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BFH-Urteil vom 4.3.1987 (II R 150/83) BStBl. 1987 II S. 394

Die Übertragung sämtlicher Anteile an einer Grundbesitz haltenden GbR kann auch dann als Steuerumgehung der Grunderwerbsteuer unterliegen, wenn sie auf zwei Übertragungsverträge mit Abstand von fünf Monaten verteilt wird (Anschluß an das BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 II R 18/75, BFHE 130, 188, BStBl II 1980, 364).

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übertragung von Anteilen an der Klägerin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit Grundbesitz, Grunderwerbsteuer ausgelöst hat.

Das Grundstück gehörte einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG), die im Dezember 1966 ihren Geschäftsbetrieb mit Ausnahme des Betriebsgrundstücks und der Betriebsvorrichtungen an eine Kommanditgesellschaft (KG) veräußerte und dadurch zu einer GbR, der Klägerin, wurde. Diese verpachtete das Betriebsgrundstück und die Betriebsvorrichtungen an die vorgenannte KG. Komplementäre dieser KG waren zwar die beiden Gesellschafter der Klägerin. Im Innenverhältnis wurden die Komplementäre jedoch durch die Kommanditistin, eine zum X-Konzern gehörende Gesellschaft, von der Haftung freigestellt. Die Kommanditistin konnte die Komplementäre überstimmen und zum Ausscheiden aus der KG zwingen.

Durch Verträge vom 9. August 1974 und 3. Januar 1975 verkauften die beiden Gesellschafter der Klägerin ihre Anteile an dieser GbR an Mitglieder der Familie X.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in den Anteilsübertragungen vom 9. August 1974 und 3. Januar 1975 den Kauf des Gesellschaftsgrundstücks durch die aus den Erwerbern der Gesellschaftsanteile bestehende Klägerin. Mit Bescheid vom 20. Dezember 1979 setzte er gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Während des Klageverfahrens beantragte die Klägerin Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur (GrEStStrukturG ND) und legte eine Bescheinigung gemäß § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes der Bezirksregierung vor. Das FA widersprach diesem Antrag.

Mit Bescheid vom 14. April 1983 berichtigte das FA gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 den angefochtenen Bescheid; es setzte die Steuer herab, weil nach den Angaben der Klägerin die bisher der Steuerberechnung zugrunde gelegte Gegenleistung zum Teil auf Betriebsvorrichtungen entfalle. Der Steuerbescheid vom 14. April 1983 wurde gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.

Das FG wies die Klage ab.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Klageziel.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist im Ergebnis unbegründet.

1. Die Verträge vom 9. August 1974 und 3. Januar 1975 sind gemäß § 42 AO 1977 so zu besteuern, als habe die aus den Erwerbern der Gesellschaftsanteile bestehende Klägerin das Gesellschaftsgrundstück gekauft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -).

Zum Gesamthandsvermögen der grundstücksbesitzenden Klägerin gehörte nur das vorgenannte Grundstück mit den Betriebsvorrichtungen, nicht aber der auf diesem Grundstück unterhaltene Gewerbebetrieb, so daß der wirtschaftliche Erfolg des Gesellschafterwechsels nur noch in der Übertragung des Eigentums am Grundstück und an den Betriebsvorrichtungen bestand. Diese eingeschränkte Bedeutung des Gesellschafterwechsels rechtfertigt die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i. V. m. § 42 AO 1977. Die erstgenannte Vorschrift besteuert die vertragliche Begründung eines Anspruches auf Grundstücksübereignung. Zwar ist diese Vereinbarung hier in die Form des Gesellschafterwechsels gekleidet. Aber dieser Wechsel wurde i. S. des § 42 AO 1977 mißbraucht. Diese Vorschrift erlaubt und gebietet auch hier die Besteuerung, wo der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG lediglich deshalb nicht zutrifft, weil er nur an die Verpflichtung zur Grundstücksübereignung als der typischen bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsform anknüpft (vgl. dazu die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Februar 1980 II R 18/75, BFHE 130, 188, BStBl II 1980, 364; vom 19. März 1980 II R 23/77, BFHE 130, 422, BStBl II 1980, 598, und vom 4. Dezember 1985 II R 142/84, BFHE 145, 242, BStBl II 1986, 190).

Zwar hatten in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen der vorliegenden Art die Gesellschaftsanteile jeweils gleichzeitig oder in kurzen Zeitabständen den Inhaber gewechselt. Im vorliegenden Fall lag dagegen zwischen den Verträgen vom 9. August 1974 und 3. Januar 1975 ein Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gemäß § 42 AO 1977 ist aber nicht davon abhängig, über welchen Zeitraum sich der zu beurteilende Vorgang erstreckt. Ausschlaggebend ist vielmehr nur, daß dieser Vorgang einem Grundstückskauf gleichkommt. Nach Auffassung der Klägerin widerspricht es zwar der Lebenserfahrung, "daß hier ein abgestimmtes Verhalten vorgelegen hat". Das ändert aber nichts daran, daß im Streitfall für den Gesellschafterwechsel kein anderer Grund als derjenige ersichtlich ist, mittels der Gesellschaftsanteile die Herrschaftsmacht an dem Gesellschaftsgrundstück (nebst Betriebsvorrichtungen) zu erlangen. Irgendeinen Geschäftsbetrieb, dessen Fortführung der Gesellschafterwechsel hätte sichern können, hatte die Klägerin nicht (vgl. dazu die BFH-Urteile vom 7. Juni 1978 II R 112/71, BFHE 125, 395, BStBl II 1978, 605, und vom 30. Oktober 1979 II R 70/75, BFHE 129, 88, BStBl II 1980, 28). Selbst der Vortrag der Klägerin läßt nicht erkennen, daß andere Gründe als das Interesse am Grundstück (nebst Betriebsvorrichtungen) für den Erwerb der Gesellschaftsanteile maßgebend waren.

Irgendeine moralische Wertung der besteuerten Vorgänge ist mit der Anwendung des § 42 AO 1977 nicht verbunden. Darauf hat der Senat schon in seinem Urteil vom 13. Februar 1980 II R 18/75 (BFHE 130, 188) hingewiesen.

2. Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG ND kann die Klägerin nicht in Anspruch nehmen, wie das FG zu Recht entschieden hat. Die Vorschrift setzt voraus, daß eine Betriebsstätte errichtet oder erweitert wird. Auf dem Grundstück der Klägerin wurde jedoch nach dem Erwerb der Gesellschaftsanteile keine Betriebsstätte errichtet. Diese bestand vielmehr schon vorher. Auch eine Erweiterung der Betriebsstätte läßt der festgestellte Sachverhalt nicht erkennen. Abgesehen davon, muß der Erwerber eines Grundstücks den steuerbegünstigten Zweck selbst erfüllen, wenn er Grunderwerbsteuerbefreiung zur Förderung der Wirtschaftsstruktur begehrt. Selbst die Errichtung der Betriebsstätte durch eine Organgesellschaft genügt nicht (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1982 II R 164/80, BFHE 137, 90, BStBl II 1983, 139). Weder die Klägerin noch ihre Gesellschafter haben aber nach dem festgestellten Sachverhalt auf dem Grundstück eine Betriebsstätte errichtet oder erweitert.

Diese grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung wird durch die Bescheinigung der Bezirksregierung nicht berührt; denn diese Bescheinigung bindet insoweit nicht (BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 II R 125/76, BFHE 123, 57, BStBl II 1977, 779). Darauf wird auch in der Bescheinigung hingewiesen.

3. Auch die Einwendungen, welche die Klägerin gegen die Adressierung des Steuerbescheides vom 14. April 1983 und das Rubrum des Urteils des FG erhebt, sind unbegründet.

a) Der genannte Steuerbescheid ist an die "Y Verwaltungs-GbR zu Händen Herrn Z" gerichtet. Damit war der Bescheid ausreichend - nämlich an den (Prozeß-) Bevollmächtigten - adressiert (BFH-Urteil vom 29. November 1972 II R 42/67, BFHE 108, 257, 259, BStBl II 1973, 372, 373). Zutreffend wurde auch die Klägerin als Steuerschuldnerin bezeichnet. Im Grunderwerbsteuerrecht sind Personengesellschaften selbständige Rechtsträger. Demnach ist auch im vorliegenden Fall die Klägerin als solche (nämlich in ihrer Eigenschaft als GbR) Steuerschuldnerin und Klägerin.

b) Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist auch der Einwand der Klägerin gegenstandslos, "bereits das Rubrum des Urteils ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen unrichtig. Klägerin kann nicht eine GbR sein, weil diese keine eigene Rechtsfähigkeit besitzt ...". Grunderwerbsteuerrechtlich jedenfalls ist das Rubrum des FG-Urteils ohne Fehler. Überdies hat auch der Prozeßbevollmächtigte in seiner Klageschrift als Klägerin die "Y Grundstücksverwaltung-GbR" bezeichnet.