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BFH-Urteil vom 3.12.1986 (II R 59/86) BStBl. 1987 II S. 302

1. Ein Beiladungsbeschluß wird jedenfalls dann mit seiner Verkündung während der mündlichen Verhandlung gegenüber den Beizuladenden wirksam, wenn alle Beteiligten einschließlich der Beizuladenden während der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten sind.

2. Ist eine notwendige Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren unterblieben, so darf ein Sachurteil erst dann ergehen, wenn die vom FA erlassene Einspruchsentscheidung auch den notwendig Hinzuzuziehenden gegenüber wirksam geworden ist.

FGO § 44 Abs. 1, § 60 Abs. 3 und 4.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

An der Klägerin zu 1 sind der Kläger zu 2 mit 55 v. H. sowie die beiden Beigeladenen mit je 22,5 v. H. beteiligt. Den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zu 1 auf den 31. Dezember 1982 stellte das beklagte Finanzamt (FA) durch Bescheid vom 17. Oktober 1984, der der Klägerin zu 1 mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten bekanntgegeben wurde, auf ... v. H. fest. Den Einspruch der Klägerin zu 1 hat das FA durch Einspruchsentscheidung zurückgewiesen, ohne die Gesellschafter der Klägerin zu 1 zum Einspruchsverfahren hinzuzuziehen.

Die Kläger haben Klage erhoben und beantragt, den gemeinen Wert der Anteile herabzusetzen. Während der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 1985 hat das Finanzgericht (FG) beschlossen, die Mitgesellschafter des Klägers zu 2 zum Verfahren beizuladen, und diesen Beschluß sogleich verkündet. Eine Zustellung dieses Beschlusses ist nicht erfolgt. Zuvor hatte der Kläger zu 2 auf ihn lautende Prozeßvollmachten seiner Mitgesellschafter vorgelegt.

Das FG hat der Klage stattgegeben und den gemeinen Wert der Anteile auf den 31. Dezember 1982 antragsgemäß festgestellt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision hat das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG aus anderen als den geltend gemachten Gründen.

Zwar hat das FG die Mitgesellschafter des Klägers zu 2 wirksam beigeladen, es hat es aber unterlassen, mit seiner Entscheidung bis nach der Zustellung der Einspruchsentscheidung des FA an die Gesellschafter der Klägerin zu 1 zu warten (vgl. das Senats-Urteil vom 17. Juli 1985 II R 228/82, BFHE 144, 155, BStBl II 1985, 675).

Bedenken gegen die Wirksamkeit des Beiladungsbeschlusses bestehen nicht, obwohl durch § 60 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Zustellung dieses Beschlusses vorgeschrieben ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß ein während der mündlichen Verhandlung getroffener Beschluß über die Beiladung sofort verkündet wird. Dies ergibt sich aus § 53 Abs. 1 FGO, der die Verkündung von Entscheidungen voraussetzt und eine zusätzliche Zustellung einer solchen Entscheidung nur verlangt, wenn dies wie in § 60 Abs. 4 FGO ausdrücklich vorgeschrieben ist.

Ein verkündeter Beiladungsbeschluß wird jedenfalls dann mit der Verkündung gegenüber den Beizuladenden wirksam, wenn alle Beteiligten einschließlich der Beizuladenden während der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten sind, wie im vorliegenden Fall. Die Bedeutung der Zustellung erschöpft sich unter diesen besonderen Umständen darin, daß sie für den Beginn der Beschwerdefrist maßgebend ist (vgl. § 129 i. V. m. § 54 Abs. 1 FGO, vgl. auch § 57 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Aufzuheben ist das angefochtene Urteil aber deshalb, weil das FG zur Sache entschieden hat, ohne daß die Sachurteilsvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens erfüllt war (vgl. § 44 Abs. 1 FGO). Die ergangene Einspruchsentscheidung erfüllte diese Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Denn sie war noch nicht den notwendig hinzuzuziehenden Gesellschaftern der Klägerin zu 1 (vgl. § 360 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -) zugestellt worden. Die Notwendigkeit, in Fällen der vorliegenden Art eine einheitliche Entscheidung zu erlassen, zwingt dazu, die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 FGO erst dann als erfüllt anzusehen, wenn die Einspruchsentscheidung auch den notwendig Hinzuzuziehenden gegenüber wirksam geworden ist.

Die nicht spruchreife Sache geht nach der Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), damit dieses Gelegenheit erhält, das finanzgerichtliche Verfahren bis zur Zustellung der Einspruchsentscheidung an die Klägerin zu 1 auszusetzen.