| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BVerwG-Urteil vom 22.5.1987 (8 C 33/86) BStBl. 1987 II S. 698

§ 19 Abs. 3 GewStG stellt die Entscheidung, ob bei der Anpassung festgesetzter Gewerbesteuer-Vorauszahlungen die im Zeitpunkt der Anpassung bereits fällig gewesenen und entrichteten Vorauszahlungen auf jeweils ein Viertel der voraussichtlichen Jahressteuer herabgesetzt werden, in das Ermessen der Gemeinde.

GewStG § 19 Abs. 2 und 3.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Anpassung festgesetzter Gewerbesteuer-Vorauszahlungen.

Sie unterhält im Gebiet der Stadt A eine Betriebsstätte. Für diese hatte der Beklagte bei der letzten Veranlagung zur Gewerbesteuer die Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer 1983 zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November auf je 4.746 DM festgesetzt. Nachdem die Klägerin die erste Vorauszahlung entrichtet hatte, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 25. März 1983 für Zwecke der Vorauszahlungen den auf die Stadt A entfallenden Zerlegungsanteil am Steuermessbetrag auf 1.474,13 DM fest. Aufgrund dieses Zerlegungsanteils betrug die voraussichtliche Gewerbesteuer 1983 nur noch 4.716 DM. Der Beklagte erließ am 30. März 1983 einen Gewerbesteuerbescheid, mit dem er im Wege der Anpassung die Vorauszahlungen zum 15. Februar auf 4.716 DM (4.746 DM mit einer Sollminderung von 30 DM) sowie zum 15. Mai, 15. August und 15. November 1983 auf je 0 DM festsetzte.

Die Klägerin hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Anfechtungsklage erhoben und geltend gemacht, die Vorauszahlungen zu den vier gesetzlichen Fälligkeitsterminen müßten je 1.179 DM - jeweils ein Viertel der voraussichtlichen Jahressteuer - betragen. Der Beklagte verstoße mit seiner abweichenden Verfahrensweise gegen § 19 GewStG und verschaffe sich dadurch einen rechtswidrigen Zins- und Liquiditätsvorteil.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 20. Oktober 1983 den angefochtenen Gewerbesteuerbescheid insoweit aufgehoben, als er die Gewerbesteuervorauszahlung 1983 betrifft.

Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage mit dem im Berufungsverfahren geänderten Klageantrag auf Feststellung, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Gewerbesteuervorauszahlungen 1983 im Wege der Anpassung in vier Teilbeträgen von je 1.179 DM festzusetzen, durch Urteil vom 16. Januar 1986 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Für den Beklagten habe keine Verpflichtung bestanden, im Wege der Anpassung die bereits entrichtete erste Vierteljahresrate rückwirkend herabzusetzen und die Vierteljahresraten entsprechend der Minderung der voraussichtlichen Jahressteuer auf vier gleich hohe Vorauszahlungsbeträge mit der Folge festzusetzen, daß die erste Vierteljahresrate überzahlt und dementsprechend teilweise zu erstatten sei. § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG stelle die Anpassung der Vorauszahlungen sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich des "Wie" in das Ermessen der Gemeinde. Diese Bestimmung werde nicht dadurch verdrängt, daß die Gemeinde bei der Anpassung an einen vom Finanzamt für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen für den laufenden oder vorangegangenen Erhebungszeitraum festgesetzten einheitlichen Steuermessbetrag gebunden sei. Der angefochtene Bescheid leide auch nicht an einem Ermessensfehler. Zwar bestünden Zweifel, ob der Beklagte sein Ermessen ausgeübt habe. Das könne indessen dahinstehen. Denn vorliegend sei eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge einer Pflicht zu der von der Klägerin begehrten Anpassung jedenfalls nicht gegeben gewesen. Eine solche Reduzierung des Ermessens möge etwa dann angenommen werden können, wenn die vollständige Verrechnung der voraussichtlichen Jahressteuer mit nur einer bereits fällig gewesenen Vierteljahresrate den Steuerpflichtigen in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Situation, der Höhe der Raten und des Umfangs der Ermäßigung gegenüber einer Verteilung der Steuer auf vier gleich hohe Raten wirtschaftlich spürbar beeinträchtige. Davon könne hier keine Rede sein. Da der Beklagte die bereits entrichtete erste Vierteljahresrate rückwirkend auf den Betrag der voraussichtlichen Jahressteuer herabgesetzt habe, sei gewährleistet, daß der Jahresbetrag der Vorauszahlungen nicht überschritten werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese unter Rüge einer Verletzung materiellen Bundesrechts ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er tritt dem Berufungsurteil bei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Beklagte nicht verpflichtet war, die im Zeitpunkt der Anpassung bereits fällig gewesene Vorauszahlung zum 15. Februar 1983 rückwirkend auf ein Viertel der voraussichtlichen Gewerbesteuer 1983 herabzusetzen mit der Folge, daß die mit einer solchen Festsetzung eintretende Überzahlung der Klägerin zu erstatten gewesen wäre.

Die Entscheidung über die nachträgliche Anpassung von festgesetzten Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer steht grundsätzlich im Ermessen der Gemeinde. Das ist angesichts des Wortlauts des § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG, wonach die Gemeinde die Vorauszahlungen der Steuer "anpassen kann", die sich für den laufenden Erhebungszeitraum voraussichtlich ergeben wird, nicht zweifelhaft. Zur Frage, wie eine solche Anpassung ihrer Höhe nach vorzunehmen ist, äußert sich § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG nicht ausdrücklich. Gerade das legt aber den Schluß nahe, daß die Freiheit in der Entscheidung, ob überhaupt angepaßt wird, eine Freiheit in der Entscheidung einschließt, wie gegebenenfalls angepaßt werden soll. § 19 Abs. 3 GewStG enthält nichts, was auf das Gegenteil hindeutete und damit diesem Schluß entgegenstünde. Das gilt namentlich auch für die hier interessierende Frage, ob bereits entrichtete Vorauszahlungen in die Anpassung einbezogen werden sollen oder nicht.

§ 19 Abs. 3 GewG schließt die rückwirkende Herabsetzung von im Zeitpunkt der Anpassung bereits fällig gewesenen Vorauszahlungen allerdings nicht aus. Eine solche rückwirkende Herabsetzung wird insbesondere in Betracht kommen, wenn die voraussichtliche Jahressteuer niedriger ist als das, was an Vorauszahlungen schon geleistet wurde. In einem solchen Fall mag sogar - das braucht hier nicht entschieden zu werden - das Anpassungsermessen insoweit ("auf Null") reduziert sein und angesichts dessen sogar ein Anspruch auf die Vornahme der Anpassung bestehen (vgl. Lenski / Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 19 Anm. 3 S. 5; Müthling / Fock, Gewerbesteuergesetz, § 19 Anm. 2 S. 5; Blümich / Falk, Einkommensteuergesetz, § 37 Rz. 24). Dem steht nicht entgegen, daß die Vorschrift eine rückwirkende Erhöhung bereits fällig gewesener Vorauszahlungen nicht zuläßt, im Fall einer Anpassung nach oben die Anpassung (Erhöhungsanpassung) also entweder nur für die noch folgenden Vorauszahlungstermine des laufenden Erhebungszeitraums oder, wenn diese bereits verstrichen sind, nur bis zum Ende des folgenden Erhebungszeitraums vorgenommen werden kann, wobei für diese sog. fünfte Vorauszahlung eine besondere Fälligkeit geregelt ist (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 GewStG).

§ 19 Abs. 3 GewStG macht indessen der Gemeinde eine rückwirkende Herabsetzung bereits fällig gewesener Vorauszahlungen auf ein Viertel der voraussichtlichen Jahressteuer nicht zur Pflicht. Der Wortlaut seiner Sätze 1 und 2 gibt für eine solche Annahme nichts her. Er deckt vielmehr, wie gesagt, den Schluß, daß - abgesehen allein von der erwähnten rückwirkenden Erhöhung von Vorauszahlungen - die Art der Anpassung dem gemeindlichen Ermessen überlassen bleiben soll. Das leuchtet gerade in seiner Auswirkung auf die Frage der rückwirkenden Herabsetzung auch sachlich ein. Das Wiederaufrühren erbrachter Vorauszahlungen mit der Konsequenz, daß Beträge zurückzuzahlen sind, die der Steuerpflichtige ohnehin alsbald wieder entrichten müßte, hat, wie nicht der Darlegung bedarf, handgreiflich Gründe der Verwaltungspraktikabilität gegen sich. Darauf abzuheben verböte sich nur dann, wenn es den Betroffenen - gleichsam ebenfalls handgreiflich - nicht zugemutet werden könnte, es bei den schon erbrachten Vorauszahlungen bewenden zu lassen. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Eine insoweit "vorzeitige" Belastung der Steuerpflichtigen und die damit verbundene Einschränkung von Liquidität bzw. der damit verbundene Zinsnachteil sind angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe der in Betracht kommenden Beträge und der Abfolge der gesetzlichen Vorauszahlungstermine von so geringem Gewicht, daß sie dem Interesse der Verwaltungspraktikabilität nachstehen können.

Aus § 19 Abs. 2 GewStG folgt entgegen der Revision nichts anderes. Diese Vorschrift, nach der jede der gemäß § 19 Abs. 1 GewStG am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November zu entrichtenden Vorauszahlungen grundsätzlich ein Viertel der Steuer beträgt, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat, ist im Fall der nachträglichen Anpassung bereits festgesetzter Vorauszahlungen nicht anwendbar. Sie gilt vielmehr, wie ihr Wortlaut ergibt, nur für solche Festsetzungen von Vorauszahlungen, die aus Anlaß und im Zusammenhang mit der Veranlagung der Steuer vorgenommen werden.

Ebensowenig wird das Anpassungsermessen der Gemeinde in der hier in Rede stehenden Richtung durch § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG reglementiert. Die durch ihn angeordnete Bindung (Anpassungsbindung) der Gemeinde betrifft die Höhe dessen, was insgesamt vorauszuzahlen ist, berührt dagegen nicht die Verteilung auf Vierteljahresraten: Hat das Finanzamt für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag, der sich voraussichtlich für den laufenden oder vorangegangenen Erhebungszeitraum ergeben wird, im Sinne des § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG festgesetzt, wie das hier der Fall ist, so ist die Gemeinde bei der Anpassung der Vorauszahlungen an diese Festsetzung gebunden. Die Gemeinde muß daher in einem solchen Fall die Höhe der voraussichtlichen Jahressteuer auf der Grundlage der Festsetzung des Finanzamts ermitteln. Das ist hier geschehen. Eine weitergehende Bindung der Gemeinde ordnet § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG nicht an. Insbesondere folgt aus ihm nichts für die Annahme, die Gemeinde sei verpflichtet, im Zeitpunkt der Anpassung bereits fällig gewesene Vorauszahlungen auf ein Viertel der voraussichtlichen Jahressteuer herabzusetzen.

Gründe dafür, daß im vorliegenden Fall die Ausübung des der Gemeinde zustehenden Ermessens derart ("auf Null") reduziert war, daß der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei nur entsprechend dem von der Klägerin geltend gemachten Begehren hätte ausüben können, sind nicht ersichtlich.

Auf die Frage, ob der angefochtene Bescheid an einem Ermessensfehler deshalb leidet, weil der Beklagte sein Ermessen möglicherweise nicht ausgeübt hat, kommt es nicht an. Das Vorbringen der Klägerin gibt für ein darauf gerichtetes selbständiges schutzwürdiges Feststellungsinteresse (Fortsetzungs-Feststellungsinteresse) im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nichts her; auch ihr Klageantrag erstreckt sich darauf nicht.