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BFH-Urteil vom 11.2.1987 (II R 210/83) BStBl. 1987 II S. 306

Kleinstappartements in Studentenwohnheimen mit 15,70 qm bis 16,50 qm Gesamtfläche sind keine Wohnungen i.S. von § 5 Abs. 2 GrStG.

GrStG § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, § 5; BewG § 19 Abs. 4.

Vorinstanz: FG München (EFG 1983, 422)

Sachverhalt

Der Kläger, ein als gemeinnützig anerkannter Verein, war am 1. Januar 1980 Erbbauberechtigter an mehreren zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßten Grundstücken, die mit Studentenheimen bebaut sind. Teile der wirtschaftlichen Einheit hatte das Finanzamt (FA) zum 1. Januar 1977 als grundsteuerpflichtig bewertet. Der als steuerpflichtig bewertete Wohnraum setzt sich teils aus Dienstwohnungen, teils aus an Studenten vermieteten Appartements zusammen. Nach dem Informationsblatt des Klägers befinden sich darunter 1.486 Einzelappartements und 45 Ehegattenappartements (Doppelzimmer). Nach einem vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Gutachten befinden sich in den Häusern 2.500 Wohnplätze für Studenten, darunter 1.530 sog. Kleinstappartements. Die Einzelappartements haben entweder eine Wohnfläche von 16,50 qm (Zimmer 12 qm zuzüglich Sanitärzelle und Vorraum mit Kochschrank) oder 15,70 qm Wohnfläche zuzüglich Balkon (2,88 qm, davon Wohnfläche 0,72 qm) und umfassen ebenfalls Appartementzugang (0,72 qm), dessen Verlängerung (Kochnische mit dazugehörigem Bewegungsraum, zugleich Durchgang (1,52 qm), Duschbad mit WC (2,14 qm), Schrankraum (1,44 qm) und eine Wohn-/Schlaffläche (ohne Loggia 9,90 qm). In den Bädern sind jeweils eine Dusche, ein Waschbecken und ein WC installiert. Die Einrichtung der Kochnische besteht aus einem 2-Platten-Elektroherd ohne Backrohr, einer Nirosta-Einzelspüle mit Spülenunterbau, einem 110 Liter Kühlschrank und einem Hängeschrank. Der Schrankraum ist mit einem Einbauschrank und Fachböden eingerichtet. Die Einrichtung der Wohn-Schlafräume besteht aus Tisch, Bett, Stuhl und kleinem Sideboard.

Mit Schreiben vom 17. März 1980 beantragte der Kläger, die Appartements rückwirkend zum 1. Januar 1980 als grundsteuerfrei zu behandeln, weil sie keine Wohnungen, sondern lediglich Wohnräume darstellten. Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 6. Oktober 1980 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Der im Laufe des Klageverfahrens lediglich auf die Befreiung der Einzelappartements gerichteten Klage des Klägers gab das FG mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 422 veröffentlichten Entscheidung statt. Zwar glichen die Einzelappartements insoweit den in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. April 1982 III R 33/80 (BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671) als Wohnungen qualifizierten Appartements in einem Altenheim, als sie aus einem Bad/WC, Flur und zum Teil Loggia bestehen und eine (eingeschränkte) Kücheneinrichtung aufweisen. Anders als im Fall des Altenwohnheims stehe jedoch den Studenten keine Gemeinschaftsverpflegung im Hause zur Verfügung. Im Hinblick darauf aber, daß der Wohn-/Schlaf- und Arbeitsraum von 9 bis 10 qm mit einer Standardeinrichtung versehen sei und der eigentliche Bewegungsraum sich auf etwa zwei Schritte beschränke, könne selbst unter den besonderen Voraussetzungen eines Heimes nicht davon ausgegangen werden, daß die Einzelappartements den Begriff der "Wohnung" erfüllten.

Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Nach § 19 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) wird ein Einheitswert für Grundstücke nur festgestellt, wenn und soweit er für die Besteuerung von Bedeutung ist. Im Hinblick darauf, daß der Kläger als gemeinnützig anerkannt ist, hat der Einheitswert nur für Grundsteuerzwecke Bedeutung.

Die Einzelappartements sind nicht schon deshalb von der Grundsteuer befreit, weil der Kläger nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient und der Grundbesitz unmittelbar für diese Zwecke verwendet wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes - GrStG -). Denn dient Grundbesitz, der für einen nach § 3 GrStG steuerbegünstigten Zweck benutzt wird, zugleich Wohnzwecken, so gilt die Befreiung in keinem Fall für Wohnungen (§ 5 Abs. 2 GrStG) und nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 GrStG für Wohnräume.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Einzelappartements als Wohnräume nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG grundsteuerfrei sind und nicht eine Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG darstellen. Das GrStG definiert den Begriff der Wohnung ebensowenig wie das BewG. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zum Bewertungsrecht ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist u.a. erforderlich, daß die abgeschlossene Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet. Unter welcher Voraussetzung eine selbständige Haushaltsführung möglich ist und welche Fläche mindestens vorhanden sein muß, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 III R 71/83, BFHE 144, 74, BStBl II 1985, 582). In gleicher Weise ist grundsätzlich auch der Begriff Wohnung in § 5 Abs. 2 GrStG auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, 298, BStBl II 1982, 671).

Die Studentenappartements des Klägers sind dazu bestimmt, den jeweils wechselnden Bewohnern für die begrenzte Zeit ihres Studiums als Schlaf- und Studienraum zu dienen. Dem entspricht die geringe Größe der Räume. Beträgt die Fläche, wie im Streitfall 15,70 oder 16,50 qm, so ist in diesen Räumen die Führung eines Haushalts auf Dauer wegen der begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Weiter ist zu beachten, daß die vom Kläger an Studenten überlassenen Appartements nur möbliert vermietet werden. Aufgrund der Art ihrer Möblierung in Verbindung mit ihrer geringen Größe erweisen sie sich objektiv als Wohnräume, die nicht längerfristig der Lebensmittelpunkt der Bewohner sein können, sondern nur als Unterkunft für die Dauer und zum Zweck des Studiums dienen. Schließlich ist auch von Bedeutung, daß im Gegensatz zu der Entscheidung in BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671 den Bewohnern keine Gemeinschaftsverpflegung gereicht wird; sie sind für die Hauptmahlzeiten darauf angewiesen, diese außer Haus einzunehmen. Dies entspricht einerseits dem durch das Studium bestimmten Lebenszuschnitt, der tagsüber durch längeren Aufenthalt außer Haus an der Hochschule bestimmt wird; es ergibt sich aber auch aus der Gestaltung des Appartements und der Ausstattung der Kochnische, die keinesfalls für die Zubereitung und nur begrenzt für die Einnahme dieser Mahlzeiten geeignet sind.

Die Einzelappartements des Klägers sind mit den Wohnungen in dem Altenheim, die Gegenstand der Entscheidung in BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671 waren objektiv nicht vergleichbar. Letztere Wohnungen sind der auf Dauer angelegte Mittelpunkt des Lebens älterer Menschen, die sich entschließen, ihren Lebensabend in einem Heim zu verbringen. Dies drückt sich einerseits in den deutlich größeren Wohnflächen und andererseits maßgeblich darin aus, daß die Bewohner eines Altenheims den Wohnteil ihres Appartements entsprechend ihrer verminderten Leistungsfähigkeit und ihrer geringer werdenden Bedürfnisse individuell gestalten können, sie sind jedenfalls für die Hauptmahlzeiten an eine Gemeinschaftsverpflegung angeschlossen, die sie nach Gestaltung ihres Appartements in diesem oder in Gemeinschaftsräumen einnehmen können. Diese Freizügigkeit in der Gestaltung des Lebensablaufs ist den Bewohnern der Einzelappartements des Klägers aufgrund der Gestaltung und Ausstattung der Räume versagt.