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BFH-Beschluß vom 29.1.1987 (V B 33/85) BStBl. 1987 II S. 316

Die Regelung des Vorsteuerabzugs bei Reisekostenerstattung an Arbeitnehmer nach Pauschbeträgen in § 36 Abs. 1, § 38 UStDV i.V. m. § 15 Abs. 8 Nr. 4 UStG 1980 knüpft an den Begriff der Dienstreise nach den für die Lohnsteuer geltenden Merkmalen an. Die Begriffsanknüpfung ist eindeutig. Da nach dem BFH-Urteil vom 8. August 1986 VI R 195/82 (BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824) Busfahrer im Linienverkehr bei ihrer Arbeit weder eine Dienstreise noch einen Dienstgang durchführen, scheidet § 36 Abs. 1 UStDV als Grundlage für den Vorsteuerabzug des Arbeitgebers aus den erstatteten Verpflegungsmehraufwendungen aus. Die Rechtsfrage hat - wegen insoweit klarer Rechtslage - keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

UStG 1980 § 15 Abs. 8 Nr. 4; UStDV §§ 36 und 38; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb im Streitjahr 1982 ein Busunternehmen. Seine Busse fuhren auch im Linienverkehr. Er erstattete den Busfahrern pauschal die Reisekosten (Verpflegungsmehraufwand) mit insgesamt 9.852 DM.

Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, diese Busfahrer seien nicht auf Dienstreisen gewesen, weil die Busse ihre regelmäßige Arbeitsstätte dargestellt hätten (Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1981). Das FA ließ deshalb die vom Kläger erstatteten Aufwendungen nur im Umfang der in Abschn. 22 Abs. 3 Nr. 3 und Abschn. 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c LStR 1981 vorgesehenen Beträge lohnsteuerfrei.

Bei der Umsatzsteuererklärung 1982 machte der Kläger unter Berufung auf § 36 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) von den erstatteten 9.852 DM 10,6 v.H. dieses Betrags als Vorsteuer geltend.

Das FA erkannte diesen Vorsteuerabzug nicht an.

Mit der gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 1982 ohne Vorverfahren erhobenen Klage (§ 45 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) wandte sich der Kläger gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs mit der Begründung: Es sei wesensfremd, den Omnibus als Arbeitsstätte des Busfahrers anzusehen. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 24. November 1978 VI R 171 - 172/76 (BFHE 126, 454, BStBl II 1979, 148) einen LKW als regelmäßige Arbeitsstätte des Berufskraftfahrers angesehen habe, könne dies nicht auf Busfahrer übertragen werden. Überdies sei die Beschränkung des Vorsteuerabzugs nach § 36 UStDV auf Erstattungen anläßlich von Dienstreisen im lohnsteuerrechtlichen Sinn unverständlich und nicht Rechtens. Der Kläger beantragte, den Umsatzsteuerbescheid 1982 vom 13. November 1984 dahin zu ändern, daß 10,6 v.H. des erstatteten Reisekostenbetrags von 9.852 DM als Vorsteuer abgezogen werden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Berufung auf den klaren Wortlaut des § 36 UStDV ab.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er trägt damit vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Die einschränkende Auslegung der §§ 36 bis 38 UStDV belaste entgegen dem Sinn dieser Bestimmungen den gesamten Berufsstand der Transportunternehmer und der Berufskraftfahrer. Der nur nach Einzelbelegen in Betracht kommende Vorsteuerabzug gemäß § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980) erfordere einen unverhältnismäßigen Verwaltungsmehraufwand. Die §§ 36 bis 38 UStDV seien ausdrücklich zur Vereinfachung des Vorsteuerabzugs geschaffen worden. Bis zum vorbezeichneten Urteil in BFHE 126, 454, BStBl II 1979, 148 habe die Finanzverwaltung die genannten Vorschriften angewandt und die sonstigen berufsbedingten Abwesenheiten der Berufskraftfahrer als Dienstreise angesehen.

Nach dem Urteil in BFHE 126, 454, BStBl II 1979, 148 habe der Bundesminister der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 29. Juni 1979 IV B 6 - S 2.353 - 47/79 II (BStBl I 1979, 374) für Zwecke der Lohnsteuer eine Pauschalierung für die besonderen Verpflegungsmehraufwendungen der Berufskraftfahrer zugelassen, andererseits aber mit Schreiben vom 24. März 1980 IV A 1 - S 7.314 - 5/80 (BStBl I 1980, 149) einen Vorsteuerabzug aus der Erstattung der pauschalierten Verpflegungsmehraufwendungen versagt, weil die Voraussetzungen einer Dienstreise nach dem vorbezeichneten BFH-Urteil nicht vorlägen.

Im Hinblick auf dieses Urteil würde eine Entscheidung des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung dieser Fälle der Fortbildung des Steuerrechts und einer einheitlichen Rechtsanwendung dienen. Insbesondere sei zu prüfen, ob § 38 UStDV dahingehend ausgelegt werden könne, daß ein pauschaler Vorsteuerabzug möglich sei, zumal nach Satz 2 dieser Bestimmung als Geschäftsreise auch eine sonstige berufsbedingte Abwesenheit und als Dienstreise auch ein Dienstgang des Arbeitnehmers und sogar ein Vorstellungsbesuch eines Stellenbewerbers anzusehen seien.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen. Es verneint grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Zu der Abgrenzung des Dienstreisebegriffs nach den für die Lohnsteuer geltenden Merkmalen bedürfe es aufgrund der vorhandenen Rechtsprechung keiner weiteren Klärung. Einer vom Kläger für erforderlich gehaltenen erweiternden Auslegung des § 38 UStDV stehe der klare Wortlaut der Bestimmung entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. Abs. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es muß sich um eine Rechtsfrage handeln, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt; die Frage muß aus rechtssystematischen Gründen bedeutsam und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtig sein (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605).

Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtsfrage, wenn die anzufechtende Entscheidung der eindeutigen Rechtslage entspricht, und auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden sind (BFH-Beschlüsse vom 19. Februar 1981 V B 50/79, BFHE 132, 351, BStBl II 1981, 412, und vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Die Rechtsgrundlagen, anhand derer das FG den geltend gemachten Vorsteuerabzug versagt hat, sind eindeutig und für eine weitere Klärung - wie sie der Kläger anregt - nicht geeignet.

Nach § 15 Abs. 1 UStG 1980 sind als Vorsteuerbeträge grundsätzlich nur in Rechnungen i. S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuern abziehbar. Von dieser Voraussetzung macht u.a. der auf der Ermächtigung in § 15 Abs. 8 UStG 1980 beruhende § 36 Abs. 1 UStDV eine Ausnahme.

Nach § 15 Abs. 8 Nr. 4 UStG 1980 kann der BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen, unter welchen Voraussetzungen, auf welcher Grundlage und in welcher Höhe der Unternehmer den Vorsteuerabzug aus Gründen gleicher Wettbewerbsverhältnisse abweichend von Abs. 1 Nr. 1 aus Kosten in Anspruch nehmen kann, die er aus Anlaß einer Geschäfts- oder Dienstreise oder für einen dienstlich veranlaßten Umzug seiner Arbeitnehmer aufgewendet hat.

Nach der Durchführungsbestimmung des § 36 Abs. 1 UStDV kann ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer aus Anlaß einer Dienstreise (§ 38 UStDV) im Erhebungsgebiet die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Pauschbeträgen erstattet, 10,6 v.H. dieser Beträge als Vorsteuer abziehen. Nach § 36 Abs. 5 UStDV bedarf es dazu keiner Rechnung des anderen Unternehmers, sondern nur eines sog. Eigenbelegs.

Nach § 38 Satz 1 UStDV ist bei Anwendung der §§ 36 und 37 UStDV der Begriff der Dienstreise nach den für die Lohnsteuer geltenden Merkmalen abzugrenzen. Nach § 38 Satz 2 UStDV ist "entsprechend ... als Dienstreise ein Dienstgang des Arbeitnehmers und ein Vorstellungsbesuch eines Stellenbewerbers anzusehen".

Die Ermächtigungsnorm des § 15 Abs. 8 Nr. 4 UStG 1980 und die Ausführungsbestimmungen der §§ 36 und 38 UStDV begrenzen somit eindeutig den vereinfachten Vorsteuerabzug auf die Fälle erstatteter Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen aus Anlaß einer Dienstreise. Die Verweisung auf den Begriffsinhalt der Dienstreise im Lohnsteuerrecht läßt für eine eigenständige umsatzsteuerrechtliche Auslegung dieses Merkmals des § 36 Abs. 1 UStDV keinen Raum. Für das Lohnsteuerrecht hat zudem der BFH im Urteil vom 8. August 1986 VI R 195/82 (BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824) dargelegt, daß auch Busfahrer im (städtischen) Linienverkehr als Berufskraftfahrer ihre Arbeitsstätte auf den von ihnen gefahrenen Omnibussen haben und damit bei ihrer Arbeit weder eine Dienstreise noch einen Dienstgang durchführen. Nach diesen Rechtsgrundsätzen besteht keine weitere Klärungsmöglichkeit und Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger vorgelegten Rechtsfrage zum Vorsteuerabzug.

Keine Auswirkung auf diese Entscheidung für das Umsatzsteuerrecht kann der Umstand haben, daß der BFH in dem bezeichneten Urteil den Busfahrern im Linienverkehr, auch wenn dabei Dienstreisen ausscheiden, beruflich veranlaßte Verpflegungsmehraufwendungen und die Pauschbeträge nach Abschn. 22 Abs. 3 Nr. 3 LStR 1981 zuerkannt hat. Eine Anpassung des vereinfachten Vorsteuerabzugs nach den §§ 36 ff. UStDV an die lohnsteuerrechtlich anerkannte Pauschalierung der Verpflegungsmehraufwendungen in diesen Fällen kann nur durch Änderung des § 15 Abs. 8 und der §§ 36 ff. UStDV erreicht werden. Eine Auslegung dieser Vorschriften im beantragten Sinne ist aufgrund ihrer eindeutigen Voraussetzungen nicht möglich. An dieser Beurteilung ändert auch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Abzugsvereinfachung durch § 38 Satz 2 UStDV nichts. Mit den beiden - abschließend umschriebenen - Ausnahmen, die außerhalb des lohnsteuerrechtlichen Dienstreisebegriffs stehen, hat der vorliegende Sachverhalt nichts zu tun. Insbesondere berührt § 38 Satz 2 UStDV nicht die eindeutige Begrenzung des Satzes 1 der Bestimmung.

Ohne Einfluß auf die vorliegende Entscheidung ist auch der Umstand, daß die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Urteil in BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824 eingelegt wurde; denn die Frage der grundsätzlichen Bedeutung ist nach der Lage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde - und nicht zum Zeitpunkt ihrer Einlegung - zu entscheiden.