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BFH-Urteil vom 28.1.1987 (I R 85/80) BStBl. 1987 II S. 616

1. Erwirbt ein Miterbe von der Erbengemeinschaft aufgrund testamentarischer Anordnung einen Nachlaßgegenstand gegen Zahlung eines im Testament festgelegten Betrages, so liegt ein (ggf. teilweiser) entgeltlicher Erwerb vor, der Anschaffungskosten des erwerbenden Miterben auslöst (Anschluß an BFH-Urteil vom 9. Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722).

2. Finanziert der erwerbende Miterbe die von ihm an die übrigen Miterben (Erbengemeinschaft) zu entrichtende Ausgleichszahlung durch Kreditaufnahme, so sind die Darlehenszinsen Aufwendungen, die durch die Anschaffung des Nachlaßgegenstandes veranlaßt sind.

3. Legt der Miterbe den angeschafften Nachlaßgegenstand in sein Betriebsvermögen ein, so ist der aufgenommene Kredit eine betriebliche Verbindlichkeit; die Zinsen sind Betriebsausgaben.

EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb seit 1960 bis über das Streitjahr 1975 hinaus auf dem Grundstück in X, Y-Straße 12, die Herstellung und den Handel mit Farben und Lacken. Das bebaute Grundstück stand ursprünglich im Eigentum des O und dessen Ehefrau T, einem Onkel bzw. einer Tante des Klägers. Der Kläger besaß jedoch schon damals ein dinglich gesichertes Vorkaufsrecht auf den Erwerb des bebauten Grundstücks.

In einem zwischen O und T am 27. August 1965 abgeschlossenen Erbvertrag war vorgesehen, daß der Kläger das Grundstück nach dem Tode des Überlebenden "vermächtnisweise" gegen Zahlung von 150.000 DM an den Nachlaß erwerben sollte. Der Betrag von 150.000 DM sollte sich entsprechend der ab 1965 eintretenden Änderung der Lebenshaltungskosten erhöhen.

T, die den O überlebte, starb am 25. April 1974. An diesem Tag gehörte der Kläger zu den Erben der T. Sein Erbteil betrug 1/4. Mit den übrigen Erben schloß er am 11. November 1974 einen Auseinandersetzungsvertrag, durch den er das bebaute Grundstück in X, Y-Straße 12, dessen Verkehrswert damals rd. 560.000 DM betrug, gegen Zahlung von 146.250 DM zu Alleineigentum erwarb. Durch Vertrag vom 15. November 1974 überließ der Kläger seiner Ehefrau schenkweise einen Miteigentumsanteil von 1/2 an dem Grundstück. Der Kläger nutzte in der Folgezeit Grundstück und Gebäude zu 2/3 eigenbetrieblich und zu 1/3 zu Wohnzwecken. Entsprechend erfaßte er jeweils 1/3 des Grundstücks und des Gebäudes in seiner Bilanz als Betriebsvermögen.

Der Kläger zahlte den Betrag von 146.250 DM am 10. Februar 1975 an die übrigen Erben. Er finanzierte ihn durch Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 150.000 DM, das abzüglich eines Disagios von 3 v.H. (4.500 DM) ausbezahlt wurde. Im Streitjahr 1975 entrichtete der Kläger neben dem Disagio Darlehenszinsen in Höhe von 10.956 DM. Er behandelte das Disagio und die Zinsen teilweise als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb und im übrigen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah nach einer Außenprüfung in den genannten Aufwendungen Kosten der Lebensführung, die einkommensteuerlich nicht absetzbar seien. Der Einspruch gegen den entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1975 vom 7. November 1978 blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt.

Gegen das Urteil legte nur das FA die vom FG zugelassene Revision ein. Es rügt die Verletzung der § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 1, § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Anfechtungsklage in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A.

Zinsen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten

Die Revision ist allerdings unbegründet, soweit das FA sich mit ihr gegen den Ansatz der Zinsen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten wendet.

1. Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Für den Werbungskostenbereich (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) wird ein entsprechender Veranlassungszusammenhang zu der jeweils maßgeblichen steuerbaren Tätigkeit (hier: Vermietung und Verpachtung) gefordert (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510). Schuldzinsen und die ihnen gleichzustellenden Kreditkosten sind deshalb durch einen Betrieb bzw. durch eine Vermietungstätigkeit veranlaßt, wenn der sie auslösende Kredit zur Finanzierung von Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter verwendet wurde, die im Rahmen der angesprochenen Einkunftsarten genutzt werden sollen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil der in Höhe von 150.000 DM aufgenommene Kredit nach Abzug des Disagios zur Finanzierung von Anschaffungskosten für den Erwerb des bebauten Grundstücks in X, Y-Straße 12, verwendet wurde. Der Kläger erwarb dieses Grundstück teilweise entgeltlich. Seine Anschaffungskosten beliefen sich auf mindestens 146.250 DM.

2. Die Rechtsprechung hat allerdings in der Beurteilung von Erbauseinandersetzungen als unentgeltliches Geschäft von Todes wegen oder als Rechtsgeschäft unter Lebenden geschwankt.

a) Der Reichsfinanzhof - RFH - (vgl. Urteile vom 8. November 1933 VI A 1488/31, RStBl 1934, 295, und vom 3. Mai 1935 V A 228/34, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1935, Nr. 506) hat die Erbauseinandersetzung als Bestandteil eines einheitlichen Rechtsvorgangs der Vererbung angesehen, der als Ganzes den Rechtsfolgen eines Erwerbs von Todes wegen unterliege. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sollte nur dann gelten, wenn im Rahmen der Erbauseinandersetzung Ausgleichszahlungen zu leisten waren. Ausgleichszahlungen sollten nach den für den entgeltlichen Erwerb unter Lebenden geltenden Regeln behandelt werden (vgl. Urteil in RStBl 1934, 295).

b) Der BFH hat demgegenüber im Urteil vom 6. Dezember 1957 VI 166/56 U (BFHE 66, 82, BStBl III 1958, 33) die Erbauseinandersetzung als Rechtsgeschäft unter Lebenden beurteilt, das in Höhe der eigenen Erbquote des erwerbenden Miterben ein unentgeltliches und in Höhe der von den übrigen Miterben zusammen gehaltenen Erbquote ein entgeltliches sein sollte. Diese Rechtsprechung hat der BFH später nicht fortgeführt. Vielmehr hat er die Erbauseinandersetzung, soweit sie innerhalb angemessener Frist nach Eintritt des Erbfalls durchgeführt wurde, insgesamt als Geschäft von Todes wegen mit der Folge behandelt, daß der einzelne Miterbe bezüglich der Nachlaßgegenstände, die er im Rahmen der Erbauseinandersetzung erwarb, steuerrechtlich als unmittelbarer und unentgeltlich erwerbender Rechtsnachfolger des Erblassers angesehen wurde (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juli 1963 VI 334/61 U, BFHE 77, 435, BStBl III 1963, 480; vom 15. Januar 1965 VI 233/63 U, BFHE 82, 13, BStBl III 1965, 252; vom 20. Januar 1966 IV 377/61, BFHE 85, 279, BStBl III 1966, 312; vom 8. September 1971 I R 191/69, BFHE 103, 175, BStBl II 1972, 12; vom 10. Dezember 1975 I R 133/73, BFHE 118, 304, BStBl II 1976, 368; vom 15. Oktober 1975 I R 146/73, BFHE 117, 169, BStBl II 1976, 191; vom 26. Februar 1976 I R 150/74, BFHE 118, 337, BStBl II 1976, 378; vom 2. Dezember 1976 IV R 115/75, BFHE 121, 39, BStBl II 1977, 209; vom 7. Februar 1980 IV R 178/76, BFHE 130, 42, BStBl II 1980, 383; vom 26. März 1981 IV R 130/77, BFHE 133, 271, BStBl II 1981, 614; vom 7. Oktober 1980 VIII R 111/78, BFHE 132, 32, BStBl II 1981, 157). Diese Auffassung bedeutet eine von der Zivilrechtslage abweichende Beurteilung. Sie führt zu dem Ergebnis, daß der erwerbende Miterbe, der Ausgleichszahlungen an die Erbengemeinschaft oder an einzelne Miterben zu leisten hat, insoweit keine Anschaffungskosten ansetzen kann. Entsprechendes soll für den Erwerb durch einen Vermächtnisnehmer gelten (BFH-Urteile vom 5. August 1971 IV R 243/65, BFHE 103, 345, BStBl II 1972, 114; vom 7. März 1974 IV R 232/71, BFHE 112, 141, BStBl II 1974, 483).

c) Neuerdings vertritt jedoch der IX. Senat des BFH (vgl. Urteil vom 9. Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722) eine von der bisherigen Rechtsprechung abweichende Auffassung. Der IX. Senat möchte die Erbauseinandersetzung grundsätzlich als ein Rechtsgeschäft unter Lebenden behandelt wissen. Die Erbauseinandersetzung soll entgeltliches Rechtsgeschäft sein, wobei das Entgelt in den Aufwendungen des erwerbenden Miterben besteht, die von ihm geleistet werden, um den maßgeblichen Gegenstand des Nachlaßvermögens zu erwerben. Dabei sollen jedoch die Aufwendungen, die sich als Leistungsaustausch im Rahmen einer Natural- oder Realteilung darstellen, erfolgsneutral angesetzt werden. Diesbezüglich sollen die vom VIII. Senat des BFH in dessen Urteil vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77 (BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456) wiedergegebenen Rechtsgrundsätze anzuwenden sein.

d) Der Streitfall macht eine abschließende Entscheidung darüber, was bei einer Erbauseinandersetzung alles Entgelt des Leistungsaustauschs sein kann, nicht erforderlich. Der erkennende Senat folgt jedenfalls der Auffassung des IX. Senats im Urteil in BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722 insoweit, als das Steuerrecht die Erbauseinandersetzung nicht abweichend von der Zivilrechtslage beurteilen darf. Zivilrechtlich tritt der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft in die Rechtsposition des Erblassers ein (§§ 1922, 2032 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Das Geschäft von Todes wegen ist mit dem Erwerb durch den Erben bzw. durch die Erbengemeinschaft abgeschlossen. Der einzelne Miterbe erwirbt im Rahmen der Erbauseinandersetzung von der Erbengemeinschaft nach den Regeln eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden. Der Erwerb ist ein entgeltlicher, soweit dem einzelnen Miterben Aufwendungen entstehen, die er leistet, um Eigentümer eines Nachlaßgegenstandes im Wege der Erbauseinandersetzung zu werden. Entsprechende Aufwendungen entstehen zumindest in Höhe der von dem Erwerber über seinen Anteil an dem Nachlaß hinaus einzusetzenden Vermögenswerte (Ausgleichszahlungen). Im Streitfall bilden deshalb die vom Kläger gezahlten 146.250 DM Anschaffungskosten des bebauten Grundstücks in X, Y-Straße 12, weil der Kläger sie zahlte, um das genannte Grundstück zu erwerben. Die Anschaffung war ursprünglich zu 2/3 betrieblich und zu 1/3 durch die Absicht einer Nutzung gemäß § 21 EStG veranlaßt. Durch die hälftige Eigentumsübertragung auf die Ehefrau des Klägers veränderte sich das Verhältnis in eine 1/3-Nutzung zu betrieblichen und in eine 2/3-Nutzung zu privaten Vermietungszwecken, wobei der Senat die tatsächlichen Feststellungen des FG dahin versteht, daß die Ehefrau den ihr gehörenden Grundstücksteil an den Kläger vermietete. Dann aber sind die durch die Fremdfinanzierung der Anschaffungskosten angefallenen Zinsen in Betriebsausgaben und Werbungskosten aufzuteilen. Dem entspricht die Vorentscheidung.

e) Der IV. und der VIII. Senat haben der Entscheidung zugestimmt, weshalb eine Anrufung des Großen Senats nicht erforderlich ist.

B.

Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung (AfA)

Die Revision ist jedoch begründet, soweit sie sich gegen den Ansatz der AfA-Bemessungsgrundlage für das Gebäude in X, Y-Straße 12, durch das FG richtet.

1. Die Vorentscheidung enthält in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, die eine revisionsrechtliche Überprüfung der AfA-Bemessungsgrundlage ermöglichen würden. Es fehlt an der zahlenmäßigen Feststellung der Beträge, die die AfA-Bemessungsgrundlage bilden. Dies ist ein materiell-rechtlicher Fehler in der Urteilsfindung, der für sich genommen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen muß (vgl. BFH-Urteile vom 10. Dezember 1981 V R 75/76, BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200, für nicht ausreichende tatsächliche Feststellungen; vom 7. März 1973 II R 34/66, BFHE 109, 472, BStBl II 1973, 707, für widersprüchliche Feststellungen; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118, Rdnrn. 10 B, 13 m.w.N.).

2. Gegebenenfalls wird das FG prüfen müssen, ob der Kläger am 11. November 1974 2/3 des bebauten Grundstücks betrieblich veranlaßt erwarb (einlegte), um am 15. November 1974 davon die Hälfte - also insgesamt 1/3 - wieder zu entnehmen und sie seiner Ehefrau zu schenken. Ein entsprechender Erwerb würde die Betriebsvermögenseigenschaft des bebauten Grundstücks in der Zeit vom 11. bis 15. November 1974 mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen auslösen.