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BFH-Beschluß vom 24.2.1987 (IX B 106/86) BStBl. 1987 II S. 344

1. Bei teilweiser Ablehnung der Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ist vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob als Freibetrag nach § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG nur die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit den nach § 14 a Abs. 6 BerlinFG begünstigten Teilherstellungskosten eintragungsfähig sind, oder die gesamten negativen Einkünfte aus dem Grundstück.

EStG §§ 39a Abs. 1 Nr. 6 Satz 2, 37 Abs. 3 Sätze 5 bis 8; FGO §§ 69, 114.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1987, 54)

Sachverhalt

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) beteiligte sich 1985 mit einem Anteil von 3,98743 v. H. an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) "F-Straße". Zweck der Gesellschaft ist es, das Miethaus F-Straße in Berlin-T. zu modernisieren, instandzusetzen und im Dachboden auszubauen. Die Baumaßnahmen sollen 1986 abgeschlossen sein.

Die Antragstellerin bezifferte die auf sie entfallenden voraussichtlichen negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit dem Grundstück F-Straße auf 49.181 DM und beantragte beim Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -), den Betrag im Lohnsteuerermäßigungsverfahren als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 1986 einzutragen. Das FA ließ die Gesamtaufwendungen überprüfen. Der Prüfer hielt nur Werbungskosten von insgesamt 1.229.423 DM für abziehbar. Außerdem vertrat er die Ansicht, im Vorauszahlungsverfahren bzw. Lohnsteuerermäßigungsverfahren seien nur die auf den Dachausbau entfallenden Absetzungen nach § 14 a Abs. 6 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) und die mit dem Dachausbau zusammenhängenden Aufwendungen (Zinsen und Damnum) berücksichtigungsfähig, wovon auf die Antragstellerin 13.105 DM entfielen. Die übrigen Aufwendungen, nämlich die Absetzungen nach § 14 b BerlinFG auf den Modernisierungsaufwand, die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf den Altbau sowie die Zwischenfinanzierungszinsen, Hypothekenzinsen, Verwaltungs- und Bewirtschaftungskosten seien nach § 39 a Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 37 Abs. 3 Sätze 5 bis 8 des Einkommensteuergesetzes 1986 (EStG) erst bei der Einkommensteuerfestsetzung abzuziehen. Das FA folgte dem Prüfer, trug auf der Lohnsteuerkarte 1986 einen Freibetrag von 13.105 DM ein und lehnte den Antrag auf Eintragung eines höheren Freibetrags durch Bescheid vom 10. April 1986 ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin Sprungklage mit dem Antrag, den Freibetrag in der im Lohnsteuerermäßigungsverfahren beantragten Höhe auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Gleichzeitig beantragte sie Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzgericht (FG) gab dem Aussetzungsantrag mit dem angefochtenen Beschluß, der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 54 veröffentlicht ist, in vollem Umfang statt.

Gegen den Aussetzungsbeschluß wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Es macht geltend, das FG habe zu Unrecht vorläufigen Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt. Es sei auch nicht ernstlich zweifelhaft, daß nach § 39 a Abs. 1 Nr. 6 EStG nur die auf den Dachausbau entfallenden Aufwendungen eintragungsfähig seien. Das FG habe zudem seine Pflicht, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, verletzt, indem es sämtliche von der Antragstellerin geltend gemachten Aufwendungen berücksichtigt habe, ohne den vollständigen Prüfungsbericht anzufordern und zu prüfen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Das Beschwerdeverfahren ist entgegen der Ansicht des FA durch den Erlaß der Einspruchsentscheidung nicht erledigt (wird ausgeführt).

2. Der Hilfsantrag des FA, den Aussetzungsbeschluß aufzuheben, ist teilweise begründet.

a) Zutreffend geht das FG davon aus, daß vorläufiger Rechtsschutz jedenfalls dann nicht durch einstweilige Anordnung (§ 114 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), sondern durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) zu gewähren ist, wenn das FA die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte teilweise ablehnt (vgl. zur vollständigen Ablehnung eines derartigen Antrags Beschluß des BFH vom 21. Dezember 1982 VIII B 36/82, BFHE 137, 232, BStBl II 1983, 232).

Die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ist die gesonderte Feststellung einer Besteuerungsgrundlage i. S. des § 179 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Ein mit einer Belehrung über den zulässigen Rechtsbehelf versehener schriftlicher Bescheid ist zu erteilen, wenn dem Antrag des Arbeitnehmers nicht in vollem Umfang entsprochen wird (§ 39 a Abs. 4 Sätze 1 und 3 EStG). Wendet sich ein Lohnsteuerzahler gegen die Eintragung eines zu niedrigen Freibetrags, so muß er eine Anfechtungsklage erheben (Beschluß des BFH vom 11. Mai 1973 VI B 116/72, BFHE 109, 302, BStBl II 1973, 667). Diese Klageart gebietet grundsätzlich, vorläufigen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Denn in § 69 Abs. 1 und 2 FGO wird die Aussetzung der Vollziehung "angefochtener" Bescheide geregelt. Allerdings folgt aus der Klageart nicht zwingend, auf welche Weise vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Feststellungsbescheid zu gewähren ist. Vielmehr ist nach Sinnzusammenhang und Zweck des § 69 FGO zu prüfen, ob er vom Regelungsinhalt her auch andere Fälle erfaßt (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78, BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567). Die Anwendung des § 69 FGO auf Bescheide, in denen die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte teilweise abgelehnt wird, ist deshalb gerechtfertigt, weil auch in Verfahren, in denen sich ein Steuerpflichtiger gegen die überhöhte Festsetzung von Vorauszahlungen wehrt, vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 37 Anm. 7, m. w. N.).

Der teilweise ablehnende Bescheid über die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ist auch vollziehbar. Er bildet die Grundlage für die Eintragung des Freibetrags durch das FA und die Einbehaltung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber bzw. für den Lohnsteuer-Jahresausgleich durch den Arbeitgeber (§§ 38 a Abs. 4, 42 b EStG). Er ist damit in seiner Wirkung vergleichbar mit einem Verlustfeststellungsbescheid, gegen den vorläufiger Rechtsschutz ebenfalls im Wege der Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist (BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567). Der Senat hält insoweit an der Rechtsauffassung im Beschluß vom 19. November 1984 IX B 28/84 (Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1985, 259) nicht mehr fest.

Mit der Aussetzung der Vollziehung wird das Ergebnis der Hauptsache rechtlich nicht vorweggenommen (ebenso für die einstweilige Anordnung BFH-Beschluß vom 8. Dezember 1972 VI B 39/72, BFHE 107, 492, BStBl II 1973, 245).

b) Dem FG ist auch darin zu folgen, daß an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10. April 1986 ernstliche Zweifel bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Nach § 39 a Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG wird auf der Lohnsteuerkarte der Betrag der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eingetragen, der sich u. a. bei Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach § 14 a BerlinFG ergeben wird. Der BFH hat bereits im Zusammenhang mit der Entscheidung, welche Bedeutung der Bauzustand eines Objektes auf den Zeitpunkt der Eintragung erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG auf der Lohnsteuerkarte hat, ausgeführt, daß auch weitere Werbungskosten eintragungsfähig sein können (Urteil vom 6. März 1980 VI R 148/77, BFHE 130, 290, BStBl II 1980, 509 unter 2 a). Der Senat hat keine Bedenken, diese für das Urteil des VI. Senats nicht entscheidungserhebliche Rechtsansicht im Rahmen der summarischen Prüfung nach § 69 FGO für erhöhte Absetzungen nach § 14 a Abs. 6 BerlinFG entsprechend anzuwenden.

Aus den einschränkenden Vorschriften, die durch das Steuerentlastungsgesetz 1984 eingefügt worden sind (§ 39 a Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i. V. m. § 37 Abs. 3 Sätze 5 bis 8 EStG), läßt sich nicht eindeutig entnehmen, worauf sich der Freibetrag in den dort geregelten Fällen erstrecken soll. Nach § 37 Abs. 3 Satz 5 EStG werden bei der Festsetzung der Vorauszahlungen bzw. im Lohnsteuerermäßigungsverfahren negative Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes nur für Kalenderjahre nach der Anschaffung oder Fertigstellung berücksichtigt. Diese zeitliche Hinauszögerung der Eintragungsfähigkeit beseitigt § 37 Abs. 3 Satz 7 EStG für negative Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes, für das erhöhte Absetzungen nach § 14 a BerlinFG in Anspruch genommen werden. Das hat zur Folge, daß bei Gebäuden, für die erhöhte Absetzungen nach § 14 a Abs. 6 BerlinFG für Teilherstellungskosten in Anspruch genommen werden, die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bereits im Jahr der Entstehung dieser Teilherstellungskosten eintragungsfähig sind. Zweifelhaft ist, ob nur die negativen Einkünfte im Zusammenhang mit den nach § 14 a Abs. 6 BerlinFG begünstigten Teilherstellungskosten eintragungsfähig sind, oder die gesamten negativen Einkünfte aus dem Grundstück. Der Gesetzeswortlaut spricht für die Rechtsansicht des FG. Denn die negativen Einkünfte aus einem Grundstück können nur insgesamt ermittelt werden. Im Schrifttum wird ebenfalls eine weite Auslegung mit der Begründung befürwortet, daß § 37 Abs. 3 Sätze 5 bis 8 EStG für den Berliner Wohnungsbau deshalb nicht anwendbar sein sollen, weil nach § 14 a Abs. 6 BerlinFG erhöhte Absetzungen bereits für Teilherstellungskosten oder für Anzahlungen auf Anschaffungskosten vorgenommen werden dürfen (Puhl, Der Betrieb - DB - 1984, 10, 14; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 37 EStG Grüne Blätter S. 24). Abschn. 213 n Abs. 3 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984 sieht ausdrücklich vor, daß neben den Sonderabschreibungen auch andere Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Zudem hat sich die Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin in einer Rundverfügung vom 22. Dezember 1986 (St 442-S 2297-2/86) auf den Standpunkt gestellt, bei Dachausbauten in Mehrfamilienhäusern sei als Gebäude i. S. des § 37 Abs. 3 Sätze 5 und 7 (ab 1. Januar 1987 Sätze 6 und 8) EStG das Gesamtgebäude zu verstehen; der Freibetrag soll danach offenbar die gesamten negativen Einkünfte umfassen. Angesichts der Zweifelhaftigkeit der Rechtslage stimmt der Senat mit dem FG überein, daß eine Aussetzung der Vollziehung dem Grunde nach geboten war. Die endgültige Klärung muß im Hauptverfahren, ggf. im Verfahren nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, erfolgen.

c) Der Senat hält jedoch eine Aussetzung der Vollziehung in der vom FG ausgesprochenen Höhe für nicht zutreffend. Das FG hat bei der Ermittlung der Höhe des Freibetrags ohne nähere Prüfung den Vortrag der Antragstellerin zugrunde gelegt, obwohl nach der Feststellung des Prüfers geringere Gesamtaufwendungen angefallen sind. Das FA rügt mit Recht, das FG habe selbst bei Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit nicht ohne weiteres dem Vortrag der Antragstellerin folgen dürfen (wird ausgeführt).