| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Beschluß vom 10.2.1987 (IV B 1/87) BStBl. 1987 II S. 360

Über den Antrag des Steuerpflichtigen, eine Betriebsprüfung an einem anderen als den in § 200 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 genannten Örtlichkeiten durchzuführen, muß das FA in der Prüfungsanordnung oder in der Beschwerdeentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen befinden.

AO 1977 § 200 Abs. 2 Satz 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war freiberuflich selbständig tätig.

Im Jahre 1986 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) beim Antragsteller eine Betriebsprüfung an. In der Prüfungsanordnung wurde der Antragsteller gebeten, die Buchführungsunterlagen an Amtsstelle vorzulegen. Gegen die Prüfungsanordnung legte der Antragsteller Beschwerde ein und beantragte, die Prüfung in der Kanzlei seines Steuerberaters durchzuführen. Über die Beschwerde ist noch nicht entschieden. Das FA hat dem Antragsteller zwischenzeitlich mitgeteilt, die Prüfung könne nicht in den Kanzleiräumen stattfinden, weil diese nicht zu den Geschäftsräumen des Antragstellers zählten.

Daraufhin hat der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Prüfungsanordnung beantragt. Er ist der Auffassung, bei der Wahl des Prüfungsorts handle es sich um einen Ermessensakt, der schriftlich begründet werden müsse. Es müsse dabei auch eine Prüfung in den Kanzleiräumen des Steuerberaters in Betracht gezogen werden. Im Streitfall würde die Prüfung zweckmäßig an dieser Stelle stattfinden, weil sich dort die Buchführung befinde und der sachbearbeitende Steuerberater als Auskunftsperson zur Verfügung stehe.

Das FG gab dem Antrag statt, weil das FA bei summarischer Betrachtung der Rechtslage den Prüfungsort in ermessensfehlerhafter Weise bestimmt habe. Eine Betriebsprüfung könne auch an einer anderen als den in § 200 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) angeführten Örtlichkeiten durchgeführt werden; auch die Kanzlei des Steuerberaters komme dafür in Betracht. Da der Steuerberater des Antragstellers eine entsprechende Bitte an das FA herangetragen habe, hätte die Prüfungsanordnung auf die Möglichkeit eingehen müssen.

Hiergegen richtet sich die vom FA eingelegte Beschwerde, mit der es die Aufhebung der Entscheidung des FG und die Zurückweisung des Antrags erstrebt.

Der Antragsteller tritt dem entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist begründet; an der Rechtmäßigkeit der ergangenen Prüfungsanordnungen bestehen keine ernsthaften Zweifel, die eine Aussetzung ihrer Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertigen könnten.

Wie sich aus § 200 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ergibt, wird die Prüfung der vom Steuerpflichtigen im Rahmen einer Außenprüfung vorzulegenden Unterlagen grundsätzlich in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen durchgeführt; soweit keine geeigneten Geschäftsräume vorhanden sind, hat der Steuerpflichtige die Unterlagen in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen. Im Streitfall ist bereits in der Prüfungsanordnung die Vorlegung an Amtsstelle angeordnet worden. Diese Festlegung ergab sich aus dem Umstand, daß der Antragsteller nicht über Geschäftsräume verfügte und eine Prüfung in seiner Wohnung nicht in Betracht kam; da diese Umstände dem Antragsteller und seinen Bevollmächtigten bekannt waren, mußten sie in der Prüfungsanordnung nicht eigens erwähnt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621). Eine Prüfung in der Kanzlei des Steuerberaters brauchte das FA daneben nicht in Betracht zu ziehen.

Die Aufzählung der Prüfungsstätten in § 200 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bedeutet allerdings nicht, daß die Unterlagen des Steuerpflichtigen in Ausnahmefällen nicht auch an einem anderen Ort gesichtet werden können, so etwa in einem Verwaltungsgebäude oder auch in der Kanzlei des Steuerberaters (vgl. Schick bei Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 200 AO 1977 Anm. 512, 516). Hieran kann der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse haben, wenn er die Buchführungsunterlagen für seinen Betrieb benötigt oder die Erörterung von Buchführungsvorgängen mittels telefonischer oder schriftlicher Anfragen bei einer Prüfung an Amtsstelle für ihn zu mühsam wäre; aus einem derartigen Grund kann auch das FA an einer Prüfung an anderer Stelle interessiert sein. Stellt der Steuerpflichtige einen entsprechenden Antrag, wird das FA darüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei die Interessen des Steuerpflichtigen gegen die eigenen Interessen abzuwägen haben, die auch in einem rationellen Einsatz der Prüfer bestehen können.

Einen derartigen Antrag hatte der Antragsteller aber vor Erlaß der Prüfungsanordnung nicht gestellt. Das FA hatte deswegen keinen Anlaß, bei Erlaß der Prüfungsanordnung auch eine Prüfung in den Räumen des Steuerberaters in Betracht zu ziehen. Erst im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller verlangt, die Prüfung in den Räumen seines Steuerberaters durchzuführen. Über dieses Verlangen wird die Oberfinanzdirektion in der Beschwerdeentscheidung zu befinden haben; dieser Entscheidung kann das Gericht nicht vorgreifen.