last seien. Sie dienten der Begründung der notwendigen Gleichbehandlung der Fälle der Einräumung eines Erbbaurechtes mit den Fällen der Veräußerung eines Erbbaurechtes. Da in der Folge aber in Bayern gesetzlich ausdrücklich bestimmt worden ist, daß die eingetragenen Erbbauzinsen keine dauernde Last sind (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GrEStG i. d. F. des § 1 Nr. 6 Buchst. a des Bayerischen Gesetzes zur Änderung grunderwerbsteuerlicher Vorschriften vom 24. Juni 1969 - Gesetz- und Verordnungsblatt [GVBl] 1969, 153 -), ist die Grundlage für eine Einschränkung des Gegenleistungsbegriffes bei der Einräumung von Erbbaurechten entfallen. Die Auslegung, daß die vereinbarten Erbbauzinsen Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechtes sind, führt zur Gleichbehandlung der Fälle der Einräumung und der Veräußerung von Erbbaurechten. Dies entspricht auch der vom Senat ständig vertretenen Auffassung, daß zur Gegenleistung jede Leistung gehört, die der Erwerber als Entgelt (im weiteren Sinne) für den Erwerb des Grundstückes gewährt und die der Veräußerer als Entgelt (im weiteren Sinne) für die Veräußerung des Grundstückes empfängt (vgl. u. a. das Urteil des Senats vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, 342, BStBl II 1977, 671).

Der Erbbauzinsanspruch als Gegenleistung ist mit dem 18fachen des vereinbarten Jahreswertes zu bewerten (§ 17 Abs. 3 i. V. m. § 13 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BewG).

Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der so ermittelte Kapitalwert der Erbbauzinsen den gemeinen Wert des zu bestellenden Erbbaurechtes bzw. den gemeinen Wert des mit dem Erbbaurecht zu belastenden Grundstückes übersteigen sollte. Denn in § 10 Abs. 1 GrEStG ist eindeutig bestimmt, daß die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen ist. Dies galt auch schon vor 1940; denn nach § 12 Abs. 1 GrEStG 1919 trat der Veräußerungspreis als Besteuerungsmaßstab an die Stelle des damals den Besteuerungsmaßstab bildenden gemeinen Wertes, wenn er höher war als der gemeine Wert.

Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG, wonach bei der Ermittlung des Kapitalwertes von einem Zinssatz von 5,5 v. H. auszugehen ist. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift die Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Er hat im Interesse der gleichmäßigen Anwendung der Steuergesetze eine Regelung getroffen, die für die Bewertung aller wiederkehrenden Leistungen in gleicher Weise gilt und damit zugleich der Vorausberechenbarkeit der Steueransprüche (mit Auswirkungen auf die Rechtssicherheit) als auch der Verwaltungsvereinfachung dienen. Der Zinssatz von 5,5 v. H. kann angesichts der gesetzlichen Verpflichtung von Bund und Ländern, bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen zur Preisstabilität beizutragen (vgl. das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967, BGBl I, 582), nicht als sachwidrig und damit als willkürlich angesehen werden, und zwar auch nicht für die Fälle, in denen die Vertragspartner im Einzelfall bei der Berechnung von wiederkehrenden Leistungen von einem anderen Zinssatz ausgegangen sind (wie im vorliegenden Fall). Diese Fälle weichen von den Fällen, in denen sich Derartiges nicht feststellen läßt, nicht derart ab, daß eine unterschiedliche Behandlung geboten wäre (vgl. in diesem Zusammenhang auch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 28. November 1984 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181).

§ 13 Abs. 3 BewG, wonach der nachgewiesene gemeine Wert zugrunde zu legen ist, wenn er nachweislich geringer oder höher als der nach § 13 Abs. 1, 2 BewG ermittelte Wert ist, ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar; denn der mit § 13 BewG verfolgte Zweck ist eine einheitliche Bewertung für alle wiederkehrenden Leistungen unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5,5 v. H. einzuführen.

Ob etwas anderes dann gilt, wenn sich langfristig ein erheblich höheres Zinsniveau entwickelt hat, ohne daß der Gesetzgeber dies durch Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG zur Kenntnis genommen hätte, bedarf keiner Erörterung. Ein solcher Fall würde nur dann vorliegen, wenn andernfalls § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG verfassungswidrig wäre. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Erbbauzinsverpflichtung ist wertgesichert. Der Erbbauzins erhöht sich bei entsprechender Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Selbst wenn am Kapitalmarkt für längere Zeit erheblich höhere Zinsen gezahlt würden, würden hieraus keine Folgerungen für indexierte wiederkehrende Leistungen zu ziehen sein.

Daß der gemeine Wert der Erbbauzinsen aus anderen Gründen niedriger sein könnte, ist weder dargelegt noch nachgewiesen. Insbesondere kann angesichts der zusätzlichen Sicherung der Veräußerer durch Buchgrundschulden an erster Rangstelle nicht angenommen werden, daß die Erbbauzinsforderung gefährdet sein könnte.