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BFH-Urteil vom 22.5.1987 (III R 47/82) BStBl. 1987 II S. 673

Zum Zeitpunkt "der tatsächlichen Zahlung" bei einer durch Banküberweisung auf Sperrkonto geleisteten Anzahlung.

EStG § 7a Abs. 2 Satz 3.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Streitig ist der Zeitpunkt einer Anzahlung, die mittels einer Banküberweisung auf ein Sperrkonto geleistet wird.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in Berlin (West) einen ... betrieb. Im Dezember 1977 schloß sie mit der Firma A (Italien) Kaufverträge über die Lieferung von ... maschinen ab. Die Verträge wurden am 14. Dezember 1977 vom der Klägerin und am 28. Dezember 1977 vom der Lieferantin unterzeichnet. Nach den vereinbarten Zahlungsbedingungen waren zu zahlen "30% sofort nach Unterzeichnung der Kaufverträge und nachdem die Käuferin vom Lieferanten eine unwiderrufliche Bankbürgschaft einer deutschen Großbank in Höhe der Anzahlung erhalten hat".

Am 23. Dezember 1977 beauftragte die Klägerin ihre Bank, mit Wertstellung vom 29. Dezember 1977 zu Lasten ihres laufenden Kontos auf das Konto der Lieferantin bei einer Bank in Italien einen Betrag von 3.393.600 DM zu überweisen. Die Überweisung sollte mit einem Sperrvermerk dergestalt versehen sein, daß der Betrag an die Lieferantin erst ausgezahlt wird, wenn die Klägerin bestätigt hat, daß sie von der Firma A sowohl die vorgesehene Bürgschaft als auch die von ihr unterzeichneten Kaufverträge erhalten hat. Die Zinsen ab 29. Dezember 1977 sollten der Lieferantin zustehen.

Am 20. Januar 1978 gingen die erwähnten Unterlagen bei der Klägerin ein. Sie gab deshalb in einem Schreiben an ihre Bank vom selben Tag einen Betrag von 3.357.000 DM frei. Der Differenzbetrag von 36.600 DM (er beruht auf einem Berechnungsfehler) sollte ihrem Konto wieder gutgeschrieben werden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte der Klägerin zunächst antragsgemäß auf die geleistete Anzahlung eine Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) von 25 v.H. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluß an eine Außenprüfung änderte das FA seinen Bescheid und forderte die Zulage wieder zurück. Das FA vertrat die Auffassung, daß die Klägerin ihre Anzahlung wegen des Sperrvermerks nicht im Streitjahr 1977, sondern erst im Jahre 1978 aufgewendet habe.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wurde auch die Klage abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Werde eine Anzahlung durch eine Banküberweisung geleistet, so gelte die Zahlung grundsätzlich als in dem Zeitpunkt aufgewendet, in dem der Überweisungsauftrag erteilt ist. Dieser Zeitpunkt könne im vorliegenden Fall aber nicht gelten, weil die Klägerin wegen des Sperrvermerks ihre wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Überweisungsbetrag vorläufig noch behalten und diese erst mit der Freigabe des Geldes verloren habe. Sie sei bis zum 20. Januar 1978 in der Lage gewesen, über den Überweisungsbetrag noch anderweitig zu verfügen. Nach der Formulierung des Sperrvermerks hätte sie die Freigabe des Überweisungsbetrages selbst dann noch verweigern können, wenn die Lieferantin ihrerseits die Bedingungen erfüllt hätte. Das zeige sich auch daran, daß die Klägerin in der Lage war, den Betrag von 36.600 DM zurückzurufen.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG den Änderungsbescheid im Umfang der streitigen Anzahlung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Nach § 19 Abs. 3 BerlinFG kann eine Investitionszulage bereits für Anzahlungen gewährt werden. Maßgebend ist das Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr), in dem die Anzahlung aufgewendet wird. Wegen des Zeitpunkts der Aufwendung verweist das BerlinFG auf § 7a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Da die Klägerin die streitige Anzahlung nicht durch die Hingabe eines Wechsels oder Schecks geleistet hat, scheiden § 7a Abs. 2 Sätze 4 und 5 EStG aus. Maßgebend ist vielmehr die Regelung in § 7a Abs. 2 Satz 3 EStG. Danach sind Anzahlungen auf Anschaffungskosten im Zeitpunkt "der tatsächlichen Zahlung" aufgewendet.

2. Im vorliegenden Fall ist die Anzahlung mittels Banküberweisung auf ein Sperrkonto der Lieferantin erfolgt. Als möglicher Zeitpunkt "der tatsächlichen Zahlung" kommen folgende Vorgänge in Betracht: Der Überweisungsauftrag der Klägerin an ihre Bank, die Gutschrift auf dem Konto der Lieferantin und die Freigabe des Überweisungsbetrages durch die Klägerin. Dagegen kommt es auf die Lastschrift auf dem Konto der Klägerin nicht an.

3. Das FG hat auf die Freigabe des Geldes durch die Klägerin abgestellt. Es hat die Auffassung vertreten, daß die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt noch die Verfügungsmacht über den Überweisungsbetrag besessen habe, so daß ihr das Geld wirtschaftlich noch zuzurechnen war. Dieser Gesichtspunkt allein reicht jedoch für eine Entscheidung nicht aus. Für eine Beurteilung ist vielmehr die Kenntnis der Umstände notwendig, welche die Geldüberweisung begleitet haben. Das bedarf u.a. einer Auslegung der getroffenen Zahlungsbedingungen. Außerdem ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. April 1980 VIII R 156/75 (BFHE 131, 41, BStBl II 1980, 643) bei einer Überweisung auf ein Konto mit Sperrvermerk auf die mit dem Sperrvermerk bezweckte Interessenlage der Beteiligten abzustellen. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen. Die Sache wird deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG wird insbesondere aufzuklären haben, warum die Klägerin bereits am 19. Dezember 1977 ihrer Bank den Überweisungsauftrag mit Wertstellung vom 29. Dezember 1977 erteilt hat, obwohl die Anzahlung erst mit der Vorlage der Bankbürgschaft (20. Januar 1978) fällig war, und aus welchem Grund der bereits vor dem Fälligkeitszeitpunkt aufgelaufene Zinsbetrag nicht der Klägerin, sondern ihrer Lieferantin zustand.

4. Kommt das FG im zweiten Rechtsgang erneut zu dem Ergebnis, daß der Klägerin der Überweisungsbetrag bis zum 20. Januar 1978 wirtschaftlich noch zuzurechnen war, so hat die Klägerin im Streitjahr 1977 keine Anzahlung geleistet, und ihre Klage wäre abzuweisen. Anderenfalls käme es auf die Frage an, was in § 7a Abs. 2 Satz 3 EStG unter dem Zeitpunkt "der tatsächlichen Zahlung" zu verstehen ist.

5. Der Senat versteht unter dem Zeitpunkt "der tatsächlichen Zahlung" den Zeitpunkt, in dem der Schuldner seiner Bank den Überweisungsauftrag erteilt hat. Diese auf die Leistungshandlung abstellende Auffassung hat den Vorzug, daß sie sowohl mit der Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 1986 IX R 51/80, BFHE 146, 48, BStBl II 1986, 453) als auch mit dem bürgerlichen Recht (vgl. Canaris, GroßKomm.HGB, 3. Aufl., Bd. III/3, 1981, Rdnr. 479) übereinstimmt. Sie wird auch überwiegend im Schrifttum vertreten (vgl. z.B. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, § 7a EStG Anm. 52; Blümich/Falk, Kommentar zum EStG, 12. Aufl., § 7a Anm. 18; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum EStG, § 7a Anm. 13; Schmidt/Drenseck, Kommentar zum EStG, 5. Aufl., § 7a Anm. 3). Ihr steht nicht entgegen, daß der Wortlaut im Einkommensteuergesetz verschieden ist, indem in § 11 Abs. 2 Satz 1 von den "geleisteten" Ausgaben und in § 7a Abs. 2 Satz 3 von der tatsächlichen "Zahlung" die Rede ist. Denn die Zahlung ist als ein Unterfall der Leistung zu verstehen.

Eine andere Auffassung wird allerdings in dem Kommentar zum EStG von Littmann/Bitz/Meincke (14. Aufl., § 7a Anm. 34) vertreten. Dort wird auf den Leistungsserfolg abgestellt, d.h. bei einer Banküberweisung auf die Gutschrift beim Gläubiger. Die Vertreter dieser Auffassung haben die vom Gesetz beim Wechsel und Scheck getroffene Regelung für sich. Werden Anzahlungen auf Anschaffungskosten durch Hingabe eines Wechsels oder Schecks geleistet, so sind sie nach § 7a Abs. 2 Sätze 4 und 5 nicht im Zeitpunkt der Hingabe geleistet, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem dem Lieferanten durch Einlösung des Wechsels oder Schecks das Geld tatsächlich zufließt. Der Grund für diese Regelung ist, daß bei Anzahlungen durch Wechsel und Scheck die Gefahr des Mißbrauchs besonders groß ist, indem Vergünstigungen in ein Wirtschaftsjahr vorverlagert werden, in dem entsprechende Mittel tatsächlich noch nicht in den Verfügungsbereich des Gläubigers geflossen sind (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Oktober 1970 IV R 103/70, BFHE 100, 501, BStBl II 1971, 94, und vom 17. Januar 1973 I R 17/70, BFHE 108, 329, BStBl II 1973, 487). Da eine solche Mißbrauchsgefahr bei durch Banküberweisungen geleisteten Anzahlungen nicht besteht, ist es nicht zwingend, die für den Wechsel und Scheck getroffene Regelung auf Banküberweisungen zu übertragen. Der Senat sieht vielmehr in den Regelungen der Sätze 4 und 5 Ausnahmen von dem in Satz 3 des § 7a Abs. 2 EStG enthaltenen Grundsatz.

6. Zur Durchführung der notwendigen Ermittlungen geht die Sache an das FG zurück.