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BFH-Urteil vom 7.4.1987 (IX R 133-135/84) BStBl. 1987 II S. 565

1. Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein mit einem vermieteten Einfamilienhaus bebautes Grundstück in der Absicht der späteren Eigennutzung, so ist ihm bei Leerstehen der Wohnung nach dem Auszug der Mieter ein Nutzungswert der Wohnung gemäß § 21 Abs. 2, § 21 a EStG 1975 erst ab dem Beginn der Eigennutzung der Wohnung zuzurechnen. Eine Eigennutzung der Wohnung setzt voraus, daß das Haus bewohnbar, nämlich im wesentlichen bezugsfertig und wenigstens notdürftig mit Möbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen ausgestattet ist, so daß ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Es genügt dann, daß das Haus zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung steht (Anschluß an das BFH-Urteil vom 10. August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883).

2. Auch wenn die Wohnung z. B. wegen Instandsetzungsarbeiten leer steht und daher noch kein Rohmietwert anzusetzen ist, sind Werbungskosten abziehbar, falls eine Absicht zur Eigennutzung gegeben ist (Anschluß an die bisherige Rechtsprechung zu § 2 EinfHausV, insbesondere das Urteil vom 26. August 1975 VIII R 120/72, BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9).

EStG 1975 und 1977 § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 2, § 21a.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin betrieb mit dem Kläger als Angestellten in Berlin (West) bis Anfang 1978 ein Einzelhandelsgeschäft. Am 24. Februar 1978 verlegten die Kläger ihren Wohnsitz nach X, wo sie ein bereits im Jahre 1975 erworbenes Einfamilienhaus bezogen. Dieses Haus war im Erwerbszeitpunkt bis zum Jahre 1979 vermietet gewesen; der Mietvertrag wurde jedoch aufgrund von Unstimmigkeiten mit den Mietern zum 1. März 1976 aufgelöst. Am 17. Mai 1976 hatte der Kläger seinen Hauptwohnsitz in X angemeldet. Die Kläger hatten das Haus jedoch wegen des Berliner Handelsgeschäfts vorläufig nicht bezogen.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1976 bis 1978 machten die Kläger Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Für 1976 und 1977 folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Bescheiden, die er jedoch später deshalb änderte, weil er die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab 1. Juni 1976 gemäß § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte. Ebenso ging das FA bei der Veranlagung für 1978 vor. Der Einspruch für 1976 hatte teilweise Erfolg, die Einsprüche für 1977 und 1978 blieben erfolglos.

Mit den Klagen machten die Kläger geltend, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für alle Streitjahre seien durch eine Überschußrechnung nach § 21 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 8 und § 9 EStG zu ermitteln. Die Anwendung des § 21 a EStG entfalle, weil das Haus erst ab Februar 1978 eigengenutzt worden sei. Der Kläger habe seinen Hauptwohnsitz nur deshalb vorher bei der Gemeinde X angemeldet, weil die Kläger irrig davon ausgegangen seien, dadurch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer zu schaffen. Eine tatsächliche Nutzung des Hauses sei auch nicht möglich gewesen, weil nach dem Auszug der Mieter Reparaturen hätten durchgeführt werden müssen und die Aufgabe des Geschäfts der Klägerin auf den ursprünglichen Bezugstermin im Jahre 1979 geplant gewesen sei. Die für X zuständige Landkreisverwaltung habe den Klägern bestätigt, daß sie während des gesamten Zeitraums ihr Einfamilienhaus nicht bewohnt hätten. Während dieser Zeit hätten sie sich lediglich dreimal, teilweise mit längerer Verweildauer, zur Beaufsichtigung der Handwerker in dem Einfamilienhaus aufgehalten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen als unbegründet ab. Es hielt die Voraussetzungen des § 21 a EStG für gegeben, da die Wohnung den Klägern zur Nutzung zur Verfügung gestanden und nach ihrem Sachvortrag zumindest der Kläger die Wohnung auch in einem nicht unerheblichen Zeitraum tatsächlich genutzt habe. Es reiche für die Annahme einer Selbstnutzung aus, wenn die Wohnung in "baulicher" Hinsicht bezugsfertig sei und dem Eigentümer tatsächlich zur Nutzung zur Verfügung stehe. Denn eine Eigennutzung sei schon dann gegeben, wenn der Eigentümer die Nutzungsmöglichkeit für die Wohnräume habe und diese nicht lediglich deshalb leer ständen, weil es dem Eigentümer nicht gelinge, geeignete Mieter zu finden. Nicht erforderlich sei es danach, daß der Eigentümer in der Wohnung seinen Hauptwohnsitz habe und sich dauernd in ihr aufhalte. Die Kläger hätten nicht vorgetragen, daß die Wohnung nur deshalb leer gestanden habe, weil sie wegen der noch durchzuführenden Reparaturarbeiten nicht bewohnbar gewesen sei oder die Kläger sich vergeblich um Nachmieter bemüht hätten.

Mit den Revisionen rügen die Kläger Verletzung der §§ 21 und 21 a EStG. Der Ansatz des Nutzungswerts gemäß § 21 a EStG setze die tatsächliche Eigennutzung der Wohnung voraus. Die Selbstnutzung beginne erst mit dem Einzug des Eigentümers.

Die Kläger beantragen, zum Teil sinngemäß, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen und der FG-Urteile die Einkommensteuerbescheide für 1976 bis 1978 dahingehend zu ändern, daß die Einkommensteuer für 1976 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von 4.733 DM auf 2.582 DM, für 1977 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von 18.948 DM auf 1.016 DM und für 1978 unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 796 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Der Senat verbindet die Verfahren zu gemeinsamer Entscheidung (§§ 121, 73 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Revisionen führen zur Aufhebung der FG-Urteile und Zurückverweisung der Sachen an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG hat unter Abweichung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. August 1975 VIII R 120/72 (BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9) rechtsirrig die Anwendbarkeit der § 21 Abs. 2, § 21 a EStG schon dann bejaht, wenn die Wohnung in "baulicher" Hinsicht bezugsfertig ist und dem Eigentümer tatsächlich zur Nutzung zur Verfügung steht, ohne daß er sie indessen schon bezogen hat.

Der nach § 21 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus, der bei einem selbstgenutzten Einfamilienhaus gemäß § 21 a EStG ermittelt wird, setzt nach dem Urteil in BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9 voraus, daß eine Wohnung im eigenen Haus vom Eigentümer tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt wird. Denn nur dann kann von einem "Nutzungswert" gesprochen werden. Da der Sinn und Zweck des § 21 Abs. 2 EStG darin besteht, den Eigenwohner dem Vermieter gleichzustellen, ist auch zu berücksichtigen, daß dem Vermieter für eine nicht vermietete Wohnung auch keine fiktiven Einnahmen zugerechnet werden. Der Ansatz eines Nutzungswerts für leerstehende Wohnungen würde hiernach dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 2 EStG widersprechen.

Im Einklang hiermit hat der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen, daß der Tatbestand des § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG durch Nutzung einer Wohnung zu Wohnzwecken tatsächlich verwirklicht sein muß (vgl. die Urteile vom 23. Oktober 1984 IX R 45/81, BFHE 142, 143, BStBl II 1985, 53, und vom 12. Februar 1985 IX R 43/82, BFHE 143, 132, BStBl II 1985, 423). Das setzt voraus, daß in der Wohnung ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Eine solche Haushaltsführung ist nur möglich, wenn die Räume, zu denen grundsätzlich Küche oder Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette gehören müssen, bewohnbar, d. h. im wesentlichen bezugsfertig und wenigstens notdürftig mit Möbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen ausgestattet sind. Wer seine Wohnung vor dem Bezug selbst instandsetzt, nutzt sie noch nicht zu Wohnzwecken, auch wenn er bei dieser Gelegenheit in der Wohnung behelfsmäßig übernachtet. Dasselbe gilt beim Aufenthalt in der wegen Reparaturarbeiten leerstehenden Wohnung zur Beaufsichtigung der Handwerker. Denn grundsätzlich beginnt die Selbstnutzung nicht mit der Bezugsfertigkeit des Gebäudes, sondern mit dem tatsächlichen Einzug des Wohnungsinhabers (so auch die Auffassung der Verwaltung in Abschn. 164 b Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1975 und 1978 - EStR - und Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 21 a, Rz. 21). Andererseits genügt die Nutzung einer eingerichteten Wohnung zum Ferien- oder Wochenendaufenthalt für den Ansatz eines Nutzungswerts im Sinne der §§ 21 Abs. 2 bzw. 21 a EStG. Denn der Begriff der Selbstnutzung ist weit zu fassen, so daß die Besteuerung des Nutzungswerts einsetzt, wenn eine hinreichend ausgestattete Wohnung vorhanden ist, die dem Eigentümer jederzeit zur selbständigen Nutzung zur Verfügung steht (BFH-Urteile vom 10. August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883, und vom 26. Juli 1977 VIII R 194/73, BFHE 122, 522, BStBl II 1977, 723).

Die Auffassung des FG, daß bereits die "bauliche" Nutzbarkeit des Hauses zur Anwendung von § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 a EStG genüge, findet dagegen in der BFH-Rechtsprechung keine Stütze. In dem vom FG herangezogenen Urteil des BFH in BFHE 122, 522, BStBl II 1977, 723 hat es sich um eine hinreichend eingerichtete Wohnung gehandelt. Auch das Urteil vom 30. Januar 1979 VIII R 130/74 (BFHE 127, 367, BStBl II 1979, 431) betrifft einen anders gelagerten Fall.

Steht die Wohnung dagegen unmöbliert völlig leer, ist kein fiktiver Mietwert anzusetzen; Werbungskosten sind gleichwohl abziehbar, falls eine Absicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung besteht (vgl. noch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 21 a EStG, Anm. 72, und Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 21 Rdnr. 42).

Beginnt die Selbstnutzung des Einfamilienhauses zu Wohnzwecken während des Kalenderjahrs, so ist nur der Teil des Grundbetrags anzusetzen, der auf die vollen Kalendermonate der Selbstnutzung entfällt (§ 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1975/1977). Geht man von diesen Grundsätzen aus, können die Vorentscheidungen keinen Bestand haben. Im übrigen reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

Soweit das FG davon ausgegangen ist, daß der Kläger in den Streitjahren 1976 und 1977 die leerstehende Wohnung tatsächlich genutzt habe, ergibt sich hieraus nicht, ob der Kläger das Haus damals bewohnt hat, nämlich dort einen Haushalt geführt hat oder führen konnte. Aus der Bezeichnung des Hauses durch das FG als leerstehend läßt sich nicht entnehmen, ob und gegebenenfalls ab wann das Haus bezogen, insbesondere ganz oder teilweise mit Möbeln eingerichtet war. Die Berufung des FG auf die eigene Darstellung der Kläger ist insofern unklar, als sich die Kläger vor dem Umzug nur zur Überwachung der Handwerker in dem Haus aufgehalten haben wollen.

Selbst wenn mit diesen Aufenthalten der Kläger deren Nutzung des Hauses zu Wohnzwecken begonnen haben sollte, hätte § 21 a EStG erst ab dem Beginn der Selbstnutzung angewandt werden dürfen. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ab wann diese Nutzung stattgefunden habe.

Hat die Selbstnutzung des Einfamilienhauses durch die Kläger erst mit dem Umzug vom 24. Februar 1978 begonnen, kommt die Pauschalierung des Nutzungswerts nach § 21 a EStG ab 1. März 1978 in Betracht. Wenn das FG zu dem Ergebnis kommt, daß im vorhergegangenen Zeitraum der Streitjahre eine Nutzung zu Wohnzwecken durch die Kläger noch nicht vorliegt, sind (vorab entstandene) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Das FG hat dann zu prüfen, ob die geltend gemachten Aufwendungen auch Werbungskosten sind.

Die nicht spruchreife Sache geht zur Nachholung der noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen an das FG zurück.