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BFH-Urteil vom 26.3.1987 (IV R 61/85) BStBl. 1987 II S. 597

Wird als Gegenleistung für anwaltliche Beratungs- und Betreuungstätigkeit eine bis zum Tode des Rechtsanwalts und seiner Ehefrau zu zahlende Leibrente vereinbart, so gehören die Einnahmen aus dieser Rentenvereinbarung zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit.

EStG §§ 2 Abs. 1, 18, 22 Nr. 1 Buchst. a, 24 Nr. 2; FGO § 118 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der 1908 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Jahren 1965 und 1966 als Rechtsanwalt mit umfassendem Mandat für eine GmbH und deren beherrschenden Gesellschafter T tätig. In einem Vertrag vom 12. März 1966 wurde vereinbart, daß der Kläger als Vergütung für seine Tätigkeit eine Rente in Höhe von jährlich 25.000 DM erhalten sollte.

Aus dem Urteil des Kammergerichts vom 27. Oktober 1970, auf das das Finanzgericht (FG) Bezug genommen hat, ergibt sich dazu folgendes: Der Kläger und T unterzeichneten am 12. März 1966 drei Urkunden, die die Honorierung der Tätigkeit des Klägers für die GmbH und T persönlich betrafen. Die erste enthielt die Vereinbarung, daß der Kläger die GmbH weiterhin rechtlich beraten und ihre Rechtsangelegenheiten bearbeiten und dafür als Honorar 25.000 DM jährlich erhalten sollte. Damit sollten alle Leistungen in Vergangenheit und Zukunft abgegolten sein, gleichgültig, um welche Gegenstandswerte es sich im einzelnen handelte, und ob mit der Beratung auch die Führung von Rechtsstreitigkeiten verbunden wäre. Der Kläger sollte berechtigt sein, das Vertragsverhältnis ohne Angabe von Gründen mit sechsmonatiger Frist zum Jahresende zu kündigen, während die GmbH nur ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde haben sollte. Das Honorar sollte bis zum Ableben der Ehefrau des Klägers, mindestens jedoch für die Lebenszeit des Klägers, gezahlt werden. Für den Fall der Kündigung seitens der GmbH wurde bestimmt, daß eine besondere Auseinandersetzung stattzufinden habe. Durch die Verpflichtung der GmbH, nach dem Tode des Klägers die Zahlung an seine Witwe zu leisten, sollte zugleich der Verzicht auf die Berechnung der gewährten Leistungen nach Gegenstandswerten abgegolten sein.

T lehnte die Zahlung der Rente ab. Der Kläger verklagte T auf Zahlung der Rente und erwirkte das Urteil des Landgerichts Berlin vom ..., durch das T zur Zahlung von 25.000 DM verurteilt wurde. Die Berufung des T an das Kammergericht blieb ohne Erfolg. Die Revision des T wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) durch Beschluß ohne Begründung zurückgewiesen.

Für 1968 lehnte T die Zahlung der Rente erneut ab. Der Kläger erstritt daraufhin das Urteil des Landgerichts Berlin vom ..., durch das T wiederum zur Zahlung von 25.000 DM verurteilt wurde. Auf die Berufung des T erweiterte der Kläger die Klage auf die Jahre 1969 bis 1973. Die Prozeßparteien kamen schließlich jedoch im Vergleichswege überein, daß T an den Kläger am 2. Januar jeden Jahres, erstmalig am 2. Januar 1975, 36.000 DM zahlen sollte, nach dem Tode des Klägers an dessen Witwe jährlich bis zu deren Tode die gleiche Summe. Im Hinblick auf die Erhöhung des Jahresbetrags der Rente von 25.000 DM auf 36.000 DM verzichtete der Kläger auf seine Ansprüche für die Jahre 1969 bis 1973.

Der weiterhin als Rechtsanwalt tätige Kläger erklärte die ihm in den Streitjahren zugeflossenen Rentenzahlungen in den Einkommensteuererklärungen 1978 und 1979 zunächst bei den Einkünften aus seiner freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ihn insoweit erklärungsgemäß veranlagt hatte, legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, die Rentenzahlungen beruhten auf einer Leibrente i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und dürften nur mit dem Ertragsanteil der Einkommensteuer unterworfen werden.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision wird geltend gemacht, aus den Rechtsstreitigkeiten des Klägers mit T lasse sich deutlich erkennen, daß die Begründung einer Rente ab 12. März 1966 beabsichtigt gewesen sei, und zwar ergebe sich dies auch aus der Tatsache, daß die Zahlungen nach dem Tode des Klägers an seine Ehefrau in gleicher Höhe bis zu deren Tod weitergezahlt werden sollten. Motiv sei eine Altersversorgung der Ehefrau gewesen, da ein sonstiges Rentenrecht des Klägers nicht bestanden habe. Der Vergleich habe zwei Teile, einmal die Lebenszeitrente von 25.000 DM und die Erhöhung um 11.000 DM gegen den Verzicht des Klägers auf Zahlungen für die Jahre 1969 bis 1973. Die rechtliche Grundlage für diese Rentenerhöhung sei eine andere als die Verpflichtung aus dem Jahre 1966. Die Erhöhung um 11.000 DM jährlich beruhe nicht auf einer ausgeübten anwaltlichen Tätigkeit, sondern sei die Gegenleistung für den Verzicht auf Zahlungen für die Jahre 1969 bis 1973.

Auch hinsichtlich des Rentenstammrechts aus dem Jahre 1966 sei zu berücksichtigen, daß die Rechtsgrundlage für die Zahlungen seit 1974 der Vergleich der Parteien sei.

Auch das ursprüngliche Rentenversprechen habe keine anwaltliche Leistung als Grundlage gehabt, sondern eine Leistung in bezug auf die Verpflichtung des Rentenverpflichteten T in bezug auf die von ihm weitergegebenen Wechsel. Rechtsanwalt und Notar seien in diesem Fall nur eine Berufsbezeichnung so wie jeder Dritte als Berufsbezeichnung Kaufmann oder Ingenieur oder Beamter angebe, ohne daß dies in bezug auf die jeweils in Frage stehende Tätigkeit von Bedeutung ist.

Der Kläger beantragt, abweichend von den Einkommensteuerbescheiden 1978 vom 25. August 1981 und 1979 vom 4. August 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. November 1982 die Einkommensteuerschuld auf ... DM für 1978 und auf ... DM für 1979 herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, zu denen insbesondere auch die Leibrenten gehören, werden nur dann nach § 22 EStG besteuert, Leibrenten also nicht mit dem vollen Rentenbetrag, sondern nur mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Im Streitfall gehören die Rentenzahlungen nach den Feststellungen des FG zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. des § 18 EStG, da sie dem Kläger nachträglich für seine anwaltliche Tätigkeit in den Jahren 1965 und 1966 zugeflossen sind.

2. Auch von der Revision wird nicht bestritten, daß die Rente die Gegenleistung für die Tätigkeit des Klägers im Interesse des T und der GmbH waren.

a) Der Einwand der Revision, die Rentenvereinbarung habe der Altersversorgung der Ehefrau gedient, da eine sonstige Altersversorgung nicht bestanden habe, führt nicht zur Anwendung des § 22 EStG. Entscheidend dafür, ob eine Rente als Betriebseinnahme für eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit, ggf. auch für eine frühere Tätigkeit dieser Art (vgl. § 24 Nr. 2 EStG) bei den Einkünften aus dem Betrieb oder aus der freiberuflichen Tätigkeit zu erfassen ist, ist die Beziehung zwischen der Tätigkeit und der Rente. Ist die Einräumung des Rentenrechts durch die betriebliche oder berufliche Leistung veranlaßt, so liegen Betriebseinnahmen vor, die bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit zu erfassen sind, ggf. nach § 24 Nr. 2 EStG. Die Absicht, die Altersversorgung zu sichern, ist lediglich das Motiv dafür, die Gegenleistung nicht alsbald in der üblichen Höhe zu vereinnahmen, sondern zu verrenten und entsprechende Rentenleistungen zu vereinnahmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen betriebliche Renten vor, bei denen die Anwendung des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht in Betracht kommt, wenn Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder auch ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil im ganzen gegen Zahlung einer betrieblichen Veräußerungsrente veräußert werden. Dies gilt insbesondere auch, wenn Freiberufler oder ihre Erben Patente, die zum freiberuflichen Betriebsvermögen gehören, gegen Einräumung einer Leibrente veräußern (BFH-Urteile vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666, und vom 28. März 1984 I R 191/79, BFHE 141, 244, BStBl II 1984, 664). Nichts anderes kann gelten, wenn die Leibrente nicht die Gegenleistung für die Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens, sondern für eine oder mehrere betriebliche oder berufliche Leistungen darstellt, wie dies im Streitfall hinsichtlich der (bereits geleisteten oder noch zu erbringenden) Beratungs- und Vertretungsleistungen des Klägers der Fall war. Die Vereinbarung einer Leibrente als Gegenleistung für anwaltliche Tätigkeiten mag zwar ungewöhnlich sein. Sie hat aber, wie sich aus dem für den Kläger erfolgreichen Ausgang der Zivilprozesse ergibt, nicht dazu geführt, daß in einer auch steuerrechtlich relevanten Weise der Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und den streitigen Einnahmen zu verneinen wäre. Schon das Reichsgericht hat anerkannt, daß eine Leibrente als anwaltliches Honorar vereinbart werden kann, und für diese Fälle entschieden, daß es sich bei der entsprechenden Vereinbarung nicht um ein Leibrentenversprechen i. S. des § 761 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) handelt; vielmehr handele es sich um die unmittelbare Entlohnung für die anwaltliche Tätigkeit (Urteil vom 2. November 1937 III 76/37, Juristische Wochenschrift - JW - 1938, 370).

b) Etwas anderes gilt auch nicht für den im Jahre 1973 vereinbarten Erhöhungsbetrag von 11.000 DM jährlich. Die Vereinbarung einer um 11.000 DM von bisher 25.000 DM auf 36.000 DM erhöhten Leibrente steht in Zusammenhang mit dem Verzicht des Klägers auf Zahlungen für die Jahre 1969 bis 1973. Es handelte sich um einen durch gegenseitiges Nachgeben gekennzeichneten Vergleich i. S. des § 779 BGB über das Gesamtvolumen der Ansprüche des Klägers aus der Rentenvereinbarung. Dem Ausfall von Einnahmen für die Jahre 1969 bis 1973 standen andererseits höhere Einnahmen ab 1975 gegenüber. Der Vergleich stellt die Rechtslage zwischen den Parteien fest, regelmäßig ohne das Ausgangsrechtsverhältnis in seiner Rechtsnatur zu verändern (Pecher in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 779 Rdnr. 21). Auch im Streitfall spricht nichts dafür, die Vergleichsvereinbarung bezüglich eines Teilbetrags von 11.000 DM als Vertrag über die Einräumung eines selbständigen Rentenstammrechts gegen Verzicht auf Zahlung von 125.000 DM für die Jahre 1969 bis 1973 anzusehen. Vielmehr sollte für die Zukunft nach den langwierigen Auseinandersetzungen der Vergangenheit ein Vergleich über die nach dem Vertrag vom 12. März 1966 zu zahlende Rente herbeigeführt werden. Hieraus folgt zugleich, daß auch hinsichtlich des Grundbetrags von 25.000 DM der Abschuß des Vergleichs auf die steuerrechtliche Qualifikation der Rente keinen Einfluß gehabt hat.

c) Falls das weitere Revisionsvorbringen einwenden will, daß die Leistungen des Klägers für T bzw. die GmbH nicht eigentlich anwaltlicher Natur gewesen seien und daß die Leistungen auch von Personen, die keine Rechtsanwälte sind, hätten erbracht werden können, so handelt es sich dabei um neues tatsächliches Vorbringen i. S. des § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), mit dem der Kläger vor dem BFH als Revisionsgericht nicht mehr gehört werden kann. Im übrigen würde dieses Vorbringen des Klägers, seine Richtigkeit unterstellt, auch nicht zu einem anderen sachlichen Ergebnis führen können. Denn die Rente bliebe auch danach die Gegenleistung, die der Kläger dafür erhalten hat, daß er auf Grund eines weitreichenden Mandats T nicht nur in Rechtsstreitigkeiten und Rechtsangelegenheiten, sondern auch bei der Wahrung seiner Vermögensinteressen im weiteren Sinne vertrat und betreute (vgl. auch Urteil in JW 1938, 370).